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Ist dieser Idealismus blaustrümpfige Romantik? - Ist das Bismarck-Denkmal
in Hamburg blaustrümpfiger Idealismus? - „Meine Herren, ich habe als Student
in Berlin unfern großen Bismarck noch mit eigenen Bugen gesehen. So sah er
nicht aus, wie in Hamburg. — Meine Herren vom Komitee — Lederer hat nichts
gekonnt — auch Lenbach nicht. Mollen Sie, bitte, Herrn Kunstmaler XPZ be-
auftragen, ein einwandfreies Bild von Bismarck, Goethe, Luther herzustellen. -
Danke. Die Komitee-Sitzung ist geschlossen." —
In diesem Stile wird — ich habe schon andeutend davon gesprochen — auch
kirchliche Monumentalmalerei gelegentlich „erledigt".
Jedenfalls werden wir Freunde vom Volkskunstbund es vorziehen, künftig
nicht mehr solchen Komitees anzugehören oder aus Selbstachtung auszutreten und
den Skandal, wenn auch ungern, der Öffentlichkeit zu übergeben. Ich sehe jetzt
keinen andern Weg mehr, als die Flucht in die Öffentlichkeit.
Sobald die Organisation unseres Volkskunstbundes vollends geschlossen ist,
werden wir es eben machen, wie der Dürerbund, und in Wahrung berech-
tigter christlicher Kunstinteressen als geschlossenes Ganzes uns zum Mort
melden bei den jeweiligen Instanzen. In einzelnen Fällen in Verbindung mit
Vereinen für religiöse Kunst, da wo sie so gilt geleitet sind, wie in mehreren Fällen.
Vie Typen der Geisteshelden, die Karl Bauer darstellt, sehen also leider nicht
so aus, wie sie vor Zeiten sich geräuspert haben, aber so wenigstens, wie sie in der
Vorstellung des Volkes leben könnten, wenn das Volk selbst die schöpferische Kunst-
kraft hätte, im Bild zu sagen, was es fühlt und schaut. Daß Karl Bauer bei
dieser Typisierung und Idealisierung nicht einseitig zu Werke geht, wissen wir.
Tr studiert mit wissenschaftlicher Genauigkeit das ganze historische Ouellenmaterial
nicht nur an Original-Abbildungen aus Lebenszeiten, sondern aus Äußerungen
der Zeitgenossen über die Bildwirkung und Lebenshaltung einer Persönlichkeit.
Dann aber klebt Karl Bauer nicht stillvergnügt die Teile zusammen und über-
läßt die geistige Beigabe dem Beschauer, sondern er hat die Schöpferkraft in sich
selbst, aus den alten Urkunden und aus dem Lebenswerk der Großen heraus
ein Bild zusammenzuwirken, das packt, weil es das Besondere zum Allgemeinen,
die Realität zur Idee erhebt.
Den nenne ich einen echten Künstler, der das kann. Und weiter: Karl Bauer
lebt so sehr mit den Helden, die er darstellen will, daß er sich nicht mit dem Typus
begnügt. Er begleitet sie durch ihre Altersstufen — so Goethe, Schiller, Luther -
durch ihre einzelnen Epochen — und so findet er im allgemeinen wieder das Be-
sondere : Luther in der Wetternacht unter Blitz und Donner die Bibel übersetzend. -
Goethe beim kranken Schiller in Jena. — Luther, der vierzigjährige — und hier
unser Bild: Luther auf der höhe seines Lebenswerks. Luther ein
halb Jahrhundert alt - nach den Jahren des Augsburger Bekenntnisses: Luther,
der Mann der Sorgen und Schmerzen, der Kämpfe und Enttäuschungen, Luther,
der Mann der Milde und Barmherzigkeit, der klaren Geistestiefe, mit weit hinaus-
schauendem feurigen Auge — Luther, der Dichter: Das Mort sie sollen lassen
stahn! — die aufgeschlagene Schrift in der Hand — als wolle er eben einem neu
 
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