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Parello, Daniel
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Regensburg und der Oberpfalz: ohne Regensburger Dom — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 13,2: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.52874#0354
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EHEMALS SULZBACH • BURG

353

Fußbodenplanierungen des Saalbaues und den hieran anschließenden Flächen, die dem stratigraphischen Fund-
spektrum zufolge im 9. oder 10. Jahrhundert entstanden und kurz nach 1000 in den Boden gelangt sein sollen. Die
3 mm dicken Gläser sind opak korrodiert und von grünlich-blauer oder bräunlicher Färbung.
1. Von einiger Bedeutung ist das circa 3,5 cm große Fragment eines Schriftbandes mit den Majuskeln S und T(?), die
aus dem Schwarzlotüberzug herausgekratzt wurden (Fig. 381, Abb. 231)6. Die Fundumgebung legt eine Datierung
in das 9./10. Jahrhundert nahe; mit dem Fragment hätten wir den frühesten Nachweis für beschriftete Gläser im
deutschsprachigen Raum und überdies ein unikales Beispiel für aufwendige Profanverglasungen in karolingisch-
ottonischer Zeit7. Eine paläographische Einordnung auf der Grundlage von nur zwei, zudem fragmentarisch er-
haltenen Buchstaben gestaltet sich schwierig. Doch steht die Buchstabenform mit den sich leicht und nur nach
innen verstärkenden Bogen und Balkenenden sowie die gestauchte Wiedergabe des »S« einer solchen Datierung
grundsätzlich nicht entgegen8. Zu den wenigen erhaltenen Schriftresten aus karolingischer Zeit, die vor 20 Jahren
südlich der Kathedrale von Rouen ergraben wurden, bestehen deutliche Unterschiede; dort handelt es sich unver-
kennbar um karolingische Majuskeln9.
2. Darüber hinaus haben sich acht Bruchstücke von herzförmig zugeschnittenen und gekröselten Gläsern in sma-
ragdgrüner Färbung mit aufgemalten Palmettenmotiven erhalten (Abb. 230). Diese ehemals einzeln eingebleiten
Stücke könnten den Teil einer Borte gebildet haben, die um ein figürliches Bildmotiv herumgeführt war, oder zu
einer Ornamentverglasung gehört haben. Für eine frühe zeitliche Ansetzung in das 9. Jahrhundert sind die Ver-
gleichsbeispiele rar. Die in der Literatur mehrfach zu findende Gegenüberstellung mit dem karolingischen Scher-
benfund auf dem Zürcher Münsterhof überzeugt nicht10. Jedoch fand man vor einigen Jahren bei Ausgrabungen der
Klosteranlage von Saint-Denis bei Paris lanzettförmige und kreisrunde Scherben der Karolingerzeit, die bereits
mit Blatt- oder Blütenmotiven bemalt waren11. Grundsätzlich spräche nichts gegen eine spätere zeitliche Anset-
zung dieser Palmettenstücke, die als Zierelement auch in der Regensburger Buchmalerei häufiger begegnen, so
etwa als Rahmenform in der gegen 1180/85 entstandenen Gumbertusbibel der Erlangener Universitätsbibliothek
(vgl. Fig. io)12.
3-/4. Im Bereich von Kirche und Kapelle wurde eine große Anzahl von Fragmenten geborgen, die sich ihrer Fund-
gesellschaftung zufolge in das 9. bis 15. Jahrhundert datieren lassen. Für die weitgehend unbemalten dunkelgrü-
nen, blaugrünen, violettblauen und gelben Gläser ist eine stilkritische begründete Datierung nicht möglich. Doch
wird man gerade auch für das 9. oder 10. Jahrhundert mit unbemalten Farbgläsern zu rechnen haben, die zu an-
sprechenden ornamentalen Mustern verbleit werden konnten. Als Beispiel seien etwa die karolingischen Fenster-
gläser der Klosteranlage von St. Johann in Müstair genannt13. Die dreieckigen, rechteckigen und rautenförmigen
Glasstücke könnten Bestandteile einer einfachen Fensterverglasung gewesen sein, die mit Bleien zusammengesetzt
war. Vergleichbare Funde auf dem Marktplatz von Bad Windsheim belegen die noch in spätmittelalterlicher Zeit
gängige Form des Fensterverschlusses14.


Fig. 381. Ehemals Sulzbach, Burg. Fragment einer Inschrift.
Sulzbach-Rosenberg, Stadtmuseum. 9./10. Jh. (?)
 
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