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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Editor]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 2.1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.6484#0026
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—74 —

läuft um den ganzen Nimbus umher. — Jn Mitte des obern
Theiles des Kreuzholzes befindet ſich der köſtlichſte und merk-
würdigſte Gegenſtand des ganzen Werkes, die ungewöhnlich
große Kreuzpartikel, unter einem Medaillon von Glas befeſtigt,
das in ähnlicher Weiſe wie der Nimbus von größeren und
kleineren Steinen eingefaßt wird. Dieſe Kreuzpartikel von
zartfaſerigem Holz, 1'4' hoch und etwa 9''' breit, zeigt in
der Mitte eine ovalrunde Oeffnung, hinter welcher ein rother
Seidenſtoff wahrnehmbar iſt. Dem geſchichtlichen Berichte
zufolge, deſſen wir am Schluſſe unſerer Beſchreibung gedenken
werden, war durch dieſe Oeffnung, die mittelſt eines Bohrers
gemacht zu ſein ſcheint, einer der Kreuznägel hindurchgetrieben.
— An den drei obern Armen des Kreuzes erblickt man in
den angefügten Quadraten die Evangeliſten Matthäus, Mareus
und Lucas. Der Rand der Quadrate iſt mit einer aus den
betreffenden Evangelien entlehnten, auf das Leiden Chriſti ſich
beziehenden Bibelſtelle geſchmückt. Bei Matthäus liest man
die Worte: Traditur principibus sacerdotum et condem-
nabunt eum morte (Matth. 20, 18.); um die Figur des
Marcus herum ſteht die Jnſchrift: Filius hominis non habet,
ubi caput reclinet (Luc. 9, 58); der den Evangeliſten
Lucas umgebende Rand trägt die Jnſchrift: Oportebat Chri-
stum pati et resurgere a mortuis tertia dis (Luc. 24, 46).
Auf den Spruchbändern, welche die Evangeliſten mit beiden
Händen emporhalten, ſtehen die Anfangsworte ihrer Evangelien.
Jhre Bewegung iſt eine nach außen gewendete, haſtig fort-
ſchreitende. Die Zeichnung der Körpertheile iſt überaus mangel-
haft; die Gewandung ſtrebt einen reichen Faltentwurf zu
zeigen, zerlegt aber ungeſchickter Weiſe das ganze Gewand
gleichſam in einzelne Bandſtreifen. Die Füße ſind unbeſchuht;
aus den weiten Aermeln treten die Arme unbedeckt heraus;
die Köpfe haben keinen beſondern Ausdruck und ſind weit un-
vollkommener gebildet als das Haupt des Heilandes. Bart
und Haare der beiden Seitenevangeliſten entſprechen der Haar-
behandlung am Kopfe Chriſti; Marcus in der Höhe iſt bartlos.
Die Mater Doloroſa, zur Rechten des Heilandes auf einem
modernen Unterſatze ſtehend, faltet beide Hände zum Gebet auf
der Bruſt. Ueber dem Kopf und Nacken liegt ein Schleier,
der jedoch auf der Stirne die Haare in etwas hervortreten
läßt. Das damit ununterbrochen zuſammenhängende Schulter-
gewand deckt den Rücken und den vordern Theil der Bruſt.
Unter dieſem Gewande trägt Maria, zunächſt einen ſie rings
umhüllenden ſilberfarbigen Mantel, den nur die gefalteten
Hände vorn auseinanderhalten. Unter dieſem Mantel iſt dann
ein zweites goldfarbiges Gewand ſichtbar, das durch einen
vorn aufgeſchürzten Gürtel zuſammengehalten wird, deſſen
Ende faſt bis zur Borte dieſes Gewandes herabreichen. Dies
Gewand hat überaus weite Aermel, deren Oeffnung durch
einen eingelegten mehrfach abgetheilten, büſchelförmigen Ge-
wandſtoff ausgefüllt werden. Dem Gewand ſelbſt ſind in
zwei parallelen Reihen kreisförmige Zeichnungen eingelegt, die
Blumen zu umſchließen ſcheinen. Eine breite Borte ſchließt
dieſe Tunica ab. Unterhalb derſelben fällt noch ein letztes
einförmiges Gewand bis auf die beſchuhten Füße herab, das
auch an den Knöcheln der beiden Arme, wo es eng anliegt,
ſichtbar iſt. Das den Kopf und die Schultern umhüllende
Gewand zerfällt in Quadrate, denen jedesmal ein über quer
gezeichnetes Kreuzchen eingelegt iſt. Auch der Mantel iſt in
Quadrate zerlegt, und wo dieſe ſich ſchneiden, iſt jedesmal eine
vierblätterige Blume angebracht, in deren Mitte ein Kreuz
überquer eingezeichnet iſt. Das Haupt der Madonna, deren
Geſichtszüge das Gepräge eines ſchon vorgeſchrittenen Alters
haben, zeigt einen geduldig ertragenen Schmerz, der beſonders
durch die Zeichnung der Lippe und der Naſe angedeutet iſt.
Die Stirne iſt ziemlich nieder, die Augen weit geöffnet. Bei
dem gegenüberſtehenden Johannes finden ſich gleichfalls drei

