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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 2.1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.6484#0019
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— 67 —

wenige Bemerkungen als Schluß dieſer hiſtoriſchen Notizen
Wenn auch der Renaiſſanee (Rococoſtyl) eine gewiſſe Kraft
und Großartigkeit in ihren Producten nicht abgeſprochen werden
kann, und immerhin noch koſtbares Material mitunter zur Ver-
wendung kommt, ſo wußte ſie doch die Aufgabe, einen ſchönen
Altar zu bauen, nicht anders zu löſen, als daß ſie wahre
Monſtra von Altaraufſätzen machte. Manch ſchöner Chor
wurde verſtümmelt, manche Kirche wurde ihrer prachtvollen
Altäre und Glasmalereien beraubt, um einem geſchmackloſen
Koloß von Altar Platz zu machen. Tauſende ſolcher Altäre
verunſtalten bis auf den heutigen Tag die Kirchen. Eine con-
ſtructive Kraft lag in der Renaiſſance nicht, ſondern ſie be-
gnügte ſich namentlich im Anfange, die Formen der gothiſchen
Flügelaltäre beizubehalten, aber nach ihrem Geſchmack auszu-
ſtaffiren. Der Altartiſch, der früher mit ſo großer Ehr-
furcht behandelt wurde, wird jetzt zur bloßen Baſis, zum
Fußgeſtell des ſchwerfälligen Aufſatzes herabgewürdigt. Die
Heiligenfiguren und Bilder tragen den nakteſten Naturalismus
zur Schau, ſehen eher idilliſchen Flötenſpielern und Ballet-
tänzerinnen als Heiligen ähnlich; die Züchtigkeit verſchwindet
und die Entblößung der Körpertheile wird bis zur Scham-
loſigkeit getrieben. Der Tabernakel wird ein Driller, die Anti-
pendien werden bauchig und wie die übrigen Theile des Alta-
res mit Schnörkeln verſehen. Eine ganze Ausſtellung von pa-
piernen, leinernen, wächſernen oder blechernen Blumen, Todtenköpfe
und andere Sinnbilder des Todes figuriren auf den Altären.
So geſtaltet ſich die Kunſt immer mehr zum Zopf aus, der
mit ſeinen frazenhaften Gypsfiguren das Unglaubliche geleiſtet
hat. Es iſt als ob die Götter und Göttinnen Jupiter, Venus,
Cupido u. ſ. w. in die Kirchen wandern und ſich auf den
Altären und Sitzen der verdrängten Heiligen niederlaſſen.
Das heidniſch⸗plaſtiſche Alterthum iſt an die Stelle der chriſt-
lichen Kunſt getreten, die ſich von dem alten Geiſt und den
alten Traditionen losgelöſt hatte.
Ueberall Scheinwerk: Marmor aus Holz oder Gyps, Stein
aus Pflanzenſtoffen und Thierlein, hohle Figuren, Flitter und
Tand, und was der Nihilismus noch Alles erfunden hat,
Täuſchung und Lüge überall! Sind wir ſchon aus dieſer trau-
rigen Periode herausgekommen? Leider noch nicht! Wohl iſt
ein ernſter und kräftiger Anfang zum Beſſeren gemacht, aber
nebenher ſtolzirt auch noch Zopf und Perücke. Nicht nur, daß
man bei Reſtaurationen häufig dem alten Zopf mit vielem
Geld wieder aufhilft, ſondern man ſetzt oft auf den alten einen
neuen Zopf mit einem gothiſchen Mäntelchen. So manche
neueſte Werke, die man als romaniſch oder gothiſch anſtaunt
und bewundert, ſind im Grunde nichts anderes als ein gothi-
ſirter Zopf.

