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Parello, Daniel
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Regensburg und der Oberpfalz: ohne Regensburger Dom — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 13,2: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.52874#0118
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EDELSFELD • PFARRKIRCHE

n7
Obwohl die Patronatsrechte durch den Verkauf der Güter schon 1627 weggefallen waren und das Geschlecht Breiten-
stein 1666 im Mannesstamm erlosch, wurde mit dem Versatz der Wappenscheiben in das Maßwerk das Gedächtnis der
Familie, auf die einstmals auch einige Grabmäler im Chor hinwiesen, aufrecht erhalten13.
Farbigkeit, Technik: Eine Farbcharakterisierung erscheint angesichts des dezimierten, zudem schlecht erhaltenen
Bestands wenig sinnvoll. Erwähnenswert ist vielleicht, dass die Ehewappen im Farbwechsel mit blauen bzw. roten
Fiederranken hinterlegt sind. Die Wappenscheiben sind über die festgelegte Tingierung hinaus in kräftigen Farben
ausgeführt. Die plastische Gestaltung der geschnörkelten Helmdecken lässt sich heute nur mehr anhand historischer
Aufnahmen erschließen; hier gelangten außer dem deckenden Schwarzlotauftrag auch flott gesetzte Kreuzschraffuren
und aus dem Halbton gewischte Lichter zum Einsatz, Lichtkanten wurden mit dem Federkiel ausradiert. Gegenüber
den Wappen setzt sich die Figurenscheibe mit der Hl. Anna Selbdritt in koloristischer und maltechnischer Hinsicht
ab. Die Scheibe ist sehr licht gehalten, nur Gewänder und Nimbus sind farbig angelegt. Ein besonderes Merkmal ist
die flotte und federartig feine Strichzeichnung, ganz so, als wäre sie auf Papier angelegt. Die Schattenlagen werden aus
unterschiedlich dichten Parallel- und Kreuzschraffuren gebildet, das Gewand erscheint als ein Netz langer, umbro-
chener Linien, am Saum entwickeln sich elegante Umwürfe (Abb. 39).
Stil, Datierung: Die zartgliedrigen Figuren der Annenscheibe sind von lieblichem Reiz. Trotz ihrer spröden Aus-
führung und ihrer etwas hölzernen Physiognomien klingt in ihnen die Vorbildlichkeit der Kunst Martin Schongauers
noch an. In Nürnberg als dem nächstgelegenen Zentrum sind zum Vergleich zunächst die auf vor-dürerische Entwürfe
zurückgehenden Arbeiten der Werkstatt des Veit Hirsvogel zu benennen. Die exemplarisch herausgegriffene, um 1500
entstandene Geburt Christi aus dem Haus zum Goldenen Schild belegt zwar, dass die Glasmaler bei Bedarf auf einen
älteren Vorlagenfundus zurückgreifen konnten, obschon bereits Künstler wie Albrecht Dürer als Entwerfer verpflich-
tet wurden, doch offenbart sich in der Gegenüberstellung mit der Edelsfelder Scheibe ein höheres Niveau in der Um-
setzung der Vorlage wie auch in der technischen Ausführung14. So ist die Annenscheibe besser mit einer Gruppe von
älteren Monolithen zu vergleichen, die dem Kreis der Pleydenwurff- und Wolgemut-Werkstatt zugeordnet werden.
Pleydenwurff und Wolgemut waren nicht nur als Maler, sonder auch als Glasmaler in der freien Reichsstadt tätig15. Die
zwei Jahrzehnte früher anzusetzenden Scheiben einer Anbetung der Könige und eines Marientods in der Pfarrkirche
zu Kalchreuth kommen der holzschnittartigen Anlage der Zeichnung und der charakteristischen Behandlung der
Gewandfalten in Edelsfeld recht nahe, wie sie sich ähnlich übrigens in den von Wolgemut und Pleydenwurff mitge-
stalteten Illustrationen der bei Anton Koberger erschienenen Druckerzeugnisse wiederfinden16. Schließlich begegnet
auch das Rahmenmotiv des Rautenvierpasses, das in Edelsfeld in einer gestreckten Variante vorliegt, in der Glasmale-
rei Nürnbergs häufiger, so etwa in dem um 1510 zu datierenden Basler Scheibenriss Kulmbachs für eine Madonna mit
Kind17.
Nürnberg(?), 1498.
Vorbemerkung zum Katalog: Die Reste wurden 1986 von Gabriela Fritzsche in situ untersucht und von Rafael Tous-
saint fotografiert.

Lauter 1893, S. 86. Der Grabstein des Ulrich von Breitenstein be-
findet sich in der Spitalkirche Heiliggeist zu Landshut. Kat. Ausst.
Landshut 2001, II, Nr. 52, S. 400L
12 Vgl. etwa die Verglasung der Nürnberger Siechkobelkapelle St. Jo-
hannis; Scholz 2002,1, S. 345-352.
13 Lauter 1893, S. 105-107.
14 In den Kabinettscheibenwerken der Hirsvogel-Werkstatt zeigt
sich eine Nähe zur Technik der gehöhten Zeichnung auf farbigem Pa-
pier, wie sie auch in Nürnberg anzutreffen ist; den Effekt der Weiß-
höhung übernehmen hier die Halbtonüberzüge, aus denen die Lich-
ter herausgekratzt werden. Hierzu und zur Geburtsscheibe (London,
Victoria & Albert Museum), vgl. Scholz 1991a, S. 193-198, Abb. 279,
und Scholz 2013, S. 485L, Nr. 1, Fig. 453, Abb. 330.

15 Scholz 2002,1, S. 65L, 267.
16 Vgl. etwa die Illustrationen zum Schatzbehalter von 1491;
Schramm, XVII, 1934, Taf. 108-153.
17 Basel, Kunstmuseum, Kupferstichkabinett, Inv. Nr. 1962.105.
Vgl. Kat. Ausst. Los Angeles/Saint Louis 2000, Nr. 25, S. 122L
Eine, wie einst vielleicht in Edelsfeld, in Butzen eingelassene Rauten-
vierpassscheibe ist auf einem um 1514/15 entstandenen Gemälde von
Hans von Kulmbach zu sehen; ebenda, S. 123, Fig. 25 (Krakau, Mari-
enkirche). - In Nabburg hat sich innerhalb des Bearbeitungsgebietes
eine weitere, allerdings stark verwitterte Dreipassscheibe erhalten
(Abb. 53).
 
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