KUNSTGESCHICHTLICHE EINLEITUNG
Motivik der Zierseiten und Einbände von Evangeliaren
auf und gibt uns auf diese Weise einen leisen Fingerzeig
auf das künstlerische Umfeld der Glasmaler. Gerade für
Regensburg ist die im modernen Sinne gattungsübergrei-
fende Tätigkeit von Künstlern in den Quellen mehrfach
belegt (vgl. Reg. Nr. 23-25). Überdies zählten die Ordens-
schwestern zu den bedeutenden Auftraggebern der neu-
en Skriptorien. Das zwischen 1267 und 1276 entstandene
Lektionar aus Hl. Kreuz (Fig. 12) entstand unter Beteili-
gung zahlreicher Stifter aus dem Hochadel und ist durch
lieblich beseelte Figuren charakterisiert, die auch über
die Zackenstilperiode hinaus den Figurenstil in der Re-
gensburger Malerei, aber auch Werke der Bildhauerkunst
prägten (Fig. n)81.
Die oberrheinische Episode klingt bereits am Ende des
Jahrhunderts wieder aus. Anhand von Werken der Buch-
und Wandmalerei lässt sich der allmähliche Wandel
von zackigen Linien und Ecken zu weicher fließenden
Formen gut nachverfolgen. In den Darstellungen ei-
ner 1295 datierten Legenda aurea aus St. Emmeram ist
diese Umbildung bereits vollzogen82. Achim Hubel
wies überzeugend auf die Zusammenhänge mit den erst
1981 entdeckten Wandmalereien in St. Ägidius hin, die
sich wiederum einem vermutlich aus dem Dominikane-
rinnenkloster stammenden und heute im Germanischen
Nationalmuseum zu Nürnberg aufbewahrten Vortra-
gekreuz an die Seite stellen lassen83. Gerhard Schmidt
hatte auf die Nähe dieser Werke zum »Meister des Lilien-
felder Missales« aufmerksam gemacht, der seine Schulung
in Regensburg erhalten haben könnte und gegen 1310/20
wahrscheinlich in Wien tätig war84.
Fig. 12. Kreuzigung Christi durch die Tugenden. Lektionar aus
dem Dominikanerinnenkloster Heilig Kreuz in Regensburg.
Oxford, Keble College, Ms. 49, fol. /r. Regensburg, 1267/76.
73 München, BSB, Clm 17401, fol. ir. Hierzu Kroos 1980, S. 486L,
Abb. 170 (dat. kurz vor 1241), und Klemm 1998, Nr. 13, S. 36-38 (um
1225). Von diesem Blatt abgesehen bleiben die Gemeinsamkeiten auf
Bewegungsmotive und Gewandformeln beschränkt. Zum Scheyerner
Matutinale als Vorbild s. Frodl-Kraft 1954, S. 15L, 45, und Fritz-
sche 1987,1, S. XXIX-XLII. Die vergleichend herangezogenen Wand-
malereien von St. Ulrich in Regensburg (um 1240) sind aufgrund ihres
schlechten Erhaltungszustands nur mehr schwer zu beurteilen. Hubel
2014b, S. 468, vermutet hinter dem Weingartner Bertoldsakramentar
aufgrund der »motivischen und stilistischen Gemeinsamkeiten« mit
dem Jesse-Fenster einen Maler aus dem Regensburger Umkreis.
74 Gumbertus-Bibel: Erlangen, Universitätsbibliothek, Ms. 1. Psalter
aus Kloster Windberg: München, BSB, Clm 23093. Aktuell zur Gum-
bertus-Bibel s. Kat. Ausst. Nürnberg 2014.
75 Die Bildseite zum 1. Buch Samuel (fol. 82v) ist in dem zentralen und
um Bildszenen erweiterten Stamm und den seitlich umlaufenden Figu-
renbüsten mit dem bereits genannten Scheyerner Einzelblatt vergleich-
bar und erinnert darin an das Gliederungsschema des Jesse-Fensters.
Vgl. die Farbtaf. im Kat. Ausst. Nürnberg 2014, S. 87.
