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Parello, Daniel
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Regensburg und der Oberpfalz: ohne Regensburger Dom — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 13,2: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.52874#0104
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CHAMMÜNSTER • PFARRKIRCHE

IO3

Geschichte des Baues: Um 740 schenkte Herzog Odilo die Gegend um Cham den Benediktinern von St. Em-
meram in Regensburg. Sie diente den Mönchen als Ausgangspunkt für die B esiedlung und Missionierung des mittleren
Böhmerwaldes und des oberen Bayerischen Waldes. Mit der Trennung des Kathedralklosters St. Emmeram vom Bi-
schofssitz im Jahr 975 wurde Chammünster der Dotation des Bischofs von Regensburg überwiesen. Bischof Konrad I.
bemühte sich vergeblich um die Errichtung eines von Pfarrgeistlichen geführten Chorherrenstifts (1127). Im Jahr 1260
schließlich überließ der Dominikanerbischof Albertus Magnus Chammünster seinem Domkapitel; die Regensburger
Kanoniker versahen von nun an die Pfarrei und das Amt des Dekans1. Auch nach der Verlegung des Pfarrsitzes an
die Stadtkirche St. Jakob in Cham, die im Verlauf des 14. Jahrhunderts anzunehmen ist, blieb Chammünster Pfarr-
kirche und Sepultur. Mehr als hundert Grabsteine und Epitaphien künden heute noch von der einstigen Bedeutung
Chammünsters als Grablege von Adel, Bürgerschaft und
Klerus aus dem benachbarten Cham und dessen Umland.

Der Bau präsentiert sich als dreischiffige, sechswöchige
Pseudobasilika mit erhöhtem, doch ohne Obergaden aus-
gestattetem Mittelschiff; im Osten schließt sich ein ein-
gezogener Chor mit Flankentürmen an (Fig. 70k). Die
Kirche wurde in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts
anstelle eines älteren Vorgängerbaus errichtet. Aus dieser
Zeit stammt der einjochige, auf fünf Seiten eines Achtecks
schließende Chor mit seinen beiden quadratischen Tür-
men (Südturm 1874-1877 erneuert). Sein Außenbau wird
durch abgestufte Strebepfeiler und ein Kaffgesims geglie-
dert, das um die Sohlbank der Fenster herumgeführt ist.
Der Chor steht den Ostteilen der Regensburger Domini-
kanerkirche nahe, er zeigt jedoch in den Couronnements
der zweibahnigen Fenster entwickelteres Maßwerk: drei-
passförmige Abschlüsse über den Bahnen, die jeweils ei-
nen angeschnittenen Kreis mit eingeschriebenem, stehen-
den Vierblatt stützen. Das spätgotische, nach einem Brand
bis gegen 1470 erneuerte Langhaus besitzt alternierend
runde und polygonale Pfeiler, die ein sternförmiges Netz-
gewölbe tragen, das auch den älteren Chor überspannt.
Uber dem westlichen Joch erhebt sich eine Empore. Die
Seitenschifffenster sind weitgehend einheitlich gestaltet
und bestehen aus gedrungenen dreibahnigen Spitzbogen-
fenstern mit erhöhter Mittellanzette, die von Lanzetten
mit stürzenden Schneußen flankiert werden.
Geschichte der Verglasung: Dass fanatisierte Calvi-
nisten für den weitgehenden Verlust der Verglasung von
Chammünster verantwortlich gemacht werden können,
wie in historischen Abhandlungen vereinzelt zu lesen
ist2, darf bezweifelt werden, zumal das Grabsteinbuch
Johann Franz Eckhers von Kapfing noch zu Beginn des
18. Jahrhunderts eine größere Anzahl an Fensterstiftun-
gen verzeichnet (s. S. 109-m). Im Verlauf der zweiten
Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde zunächst das Achsen-
1 Alois Schmid, Stadt und Kirche im hochmittelalterlichen Cham, in:
FS für Hermann Dannheimer zum So. Geburtstag, hrsg. von Rupert
Gebhard, München 2010, S. 305-318.
2 So Lukas 1862, S. 198h


Fig. 71. Chammünster, Pfarrkirche.
Grundriss mit Fensterschemata im Maßstab 1:300.
 
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