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Hermann pleuer „Knien"
wenig Tönen malerisch behandelt ist, zeigt den außerordentlich feinen Zinn pleuers
für subtile Farbenharmonien. Ein ergreifendes Bild, dem der vom Künstler ge-
wählte Titel „Vergebung" (l89Z) seinen religiös gedachten Tharakter verleiht,
ist das Bild eines jungen Mädchens, das, so deuten wir das Gemälde, die Nacht
hindurch gerungen hat, von der Last der Zchuld sich innerlich zu befreien durch
die im Gebet gewonnene Gewißheit der Vergebung. Vas Gesicht in sein Lager
vergraben, mit gefalteten Händen liegt es noch angekleidet auf seinem Nett. Vie
bläulichen Töne der Nacht geben dem Bild den Grundton, aber leise kündigt
sich wie ein Zpmbol des Friedens das Licht des Tages an. Dieses Licht hilft
die im Dunkel liegende Gestalt mit feiner Plastik herausheben. Nn seelischem
Gehalt wie an malerischen Werten steht es hoch über vielen büßenden Magdalenen.
Neiner Friede liegt auf dem Bilde, das der Künstler „Nm en" betitelt, ge-
malt l894. Der Kampf des Lebens ist ausgerungen, friedevoll ruht das junge
Mädchen auf dem Zterbelager. Durchs Fenster dringt der erste Zchein des
Morgenrots, einen neuen Tag ankündend nach der überwundenen Nacht des
Leidens. Eine gelbe Kose, das letzte Liebeszeichen, gibt auf der andern Zeite
des Bildes eine feine, farbige Note in die Dämmerung, die über dem Ganzen
lagert. Wie ernst es pleuer mit den Ztudien zu solchen Bildern genommen,
zeigen die Bettstudien, in denen er die Falten der Kissen bis ins einzelne malen
lernt. Nber alle Einzelstudien dienen bei ihm nur dazu, einen großen Gedanken
in verklärter Naturwahrheit zum Nusdruck zu bringen. Venn der Maler, der
die Wirklichkeit mit so scharfem Nuge zu sehen vermochte, ist zugleich ein richtiger
Idealist. Die Dorfgasse, die er gelegentlich als Landschaftsstudie vom Mondschein
übergossen in ihrer stillen großen Nuhe malt — und eben die Mondbeleuchtung
beherrschte pleuer wie kaum ein anderer — schaut er einmal mit sinnigem Ge-
müt vom Weihnachtsengel durchschritten, so still und feierlich muß ihm einmal
die stille, nächtliche Gasse erschienen sein. Und er malt den „Weihnachtsengel
am Fensterladen", ein Bild voll deutscher Poesie, in der Zusammenstimmung
der Farbentöne wie fast alle seine Gemälde außerordentlich fein empfunden.
von hier aus bis zur „Heiligen Nacht" ist's nur noch ein Zchritt. Wohl
hat es einige Iahre gedauert, bis der große Gegenstand ihn so erfüllt, daß er
Hermann pleuer „Knien"
wenig Tönen malerisch behandelt ist, zeigt den außerordentlich feinen Zinn pleuers
für subtile Farbenharmonien. Ein ergreifendes Bild, dem der vom Künstler ge-
wählte Titel „Vergebung" (l89Z) seinen religiös gedachten Tharakter verleiht,
ist das Bild eines jungen Mädchens, das, so deuten wir das Gemälde, die Nacht
hindurch gerungen hat, von der Last der Zchuld sich innerlich zu befreien durch
die im Gebet gewonnene Gewißheit der Vergebung. Vas Gesicht in sein Lager
vergraben, mit gefalteten Händen liegt es noch angekleidet auf seinem Nett. Vie
bläulichen Töne der Nacht geben dem Bild den Grundton, aber leise kündigt
sich wie ein Zpmbol des Friedens das Licht des Tages an. Dieses Licht hilft
die im Dunkel liegende Gestalt mit feiner Plastik herausheben. Nn seelischem
Gehalt wie an malerischen Werten steht es hoch über vielen büßenden Magdalenen.
Neiner Friede liegt auf dem Bilde, das der Künstler „Nm en" betitelt, ge-
malt l894. Der Kampf des Lebens ist ausgerungen, friedevoll ruht das junge
Mädchen auf dem Zterbelager. Durchs Fenster dringt der erste Zchein des
Morgenrots, einen neuen Tag ankündend nach der überwundenen Nacht des
Leidens. Eine gelbe Kose, das letzte Liebeszeichen, gibt auf der andern Zeite
des Bildes eine feine, farbige Note in die Dämmerung, die über dem Ganzen
lagert. Wie ernst es pleuer mit den Ztudien zu solchen Bildern genommen,
zeigen die Bettstudien, in denen er die Falten der Kissen bis ins einzelne malen
lernt. Nber alle Einzelstudien dienen bei ihm nur dazu, einen großen Gedanken
in verklärter Naturwahrheit zum Nusdruck zu bringen. Venn der Maler, der
die Wirklichkeit mit so scharfem Nuge zu sehen vermochte, ist zugleich ein richtiger
Idealist. Die Dorfgasse, die er gelegentlich als Landschaftsstudie vom Mondschein
übergossen in ihrer stillen großen Nuhe malt — und eben die Mondbeleuchtung
beherrschte pleuer wie kaum ein anderer — schaut er einmal mit sinnigem Ge-
müt vom Weihnachtsengel durchschritten, so still und feierlich muß ihm einmal
die stille, nächtliche Gasse erschienen sein. Und er malt den „Weihnachtsengel
am Fensterladen", ein Bild voll deutscher Poesie, in der Zusammenstimmung
der Farbentöne wie fast alle seine Gemälde außerordentlich fein empfunden.
von hier aus bis zur „Heiligen Nacht" ist's nur noch ein Zchritt. Wohl
hat es einige Iahre gedauert, bis der große Gegenstand ihn so erfüllt, daß er