176
poetischem Berufe Sonette und Madrigale, Tanzonen und Terzinen schrieben, so
galten Michelangelos Poesien unter all dem vielen, auch viel Gutem und Schönem,
für so bedeutsam und gewichtig, daß ein zum Urteilen Berufener jenen andern
zurufen konnte: „Ihr redet Worte, Er redet Dinge."
Die Unregung, sich poetisch zu betätigen, empfing Michelangelo in jenem
geistig so bedeutenden, literarisch produktiven Ureise, dessen Mittelpunkt Lorenzo
von Medici war. Uaum dem Unabenalter entwachsen, war der geniale Jüng-
ling Hausgenosse des Medizäers geworden, hier war es, wo Michelangelo in
die platonische Ideenwelt eingeführt wurde, hier bemächtigten sich seines
Geistes und seiner Seele die Gedanken, die sein künstlerisches schaffen beherrschen
und seine poetischen Schöpfungen durchdringen, vor allem der Gedanke, daß
die irdische Schönheit nur das Ubbild der Idee der ewigen Schönheit sei und
daß sie eben darum nicht mit den Sinnen, sondern nur mit der gesteigerten
Uraft der Seele erfaßt werden könne. Selbst der platonische Gedanke kommt
bei ihm zum Uusdruck, daß unsere Vorstellungen vom Schönen nur Erinnerungs-
bilder aus der Präexistenz der Seele seien:
Uls meine Seele schied von Gott, gab seine Liebe
Ein reines Unge mir und dir die Schönheit.
Drum muß mein Sehnen selbst in dem, was sterblich
Un dir zu unseren Leiden, Gott erkennen.
Aus der Erkenntnis des Schönen als des in die Uörperwelt hereinstrahlenden
Göttlichen kommt ein sehnliches verlangen, an diesem Schönen in Liebe und
Freundschaft Anteil zu haben. Dieses verlangen nach Schönheit ist die Liebe,
ein verlangen nach Schönheit, die nicht nur im Äußeren sich zeigt, sie muß als
geistige Vollkommenheit hinter dem schönen Schein stehen. Das Schauen solcher
Schönheit im irdischen Abbild ist der Aufschwung der Seele zum Ewigen, selbst
zum Göttlichen, mit einer den Menschen geradezu heiligenden Kraft.
Das Bekanntwerden mit solcher Weisheit war für den jungen Künstler das
Erwachen des Bewußtseins seines eigenen Wesens. Seine Seele war voll sehnlichen
verlangens nach dem Schönen. Was den andern begeisternde Erkenntnis war,
wurde für ihn (ffuell des Schaffens,- was jenen Spekulation war, wnrde für ihn
Tat. Und wie in der platonischen Philosophie die ewige Gottheit aus innerem
Zwang die Welt der Ideen aus sich ausströmen lassen muß, so fühlte er in
sich selbst den Drang zu schaffen, die Idee des Schönen in die Welt der
Erscheinung überzuführen. In dem Augenblick, da das verlangen nach Schönheit
zum Schaffen wurde, bedurfte Michelangelo des philosophischen Erkennens nicht.
Aber in stillen zur Besinnung einladenden Stunden versenkte er sich in jene Gedanken-
welt, und in dem Drang seiner innersten Natur, künstlerisch zu schaffen, mußte
das Spekulieren auch zu dichterischer Gestaltung führen. So kommt in
Michelangelos Dichtungen das philosophische Bekenntnis der Nenaissance zum
Ausdruck, wie kaum iu einem anderen unter den vielen Dichtern jener Zeit,
und ein platoniker jener Zeit, Berni, stand unter dem Eindruck, Michelangelos
Dichtungen in Platons Schriften gelesen zu haben.
poetischem Berufe Sonette und Madrigale, Tanzonen und Terzinen schrieben, so
galten Michelangelos Poesien unter all dem vielen, auch viel Gutem und Schönem,
für so bedeutsam und gewichtig, daß ein zum Urteilen Berufener jenen andern
zurufen konnte: „Ihr redet Worte, Er redet Dinge."
Die Unregung, sich poetisch zu betätigen, empfing Michelangelo in jenem
geistig so bedeutenden, literarisch produktiven Ureise, dessen Mittelpunkt Lorenzo
von Medici war. Uaum dem Unabenalter entwachsen, war der geniale Jüng-
ling Hausgenosse des Medizäers geworden, hier war es, wo Michelangelo in
die platonische Ideenwelt eingeführt wurde, hier bemächtigten sich seines
Geistes und seiner Seele die Gedanken, die sein künstlerisches schaffen beherrschen
und seine poetischen Schöpfungen durchdringen, vor allem der Gedanke, daß
die irdische Schönheit nur das Ubbild der Idee der ewigen Schönheit sei und
daß sie eben darum nicht mit den Sinnen, sondern nur mit der gesteigerten
Uraft der Seele erfaßt werden könne. Selbst der platonische Gedanke kommt
bei ihm zum Uusdruck, daß unsere Vorstellungen vom Schönen nur Erinnerungs-
bilder aus der Präexistenz der Seele seien:
Uls meine Seele schied von Gott, gab seine Liebe
Ein reines Unge mir und dir die Schönheit.
Drum muß mein Sehnen selbst in dem, was sterblich
Un dir zu unseren Leiden, Gott erkennen.
Aus der Erkenntnis des Schönen als des in die Uörperwelt hereinstrahlenden
Göttlichen kommt ein sehnliches verlangen, an diesem Schönen in Liebe und
Freundschaft Anteil zu haben. Dieses verlangen nach Schönheit ist die Liebe,
ein verlangen nach Schönheit, die nicht nur im Äußeren sich zeigt, sie muß als
geistige Vollkommenheit hinter dem schönen Schein stehen. Das Schauen solcher
Schönheit im irdischen Abbild ist der Aufschwung der Seele zum Ewigen, selbst
zum Göttlichen, mit einer den Menschen geradezu heiligenden Kraft.
Das Bekanntwerden mit solcher Weisheit war für den jungen Künstler das
Erwachen des Bewußtseins seines eigenen Wesens. Seine Seele war voll sehnlichen
verlangens nach dem Schönen. Was den andern begeisternde Erkenntnis war,
wurde für ihn (ffuell des Schaffens,- was jenen Spekulation war, wnrde für ihn
Tat. Und wie in der platonischen Philosophie die ewige Gottheit aus innerem
Zwang die Welt der Ideen aus sich ausströmen lassen muß, so fühlte er in
sich selbst den Drang zu schaffen, die Idee des Schönen in die Welt der
Erscheinung überzuführen. In dem Augenblick, da das verlangen nach Schönheit
zum Schaffen wurde, bedurfte Michelangelo des philosophischen Erkennens nicht.
Aber in stillen zur Besinnung einladenden Stunden versenkte er sich in jene Gedanken-
welt, und in dem Drang seiner innersten Natur, künstlerisch zu schaffen, mußte
das Spekulieren auch zu dichterischer Gestaltung führen. So kommt in
Michelangelos Dichtungen das philosophische Bekenntnis der Nenaissance zum
Ausdruck, wie kaum iu einem anderen unter den vielen Dichtern jener Zeit,
und ein platoniker jener Zeit, Berni, stand unter dem Eindruck, Michelangelos
Dichtungen in Platons Schriften gelesen zu haben.