HHH^HMHHM
, jer
und
ntlich
Folge zu den ältesten Produkten des italienischen Kupfer-
stiches. Das in Rede slehende Blatt mit dem gefesselten
Amor in der Albertina ist aber, wie ein Vergleich mit
Schongauer's heiligem Sebastian B. 59 (ssehe die neben-
stehende Abbildung) ergibt, im Wesentlichen eine gegen-
l'eitige Copie nach dem deutschen Stich. Der christliche
Märtyrer ist in den heidnischen Liebesgott verwandelt, in
umgekehrter Anwendung des Dürer'schen Receptes: „Denn
die Kunst ist schwer und
wir mögen und wollen
lie mit grossen Ehren
in das Lob Gottes wen-
den. Denn in gleicher
Weise wie die Alten die
schönste Gestalt eines
Menschen haben zuge-
messen ihrem Abgott
Apollo, also wollen wir
dieselben Masse brau-
chen für Christum den
Herrn, der der schönste
von aller Welt ist, und
wie sie gebraucht haben
die Venus als das
schönste Weib, also
wollen wir dieselbe zier-
liche Gestalt keuschlich
verleihen der allerrein-
sten Jungfrau Maria,der
Mutter Gottes, und aus
dem Herkules wollen
wir den Simson machen,
desgleichen wollen wir
mit den anderen Allen
thun."
Diele Thatsache
ist von nicht zu unter-
schätzender Bedeutung
für die zeitliche Fixi-
rung der Otto-Teller,
denn der heilige Seba-
stian zählt bereits zu
den reiferen Arbeiten
Schongauer's. v. Wurz-
bach ' rechnet ihn zu den Werken der dritten Periode,
Scheibler- zählt ihn zur sechsten Stufe (reine Kreuz-
schrasfirung) und nur v. Seidlitz3 setzt ihn etwas früher in
die Zeit der Passion. Bei der Unmöglichkeit, die Perioden
der Thätigkeit Schongauer's durch Jahreszahlen zu be-
grenzen, kann man nur annehmen, dass der Sebastian
ungefähr in die Achtziger-Jahre fällt. Dann würde die
primitive Behandlungsweise der sogenannten Baldini-
1 Martin Schongauer 111. 71.
- Repertorium f. K. VII. (1884) p. 36.
' Ibid. p. 177.
Stiche mehr für die technische Ungeübtheit ihres Künst-
lers als für ihre frühe Entltehungszeit sprechen. Ich kenne
von den 24 Blättern der Sammlung Otto in Originalen
oder Nachbildungen nur 14, auf denen ich keine weitere
Abhängigkeit von deutschen Urbildern entdecken konnte.
aber ebensowenig ist mir auf ihnen eine erkennbare
Wiedergabe der Typen Botticelli's, noch die so eigenartige
Formensprache dieses grossen Meilters aufgefallen. Ein
___________Vergleich des Amors
mit seinem deutschen
Urbilde lässt nur darauf
schliessen, dass durch-
aus secundäre Produ6te
einer Kunst hier vor-
liegen, welche auch in
ihren schwächeren Lei-
stungen immer noch
den Reiz der italieni-
schen Morbidezza be-
wahrt hat. Wie der
Stecher der Otto-Teller
in einem Falle Schon-
gauer copirt hat, so wird
er in anderen Fällen
italienische Zeichnun-
gen benützt haben. Es
ist nicht denkbar, dass
die compositionelle Er-
findung eines so ent-
zückenden Blattes wie
die Marietta, welche
das Einhorn liebkost,
und jenes mit dem tan-
zenden Paare — gleich
dürftig in Formgebung
und Anordnung — einer
einzigen Künstler - In-
dividualität angehören
sollten, und vollends,
dass dieser Künstler der
uns aus seinen Gemäl-
den und Zeichnungen
so wohl bekannte Botti-
celli sein könnte. Diese
lieh bis in unsere Tage vererbende Tradition muss end-
giltig getilgt werden, wenn wir in der richtigen Würdi-
gung und Erkenntnis des frühesten italienischen Kupfer-
stiches fortsehreiten wollen, wozu es wohl endlich an der
Zeit wäre. — Der vor Kurzem zur Ausgabe gelangte
fünfte Jahrgang 1890 enthält vorwiegend wenig bekannte
italienische Blätter des Quattrocento, darunter drei weitere
Stiche der Otto-Folge.