76 Zusammenfassend hierzu jetzt Pawlik 2014.
77 Sinnfälliger Ausdruck dieser Verbindung war die Errichtung des
Salzburger Hofs neben dem Dom unter Erzbischof Konrad von Wit-
telsbach (1120/25-1200), der von 1177 bis 1183 Salzburger Erzbischof
war. Zwischen Regensburg und Salzburg bestanden überdies personelle
Verflechtungen. So war Erzbischof Eberhard I. (um 1085-1164) zuvor
Mönch in Kloster Prüfening. Elsen 1940, S. 8-12, sprach sich für eine
Salzburger Herkunft des Regensburger Wurzel-Jesse-Fensters aus.
78 Bezüglich der Werke der Buchmalerei des 13. Jahrhunderts hatte
bereits Swarzenski bedauernd darauf hingewiesen, dass diese nicht
genauer zwischen Regensburg, Passau, Freising, Salzburg und Tirol
einzuordnen seien. Swarzenski 1936,1, S. 39.
79 Beer 1987; Suckale 1987a.
80 Fritzsche 1987,1, S. XLIX mit Textabb. 18.
81 Oxford, Keble College, Ms. 49. Hierzu: Swarzenski 1936,1, S. 37L,
m-113, Nr. 27, II, Abb. 343-386; Barth 1983; Kat. Ausst. Regens-
burg 1987, Nr. 61, S. 84 (Robert Suckale).
82 München, BSB, Clm 14034, fol. iv. Jerchel 1933, S. 77L; Kat.
Ausst. Regensburg 1987, Nr. 69, S. 88, Taf. 50 (Robert Suckale).
83 Die Zusammenhänge mit den Wandmalereien von St. Ägidius bei
Hubel 2014b, S. 480L mit Farbabb. auf S. 481; zum Vortragekreuz s.
Kat. Ausst. Regensburg 1983, S. 88f. (Achim Hubel), Kat. Ausst.
Regensburg 1989, Nr. 141, S. 260 (Peter Morsbach) und zuletzt Kat.
Ausst. Bonn/Essen 2005, Nr. 302, S. 403L
84 Neben dem Lilienfelder Missale ist dem Maler unter anderem auch
das deutsche Gebetbüchlein zuzuschreiben, die beide in München,
BSB, aufbewahrt werden. Vgl. Hernad 2000, I, Nr. 155, S. 98-100,
Motivik der Zierseiten und Einbände von Evangeliaren
auf und gibt uns auf diese Weise einen leisen Fingerzeig
auf das künstlerische Umfeld der Glasmaler. Gerade für
Regensburg ist die im modernen Sinne gattungsübergrei-
fende Tätigkeit von Künstlern in den Quellen mehrfach
belegt (vgl. Reg. Nr. 23-25). Überdies zählten die Ordens-
schwestern zu den bedeutenden Auftraggebern der neu-
en Skriptorien. Das zwischen 1267 und 1276 entstandene
Lektionar aus Hl. Kreuz (Fig. 12) entstand unter Beteili-
gung zahlreicher Stifter aus dem Hochadel und ist durch
lieblich beseelte Figuren charakterisiert, die auch über
die Zackenstilperiode hinaus den Figurenstil in der Re-
gensburger Malerei, aber auch Werke der Bildhauerkunst
prägten (Fig. n)81.
Die oberrheinische Episode klingt bereits am Ende des
Jahrhunderts wieder aus. Anhand von Werken der Buch-
und Wandmalerei lässt sich der allmähliche Wandel
von zackigen Linien und Ecken zu weicher fließenden
Formen gut nachverfolgen. In den Darstellungen ei-
ner 1295 datierten Legenda aurea aus St. Emmeram ist
diese Umbildung bereits vollzogen82. Achim Hubel
wies überzeugend auf die Zusammenhänge mit den erst
1981 entdeckten Wandmalereien in St. Ägidius hin, die
sich wiederum einem vermutlich aus dem Dominikane-
rinnenkloster stammenden und heute im Germanischen
Nationalmuseum zu Nürnberg aufbewahrten Vortra-
gekreuz an die Seite stellen lassen83. Gerhard Schmidt
hatte auf die Nähe dieser Werke zum »Meister des Lilien-
felder Missales« aufmerksam gemacht, der seine Schulung
in Regensburg erhalten haben könnte und gegen 1310/20
wahrscheinlich in Wien tätig war84.
Fig. 12. Kreuzigung Christi durch die Tugenden. Lektionar aus
dem Dominikanerinnenkloster Heilig Kreuz in Regensburg.
