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Einleitung.

Die sogenannte deutsche Kaiserchronik, die „crönicä“, wie sie sich
selbst bezeichnet, nimmt jetzt einen ehrenvollen Platz in der Geschichte
der frühmittelhochdeutschen Dichtung ein. Sie kann aber nicht wie
gewisse andere altdeutsche Dichtungen auf eine lange und ruhmvolle
Forschungsgeschichte zurückblicken. Nur allmählich hat der Germanist
die Wichtigkeit der Kehr, besonders für chronologische und stil-
geschichtliche Fragen erkannt. Der Historiker gar hält solche gereimte
deutsche Chroniken nicht für ein dankbares Material, vor allem weil
sie den lateinischen Quellenwerken gegenüber als popularisierende und
nicht als auf gelehrter Grundlage beruhende Werke betrachtet werden.
Es ist infolgedessen nicht verwunderlich, daß erst Giesebrecht dieses
altdeutsche Gedicht, und das auch nur mit Vorbehalt, in seine Darstellung
der deutschen Kaiserzeit einbezog.

Obgleich die Chronik am Anfang des 19. Jahrhunderts durch ver-
schiedene veröffentlichte Auszüge etwas bekannt war, ist sie erst um
1850 durch zwei fast gleichzeitig erschienene Ausgaben (Diemer und
Maßmann) der germanistischen und historischen Forschung zugäng-
lich gemacht worden. Sie konnte daher nicht eher als in der zweiten
Hälfte des Jahrhunderts zu ihrem Recht kommen. Zwischen 1870 und
1900 setzte eine Periode ein, in der das Werk, besonders von germanisti-
scher Seite, der Gegenstand eines wachsenden und immer regeren In-
teresses war. In dieser Zeit hat man die Fragen nach seiner Entstehungs-
zeit, seiner Heimat, seinem Verfasser, seiner Zusammensetzung und
seinen Quellen eingehend erforscht. Durch die Verzögerung der
immer erwarteten Untersuchungen von Edward Schröder, die diesen
Studien den endgültigen Abschluß geben sollten, trat nach der Jahr-
hundertwende eine Periode ein, in der zur Forschung verhältnismäßig
wenig beigetragen wurde. Auch Krieg, Revolution, wirtschaftliche und
politische Not in Deutschland machten ihren hemmenden Einfluß gel-
tend. Erst 1924 wurde die Kehr, wieder der Mittelpunkt ausführlicher
Arbeiten über die Probleme der fmhd. Literatur. Diese Forschungen,
die auch die frühhöfische und die sog. „spielmännische“ Dichtung ein-
bezogen haben und manche Änderung älterer Ansichten notwendig
machten, sind längst noch nicht abgeschlossen.

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