Gewande. Ueber den Schultern liegt ein ſilberfarbener Mantel,
auf welchem fortlaufende Reihen von Kreuzen eingezeichnet
ſind. Dieſer Mantel bedeckt nur Schultern und Rücken.
Das goldfarbige Untergewand zeigt kleeblätterige Verzierungen
an ſeinem obern Theil, wie auch die darüber liegende durch
einen Gürtel zuſammengehaltene Tunica. Die beiden Hände
halten ein länglich viereckiges Buch, deſſen Einband mit einer
Borte verziert iſt. Die Füße, die nur wenig aus dem herab-
wallenden Untergewande hervortreten, ſind unbeſchuht. Der
Kopf mit ſtarkem gekräuſelten Haar bedeckt, iſt ebenfalls ſtark
vorwärts gebeugt und trägt keineswegs das Merkmal eines
jugendlichen Alters.
Zu den Füßen des Heilandes kniet in dem untern Qua-
drat eine betende männliche Geſtalt mit Bart, deſſen Form
mit jener des Heilands und der Evangeliſten zuſammentrifft.
Dieſe Figur iſt in eine doppelte Gewandung gehüllt, in ein
Unterkleid und einen Mantel, der durch die zum Gebet er-
hobenen Arme zurückgeworfen wird. Die Füße ſind beſchuht.
Auf dem Hintergrund, aus welchem die Figur hervortritt, ſind,
die Spuren einer encauſtiſchen Arbeit, Rankengewebe von
Banden durchſchoſſen, bemerkbar. Am Rande des Quadrats
liest man auf dem noch erhaltenen Theil des Silberblechs
die Worte: ...... rum laetificet me Godefidum.
Die auf der Rückſeite des Kreuzes erſcheinende Figur
des in der Herrlichkeit thronenden Heilandes zeigt in der ganzen
Behandlung eine weit ungeübtere Hand, was wohl darin ſeinen
Grund hat, daß für die Figur des gekreuzigten Heilands auf
den zahlreichen byzantiniſchen Phylacterien, die ſich ſchon von
Zeiten Papſt Gregors d. Gr. an im Abendlande verbreiteten, ein
Vorbild gegeben war, das wenn auch mit characteriſtiſchen
Abweichungen benützt wurde, während die im Abendlande zu
den Crucifixen hinzutretenden Bilder des verherrlichten Chriſtus
ganz nach eigener Erfindung gezeichnet und ausgeführt werden
mußten. Die dem Heiland gegebene Gewandung iſt auf
den herkömmlichen Zweck berechnet, einmal den verklärten
Leib des Herrn zu zeigen, dann aber auch um neben den
Wunden der Hände und Füße auch die Seitenwunde, woraus
das erlöſende Blut floß, zum Vorſchein kommen zu laſſen;
denn auch bei dieſer Figur des verklärten Heilandes iſt bei
den Wundmalen das Blut, das denſelben entſtrömte, durch
Gravirungen angedeutet. Wir ſehen eine auf der rechten
Schulter des Herrn zuſammengeheftete Tunica, deren Fort-
ſetzung unten bis auf die Füße herabgeht; über dieſe iſt ein
zweites Gewand gelegt, das den Unterleib des Herrn umgibt,
über die Kniee des ſitzenden Heilandes herabfällt, welches zu-
gleich über den linken Arm ſich hinzieht, und wovon mit nicht
ganz deutlichem Zuſammenhang ein Ende von der linken
Schulter herabfällt. Wie geſagt, iſt Bildung und Ausdruck
des Kopfs von ungleich weniger künſtleriſchem Werth, wenn
wir ihn mit dem Kopfe des gekreuzigten Heilandes vergleichen.
Der Bart iſt ganz in derſelben Weiſe geformt, das geſcheitelte
Haar fällt auf beiden Seiten mehr brückenmäßig herab und
theilt ſich nicht in einzelne Locken. Die Stirn iſt höher, Augen
und Augenbrauen ſind roher geformt, die letzteren bogenförmig.
Jn Betreff des Nimbus müſſen wir wiederholen, was wir
von dem früheren ſchon geſagt haben. Was an dieſer Dar-
ſtellung überaus merkwürdig iſt, iſt die Zeichnung des gravir-
ten Hintergrundes, aus welchem das Relief der Figur hervor-
tritt. Hinter den Händen und dem Rücken des Heilandes
ſieht man einen rautenförmig verzierten Hintergrund. Jede
einzelne Raute umſchließt eine vierblätterige Verzierung. Nach
oben wird der Hintergrund durch den Nimbus überdeckt. Um
die ausgeſtreckten Hände iſt derſelbe durch einen einfachen
ovalen Rand abgeſchloſſen. Zwiſchen dem Abſchluß dieſes
Randes und dem Ende der Kreuzarme erblickt man auf einem
mit Ranken verzierten Hintergrunde zur Rechten des Heilandes
 
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