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geworden sein, für die Kunst ihrer Individualisierung hatte er ein scharfes 5luge.
ferner gewann durch sein Werk die bildende Kunst insofern, als Tausende seiner
Zeitgenossen sich an ein genaues Erfassen der Gesichtsformen andrer gewöhnten.
Vas Lilhouettenschneiden wurde durch ihn erst zur Wode; man beschenkte sich
gegenseitig in gebildeten Kreisen mit diesen Schattenrissen, sie ersetzten die Photo-
graphie unsrer Tage.
Wie weit Lavaters Eifer für die bildende Kunst ging, erzählt sein Biograph
Geßner (Lavaters Lebensbeschreibung III, Leite 78 ff.): „Zur eigentlichen Er-
holung von seiner Arbeit, oft von mannigfaltigem Leiden und Kummer, war
Lavatern seine Kunstliebhaberei geworden. Lr hatte zwar jetzt seine Physio-
gnomik so viel als ganz vollendet, er bedurfte wenigstens zu diesem Werke keiner
Zeichnungen und Kupferstiche mehr, denn diese hatte er bereits alle. Aber sein
einmal zu sammeln angefangenes physiognomisches Kabinett setzte er noch immer
fort und beschäftigte damit mehrere Arbeiter, sodaß ihm wirklich einmal das
Handwerk der Waler in Zürich, das, wie jedes andre Handwerk damals, seine
ausschließlichen Privilegien behauptete, einen förmlichen Kechtshandel dafür an-
hängen wollte, daß er so manchem, ihrem Handwerk nicht einverleibten Zeichner
Arbeit verschaffte Wenn ein vorzüglich interessanter Fremder, oder
jemand, dessen Physiognomie ihm stark auffiel, ihn besuchte, so bat er sich nicht
selten die Erlaubnis aus, eine Zeichnung von ihm nehmen zu lassen. Zo sehr
er für die Feinheit und das Ästhetische solcher Arbeiten ein zartes Gefühl hatte,
so war es ihm doch immer weit wichtiger, physiognomische Wahrheit, als nur
bloße Feinheit der Walerei in solchen Bildern zu finden, häufig ließ er auch,
und beinahe bloß, um den Arbeitern, deren er sich einmal angenommen hatte,
Erwerb zu verschaffen, von Gemälden und Kupferstichen Kopien nehmen, und
aus eben dem Grunde, um nämlich einer andern Klasse brotloser Leute einigen
Gewinn zu verschaffen, alle seine Blätter von Handzeichnungen teils alter, teils
neuer Weister, seine Kupferstiche usw. in eine kabinettliche Form bringen, welche
allerdings etwas ganz einziges in ihrer Art hat, und seinem ganzen Kabinett,
die Originalgemälde aus alten Lchulen ausgenommen, deren er eine beträchtliche
Anzahl besaß, die Form einer wohlrangierten Bibliothek gab.* Zeder mehr oder
weniger wichtigen oder schönen Zeichnung, Gemälde, Kupferstich setzte er ein
kurzes physiognomisches Urteil bei, größtenteils in hexametrischer Form ....
Er war ein sehr scharfer Beurteiler der Zeichnungen und Malereien derer, die
ihm arbeiteten, und es ist mancher, der jetzt als geschickter Künstler einen ver-
dienten Wlhm genießt, welcher Lavatern seine Entwicklung zu verdanken hat,
und wenn er ihm nicht im Anfang seine versuche abgenommen und bezahlt,
nicht das Talent in ihm würde entdeckt und kultiviert, und durch seine Urteile
und Zurechtweisungen ihn geleitet haben, gewiß nie das geworden wäre, was
er jetzt wirklich ist." Lelbst maltechnische versuche beschäftigten Lavater. 5o
hatte er ein Verfahren erfunden, durch welches die auf dem Papier aufgetragenen
Wasserfarben „durch eine Art von Wachsfirnis vor dem Absterben gesichert werden,
* Wir können also Lavater in gewissem Sinne anch als den Vater unsres (bedankens
der Hausbilderei begrüßen. v. K
 
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