den Vorzug vor der modernen Faſſungsart, die
durch Goldmaſſen und Metall-Laſuren zu imponi-
ren ſtrebt, und vor der neumodiſchen Erfindung, den Stein-
und Holzſculpturen einen ſog. Ton zu geben, d. h. mit einer
eintönigen ſtein- oder elfenbeinartigen Oelfarbe anzuſchmieren.
Jn dieſem Puncte der Kunſt iſt man dermalen im Allge-
meinen noch weit zurück hinter den Alten, die durch natürliche
Behandlung der Fleiſchtöne und durch fleißige Nachahmung
der Gewandung, deren Zeichnung oft in Kreidegrund eingegra-
ben wurde, ihren Statuen eine äußerſt liebliche Wirkung zu
verſchaffen verſtanden. Eine Ausnahme von der Polychromi-
rung machen jedoch die Kunſtarbeiten von Eichenholz
Wenn es auch als Regel erſcheint, daß die Bildhauerei und
Malerei in harmoniſchem Bunde bei den Kunſtwerken der Al-
täre ſich betheiligten, ſo gibt es doch auch ſolche, wo gar keine
Malereien angebracht ſind, ſondern aus lauter Schnitzwerk be-
ſtehen. Zuerſt hielt man ſich mehr an die Stein-Architektur,
deren Gliederung jedoch noch ſteif und maſſenhaft erſcheint.
Man begnügte ſich aber nicht, blos einen Aufſatz anzubringen,
ſondern man ſetzte mehrere Stockwerke über einander. Bald
fing man aber an, Holz als Material zu verwenden; dieſes
und die vorgeſchrittene Technik erlaubten nun den Meiſtern,
über die Geſetze der Steinconſtruction hinauszugreifen und mehr
Schwung und Beweglichkeit in das Material zu legen. Jn der
ſpätgothiſchen Zeit ging man ſo weit, daß man die Fialen
krümmte und ausſchweifte. Da aus dieſer Periode uns noch
überall Altäre aufbewahrt ſind, ſelbſt in Landkirchen und Ka-
pellen, und im Grunde eine noch ſo genaue Beſchreibung der-
ſelben die Anſchauung von ſolchen Altären oder Zeichnungen
nie erſetzen kann, ſo enthalte ich mich weiterer Bemerkungen.
Nur eines wichtigen Gegenſtandes muß aus dieſer Zeit
noch Erwähnung geſchehen, nämlich der Saeramentshäus-
chen. Dieſelben kamen auf gegen Ende des 14. Jahrhunderts
und waren bis Anfang des 16. Jahrhunderts allgemein im
Gebrauch, nicht etwa in Kathedralen und größeren Kirchen,
ſondern auch in den gewöhnlichſten und ärmſten Landkirchen,
denn ſie waren keine Luxusbauten, ſondern Bedürfniß. Wie
oben bemerkt, wurde die hl. Euchariſtie früher in einem Ge-
fäße, das an einer Kette von dem Gewölbe des Ciboriums her-
niederhing, aufbewahrt, dann nach Wegfall der Ciborien, an einem
eigens am Hinterbau des Altares oder dem großen Altarkreuze
angebrachten Arme. Jm 14. Jahrhundert aber fing man an
das Sanctiſſimum in an den Seitenwänden des Chores, oder
am Chorbogen, oder auch in Seitencapellen angebrachten eigenen
Behältniſſen, einer Art Wandſchrank, aufzubewahren. Dieſelben
waren von Stein aufgeführt und mehr oder weniger reich ver-
ziert, und der Verſchluß beſtand gewöhnlich in eiſernen ver-
goldeten Gitterthüren von ſehr ſchöner Schloſſerarbeit, der
innere Raum war mit Seidenſtoffen ausgeſchlagen. Wo man
wenig Mittel hatte, begnügte man ſich mit einem ganz ein-
fachen, nur mit einem Kehlrahmen eingefaßten und einem
Wimperg gekrönten Wandſchrank. Die Herrſchaft dieſer Saera-
mentshäuschen dauerte etwa nur 150 Jahre, während 1400
Jahre vorher die heil. Euchariſtie auf oder über dem Altare
aufbewahrt wurde. Wohl das kunſtreichſte Sakramentshäus-
chen iſt das in der Laurentiuskirche in Nürnberg; auch im Ulmer
Dome iſt ein ſehr ſchönes zu ſehen. Minder kunſtreich und kleiner
ſind z. B. die in Altbreiſach, in der Stadtkirche zu Baden rc.
Das großartig angelegte in der Kirche zu Salem reicht in
das 17. Jahrhundert herein, und trägt den Stempel der
Renaiſſance, dürfte deßhalb ſeiner ſpäten Entſtehung nach zu den
Seltenheiten gehören.
Ueber den Verfall und die Ausartung der chriſtlichen Kunſt
vom Ende des 16. Jahrhunderts an bis auf unſere Tage nur

IJ. Nochmals die Verzierung der Fußböden in Kirchen.
Als wir in Nr. 16 unſerer Kunſtblätter den Wunſch aus-
ſprachen, daß jetzt wie früher die Fußböden unſerer Kirchen
bei Neubauten und Reparaturen mit ſ. g. Fließen, gebrann-
ten Platten mit entſprechenden Deſſins, geziert werden mögen,
wußten wir noch nicht, daß die Kunſt der Anfertigung ſolcher
Platten bei uns in Deutſchland bereits wieder errungen iſt, ja
daß das dazu verwendete Material jenem in England an Dauer-
haftigkeit und Schönheit nicht nachſteht, und die techniſche
Ausfuhrung eine wirklich künſtleriſche genannt werden darf.
Aus Anlaß unſerer eben bezeichneten Mittheilung über die-
ſen Gegenſtand wurden uns von befreundeter Hand die n M u⸗
ſterblätter für Moſaikböden in gebrannten Stein-
platten von Villeroy u. Boch in Mettlach a. Saar''
zugeſandt, und zugleich angezeigt, daß die Benutzung jener Platten
hier in Freiburg in dem neuerbauten Hauſe des Herrn Wol-
 
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