Wünschen wir darum der internationalen chalco-
graphischen Gesellschaft, welche wie kein anderes Unter-
nehmen geeignet ist, die Bausteine zu einer Geschichte des
lige Sebailian Nach dem Kiipserslich von Schongauer (B. 59)
, jer
und
ntlich
Folge zu den ältesten Produkten des italienischen Kupfer-
stiches. Das in Rede slehende Blatt mit dem gefesselten
Amor in der Albertina ist aber, wie ein Vergleich mit
Schongauer's heiligem Sebastian B. 59 (ssehe die neben-
stehende Abbildung) ergibt, im Wesentlichen eine gegen-
l'eitige Copie nach dem deutschen Stich. Der christliche
Märtyrer ist in den heidnischen Liebesgott verwandelt, in
umgekehrter Anwendung des Dürer'schen Receptes: „Denn
die Kunst ist schwer und
wir mögen und wollen
lie mit grossen Ehren
in das Lob Gottes wen-
den. Denn in gleicher
Weise wie die Alten die
schönste Gestalt eines
Menschen haben zuge-
messen ihrem Abgott
Apollo, also wollen wir
dieselben Masse brau-
chen für Christum den
Herrn, der der schönste
von aller Welt ist, und
wie sie gebraucht haben
die Venus als das
schönste Weib, also
wollen wir dieselbe zier-
liche Gestalt keuschlich
verleihen der allerrein-
sten Jungfrau Maria,der
Mutter Gottes, und aus
dem Herkules wollen
wir den Simson machen,
desgleichen wollen wir
mit den anderen Allen
thun."
Diele Thatsache
ist von nicht zu unter-
schätzender Bedeutung
für die zeitliche Fixi-
rung der Otto-Teller,
denn der heilige Seba-
stian zählt bereits zu
den reiferen Arbeiten
Schongauer's. v. Wurz-
bach ' rechnet ihn zu den Werken der dritten Periode,
Scheibler- zählt ihn zur sechsten Stufe (reine Kreuz-
schrasfirung) und nur v. Seidlitz3 setzt ihn etwas früher in
die Zeit der Passion. Bei der Unmöglichkeit, die Perioden
der Thätigkeit Schongauer's durch Jahreszahlen zu be-
grenzen, kann man nur annehmen, dass der Sebastian
ungefähr in die Achtziger-Jahre fällt. Dann würde die
primitive Behandlungsweise der sogenannten Baldini-
1 Martin Schongauer 111. 71.
- Repertorium f. K. VII. (1884) p. 36.
' Ibid. p. 177.
Stiche mehr für die technische Ungeübtheit ihres Künst-
lers als für ihre frühe Entltehungszeit sprechen. Ich kenne
von den 24 Blättern der Sammlung Otto in Originalen
oder Nachbildungen nur 14, auf denen ich keine weitere
Abhängigkeit von deutschen Urbildern entdecken konnte.
aber ebensowenig ist mir auf ihnen eine erkennbare
Wiedergabe der Typen Botticelli's, noch die so eigenartige
Formensprache dieses grossen Meilters aufgefallen. Ein
___________Vergleich des Amors
mit seinem deutschen
Urbilde lässt nur darauf
schliessen, dass durch-
aus secundäre Produ6te
einer Kunst hier vor-
liegen, welche auch in
ihren schwächeren Lei-
stungen immer noch
den Reiz der italieni-
schen Morbidezza be-
wahrt hat. Wie der
Stecher der Otto-Teller
in einem Falle Schon-
gauer copirt hat, so wird
er in anderen Fällen
italienische Zeichnun-
gen benützt haben. Es
ist nicht denkbar, dass
die compositionelle Er-
findung eines so ent-
zückenden Blattes wie
die Marietta, welche
das Einhorn liebkost,
und jenes mit dem tan-
zenden Paare — gleich
dürftig in Formgebung
und Anordnung — einer
einzigen Künstler - In-
dividualität angehören
sollten, und vollends,
dass dieser Künstler der
uns aus seinen Gemäl-
den und Zeichnungen
so wohl bekannte Botti-
celli sein könnte. Diese
lieh bis in unsere Tage vererbende Tradition muss end-
giltig getilgt werden, wenn wir in der richtigen Würdi-
gung und Erkenntnis des frühesten italienischen Kupfer-
stiches fortsehreiten wollen, wozu es wohl endlich an der
Zeit wäre. — Der vor Kurzem zur Ausgabe gelangte
fünfte Jahrgang 1890 enthält vorwiegend wenig bekannte
italienische Blätter des Quattrocento, darunter drei weitere
Stiche der Otto-Folge.
Wünschen wir darum der internationalen chalco-
graphischen Gesellschaft, welche wie kein anderes Unter-
nehmen geeignet ist, die Bausteine zu einer Geschichte des
lige Sebailian Nach dem Kiipserslich von Schongauer (B. 59)