Oxford, Keble College, Ms. 49, fol. /r. Regensburg, 1267/76.
73 München, BSB, Clm 17401, fol. ir. Hierzu Kroos 1980, S. 486L,
Abb. 170 (dat. kurz vor 1241), und Klemm 1998, Nr. 13, S. 36-38 (um
1225). Von diesem Blatt abgesehen bleiben die Gemeinsamkeiten auf
Bewegungsmotive und Gewandformeln beschränkt. Zum Scheyerner
Matutinale als Vorbild s. Frodl-Kraft 1954, S. 15L, 45, und Fritz-
sche 1987,1, S. XXIX-XLII. Die vergleichend herangezogenen Wand-
malereien von St. Ulrich in Regensburg (um 1240) sind aufgrund ihres
schlechten Erhaltungszustands nur mehr schwer zu beurteilen. Hubel
2014b, S. 468, vermutet hinter dem Weingartner Bertoldsakramentar
aufgrund der »motivischen und stilistischen Gemeinsamkeiten« mit
dem Jesse-Fenster einen Maler aus dem Regensburger Umkreis.
74 Gumbertus-Bibel: Erlangen, Universitätsbibliothek, Ms. 1. Psalter
aus Kloster Windberg: München, BSB, Clm 23093. Aktuell zur Gum-
bertus-Bibel s. Kat. Ausst. Nürnberg 2014.
75 Die Bildseite zum 1. Buch Samuel (fol. 82v) ist in dem zentralen und
um Bildszenen erweiterten Stamm und den seitlich umlaufenden Figu-
renbüsten mit dem bereits genannten Scheyerner Einzelblatt vergleich-
bar und erinnert darin an das Gliederungsschema des Jesse-Fensters.
Vgl. die Farbtaf. im Kat. Ausst. Nürnberg 2014, S. 87.
76 Zusammenfassend hierzu jetzt Pawlik 2014.
77 Sinnfälliger Ausdruck dieser Verbindung war die Errichtung des
Salzburger Hofs neben dem Dom unter Erzbischof Konrad von Wit-
telsbach (1120/25-1200), der von 1177 bis 1183 Salzburger Erzbischof
war. Zwischen Regensburg und Salzburg bestanden überdies personelle
Verflechtungen. So war Erzbischof Eberhard I. (um 1085-1164) zuvor
Mönch in Kloster Prüfening. Elsen 1940, S. 8-12, sprach sich für eine
Salzburger Herkunft des Regensburger Wurzel-Jesse-Fensters aus.
78 Bezüglich der Werke der Buchmalerei des 13. Jahrhunderts hatte
bereits Swarzenski bedauernd darauf hingewiesen, dass diese nicht
genauer zwischen Regensburg, Passau, Freising, Salzburg und Tirol
einzuordnen seien. Swarzenski 1936,1, S. 39.
79 Beer 1987; Suckale 1987a.
80 Fritzsche 1987,1, S. XLIX mit Textabb. 18.
81 Oxford, Keble College, Ms. 49. Hierzu: Swarzenski 1936,1, S. 37L,
m-113, Nr. 27, II, Abb. 343-386; Barth 1983; Kat. Ausst. Regens-
burg 1987, Nr. 61, S. 84 (Robert Suckale).
82 München, BSB, Clm 14034, fol. iv. Jerchel 1933, S. 77L; Kat.
Ausst. Regensburg 1987, Nr. 69, S. 88, Taf. 50 (Robert Suckale).
83 Die Zusammenhänge mit den Wandmalereien von St. Ägidius bei
Hubel 2014b, S. 480L mit Farbabb. auf S. 481; zum Vortragekreuz s.
Kat. Ausst. Regensburg 1983, S. 88f. (Achim Hubel), Kat. Ausst.
Regensburg 1989, Nr. 141, S. 260 (Peter Morsbach) und zuletzt Kat.
Ausst. Bonn/Essen 2005, Nr. 302, S. 403L
84 Neben dem Lilienfelder Missale ist dem Maler unter anderem auch
das deutsche Gebetbüchlein zuzuschreiben, die beide in München,
BSB, aufbewahrt werden. Vgl. Hernad 2000, I, Nr. 155, S. 98-100,