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bei dem Graphiker Rudolf Schäfer* in Staunen setzt, bleibt bei Mohrmann auch auf
größerem Felde in zaghafter Andeutung stecken. Es kommt bei ihm nicht zu wirklich
bildmäßiger Wirkung. Gelegentlich fallen zeichnerische und Kompositionelle Steifheiten
auf, so bei dem Titelblatt zu den ,,Liedern von den letzten Dingen" oder bei der
Kopfleiste zu der Rubrik ,.Morgen-, Tisch- und Abendlieder". Die Gedanken des
Illustrators sind sinnigfromm, bisweilen auch im guten Zinne volkstümlich-kindlich,
aber die Ausführung erhebt sich nicht immer zu der notwendigen künstlerischen höhe,
hätte er sich in rechter Erkenntnis seiner Grenzen auf eine rein ornamentale Aus-
stattung des Gesangbuchs beschränkt, so wäre vom künstlerischen Standpunkt aus
jedenfalls nichts dagegen einzuwenden gewesen. So aber erfüllt das Gesangbuch nicht
alle jene hohen Anforderungen, die man nun einmal im Interesse echter Volkskunst
an den Illustrator zu stellen hat.
Welche Lehre mögen die kirchlichen Behörden anderer Provinzen daraus ziehen?
Diese: sollen von den Gesangbüchern Schmuckausgaben hergestellt werden, so wende
inan sich an einen Künstler, der auf dem nicht einfachen Gebiet der Buchausstattung
technisch vollkommen zu Hause ist, der über eine besonders im Dekorativen starke,
selbständige Phantasie verfügt und aus der Fülle innerer Gesichte, aus drängenden
Gestaltungskräften heraus schafft.
Wir haben Künstler, die diese Forderungen erfüllen und bereits Bewährtes geleistet
haben. Zu nennen sind in erster Linie Steinhaufen (Frankfurter Gesangbuch) und
Rudolf Schäfer (Sächsisches Gesangbuch), auch Franz Stassens Schlesisches Gesangbuch
ist eine achtungswerte Leistung, wenngleich seine abstrakt-antikisterende Weise in
unsere deutsche Volkskunst fremdes Blut mischt, volkstümlich, gemütvoll, fromm und
deutsch — , diese Grundforderungen hat Rudolf Schäfer bisher am umfassendsten erfüllt,
dessen dekoratives und technisches Können daneben außer Frage steht. Seine Initialen
im Gesangbuch für das Königreich Sachsen können wenigstens in Rücksicht auf starke,
auf knappstem Raum mit einfachsten Mitteln geschaffene bildmäßige Wirkung
geradezu Hans Holbeins ,,Totentanz" an die Seite gestellt werden. Zein Reichtum
gerade im dekorativen Erfinden im Lunde mit dem Ludwig Richterschen Erbgut
kindlich-reiner Herzenseinfalt macht ihn zum berufenen Buchschmuckkünstler in Ge-
sangbuchfragen.
In dieser Richtung müssen wir fortschreiten, um unserem Lhristenvolk in den
Gesangbuch-Schmuckausgaben einewirklich echte, fromme, vom Herzblut unserer
Zeit durchströmte und dabei erquicklich-volkstümliche Kunst zu schenken.
Osnabrück. Hans Bodensieck.
*) vergl. „Christliches Kunstblatt" tdtO, heft 3.
 
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