Metadaten

Parello, Daniel
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Regensburg und der Oberpfalz: ohne Regensburger Dom — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 13,2: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2015

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.52874#0138
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
NABBURG • PFARRKIRCHE

137

folge als Bildprogramm an. Die beiden erhaltenen Scheiben mit der Noli-me-tangere-Szene und der Himmelfahrt
Christi dürften zusammen mit dem verlorenen Bild des Pfingstereignisses den Abschluss der Heilsgeschichte in der
oberen Fensterzeile gebildet haben4. Für eine solche Anordnung sprechen auch die wechselnden blauen und roten
Farbgründe in den beiden erhaltenen Szenen. Dabei nahm die Mittelbahn vermutlich die zentralen Stationen des
Christuslebens - Geburt, Taufe, Geißelung, Kreuzigung und Himmelfahrt - auf5.
Komposition, Ornament: Die lang gestreckten, wellenförmig ausgebuchteten Medaillons besitzen ihre nächsten
Verwandten in den Fenstern des Regensburger Domchores. Hier ist vor allem das Philippusfenster zu nennen, des-
sen Standfiguren von entsprechenden, aus einfachen Bändern gebildeten Rahmenformen eingefasst werden6. Her-
vorzuheben ist die Tendenz, manche Figuren - so die Hl. Maria Magdalena und Christus in der Mandorla - aus den
Umgrenzungen des Medaillons heraustreten zu lassen. Solche Überschneidungen sind nicht allein dem Mangel an
verfügbarer Fläche geschuldet, sondern auch ein wirkungsvolles Mittel, um ein gewisses Maß an Räumlichkeit zu
suggerieren. Über die Beschaffenheit der verlorenen Musterung des Teppichgrundes lässt sich nur spekulieren. Man
wird jedoch zwischen den einzelnen Medaillons größere Zwischenflächen anzunehmen haben, die der ornamen-
talen Gestaltung des Teppichgrundes viel Raum gaben. Traditionell neigten die Regensburger Glasmaler am Dom zu
sehr aufwendiger Ornamentik und bereicherten ihre Schöpfungen mit bahnweise variierten Hintergrundmustern.
Höchstwahrscheinlich besaß auch die Nabburger Chorverglasung durch Variation der Teppichgründe in den Lan-
zetten eine derartige Rhythmisierung. Für diese Annahme spricht auch, dass Zettler bei der Neuzusammenstellung
der beiden Medaillons in einer Bahn die vermutlich noch vorhandenen Hintergründe vollständig entfernte und neu
gestaltete.
Farbigkeit, Technik: Die in ihrer ursprünglichen Leuchtkraft stark beeinträchtigten Figurenscheiben scheinen vor
allem aus einem Kanon kräftiger Grundfarben von Rot, Blau, Gelb und Grün zu bestehen; dazu gesellen sich noch
Hellblau, das durch Korrosion heute ins Grüne tendiert, und Violett. Beide Szenen liegen auf ungemustertem roten
bzw. blauen Farbgrund, was auf einen Farbwechsel der Medaillons in der Abfolge Rot-Blau-Rot schließen lässt. Die
Bemalung bleibt auf einen gleichmäßig dünnen Linienauftrag beschränkt. Ein filigranes, aber wenig dynamisch an-
gelegtes Liniennetz bestimmt auch die Anlage von Gesichtern, Haaren und Bärten und verleiht den Kompositionen
einen auffällig graphischen Charakter.
Stil, Datierung: Der Vorschlag von Laipple-Fritzsche 1989a, die Nabburger Scheiben auf eine der am Regens-
burger Dom arbeitenden Glasmaler-Werkstätten zurückzuführen, ist überzeugend. Die stilistischen Grundlagen des
in Nabburg tätigen Ateliers sind in einigen Medaillonfenstern des Domchores fassbar, in denen das gleiche Figuren-
und Formenvokabular begegnet, so im Passionsfenster NORD II (Fig. 109)7. Doch sind die Figuren in Nabburg
schematischer angelegt, es fehlt ihnen die schönlinige Eleganz und die vitale Körperspannung. Die entkörperlichte
Figurenbildung, die den Rumpf geradezu säulenartig erscheinen lässt, und die insgesamt mehr graphische Anlage
der Komposition wird man nicht allein mit der geringeren Gestaltungsfläche der Nabburger Medaillons oder ihrer
späteren Entstehung begründen können. Die gleiche Tendenz zur Versprödung ist nämlich auch für eine zweite, am
Dom tätige Werkstatt kennzeichnend; die Werkstatt des Triforiumfensters SÜD II, die auch für das Auer-Fenster
Lhs. süd XI verantwortlich gewesen sein dürfte, steht hierin dem Nabburger Atelier sehr nahe8. Dessen Werke lassen
sich wiederum von den älteren Teilen des Triforiumfensters NORD II herleiten9. Damit sind die wichtigsten Quellen
genannt, die den/die Glasmaler der Nabburger Scheiben prägten. Sie sind das Produkt eines Ateliers in der Nachfolge
der für den Dom tätigen Werkstätten, das in Regensburg selbst nicht mehr nachweisbar ist. Die Tatsache, dass es die
gestalterischen Charakteristika zweier Werkstätten vereint, lässt - für Regensburg - auf einen engen Verbund von
Glasmalern schließen, die zur raschen Ausstattung an den Dom berufen worden waren und dort zum ersten Mal
aufeinander trafen. Unter Berücksichtigung der allgemein konservativen Grundhaltung Regensburger Glasmalerei
wird man die Verglasung des Nabburger Ostchores gegen 1330/40 ansetzen können. Da der Bau eine intime Kenntnis
der Regensburger Baukunst verrät, dürfte das Atelier über die in Regensburg geschulten Werkmeister und Bauleute
vermittelt worden sein.

Regensburg, um 1330/40.
 
Annotationen