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zu naschen, als jener erste Versuch des Malers, unklare Vorstellungen von dem
Wesen eines Bildes der religiösen Kunst zum Ausdruck zu bringen. Ein hübsches
Idyll ist der „Traum der heiligen Cacilia" von W. Bolz. Läßt man sich aber
nicht von der poetischen, wenn auch nicht neuen Idee über die wenig poetische
Ausarbeitung derselben hinwegtäuschen, so empfindet man doch, daß es im ganzen
dabei nur aus einen oberflächlichen Eindruck abgesehen ist und in malerischer
Empfindung sehr viel, in Bezug auf Färbung fast alles zu wünschen übrig läßt,
so daß das scheinbar ungünstige Licht, in dem es hängt, ihm ausgezeichnete Wohl-
thaten erweist. — Über Fr. Stuck's „Lucifer" ein Wort zu verlieren, ist so
überflüssig, wie das ganze, mit einer „ehrenvollen Erwähnung" bedachte Bild
selber. Man lacht einfach über den dunkelblauen Unsinn, dem durch die bloße
Erwähnung hier schon Zuviel Ehre angethan ist. — Nicht unerwähnt mag
M. Dasio's Bild „sx voto" (Madonna) sein, obgleich es ebenso groß im Um-
fang, als inhaltlich leer ist.
Berlin selbst ist in der Zahl der religiösen Bilder ebenso stark wie München
vertreten, dürfte aber dem Gehalt nach etwas über dieses hinausragen. Leider
gehört „Christi Einzug in Jerusalem" von B. Plockhorst zu jener Art von
Werken, welche dazu berufen scheinen, eine empfindsame Jungfrau zu entzücken,
gesundem Sinne aber die Freude an biblischen Darstellungen zu verleiden. Es
gehört wenigstens eine starke Verleugnung alles dessen, was unserm Gemüt durch
das Auge bewußt oder unbewußt von der Außenwelt eingeprägt wurde, dazu,
um diese Art Malereien überhaupt noch betrachten zu können. Süßlichkeit und
Empfindlichkeit ist iu der Kunst ebenso, wenn nicht noch schlimmer als im Leben.
Geist- und schönheitsvolle Darstellung eines Gegenstandes oder Gedankens ist
weit entfernt von Vernachlässigung der natürlichen Erscheinung, von empfindelnder
Mache, von süßlicher, konventioneller Auffassung. Bilder dieser Art schaden der
christlichen Kunst gerade so, wie die, welche uns die biblischen Ereignisse in der
unwürdigen Form vor Augen führen, die manche Kunstjünger der neueren Zeit
belieben. — H. Prell's von der akademischen Ausstellung von 1888 her be-
kanntes Bild „Ruhe aus der Flucht" ist bis jetzt auch noch nicht zur Ruhe
gekommen und läßt bei seinem erneuten Wiedersehen genau so kalt wie damals. —
Dem Titel nach ist auch der „Daniel in der Löwengrube" von L. Knaus ein
religiöses Werk, es decken sich jedoch nicht in ihm Vorwurf und Ausgestaltung.
Dieser Altmeister der Kunst, der außerdem noch mit einem ganz ausgezeichneten
Bilde der von ihm mit unnachahmlicher Charakteristik vertretenen Bildgattung
erschienen ist, zeigt mit diesem „Daniel" noch viel schlimmer als seinerzeit mit
der „Madonna", daß die religiöse Kunst ihm ein verschlossnes Gebiet ist. Doch
Knaus malt nichts Schlechtes, und so zeigt uns dieser „Daniel" wenigstens eine
große Anzahl in den verschiedensten Stellungen und Erregungen vorzüglich
beobachteter und meisterhaft gemalter Löwen, in deren Mitte - leider auch die
vortreffliche Aktstudie eines jungen Mannes geraten ist. Als fein empfindenden
Psychologen erkennen wir den Meister in diesen Löwen gerade so, wie in seinen
sonstigen Charakterschilderungen des menschlichen Daseins. — Von G. Spangen-
berg, dem Künstler des großen, inhaltlich bedeutenden Bildes „Zug des Todes"
 
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