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Wegerändern sich sehr häusig sindet: die «Potentilla anserica» nach Linne, die auf
französisch «argentine» und in der Elsässer Mundart Gänsekraut, Gänserich heisst,
welch letzterer Ausdruck sich bis in das 6. Jahrhundert zurück nachweisen lässt. Es fehlte
also nur noch, in diese Erklärungsversuche die Gänseleberpastete hereinzuziehen, die bis
auf den heutigen Tag, für den Feinschmecker wenigstens, so unzertrennbar mit dem
Begrisse des modernen Strassburg verknüpft ist.
Jede dieser Erklärungen wird wohl ein Körnchen Wahrheit enthalten. Sümpfe,
ein mehr oder weniger befestigter Ort, eine Jagdstation, ein Rheinübergang oder ein
kleiner Hafen — all' das ist zweifellos schon vor der römischen Einwanderung da gewesen.
An Wasser vor allem hat es nicht gefehlt. Auf der einen Seite der Rhein, damals
wahrscheinlich viel näher an Argentorat als heutzutage an Strassburg, was die zahlreichen
Flussarme beweisen, die das ganze Mittelalter hindurch bis in die Stadt hereingingen: bei
Hochwasser mussten die sämmtlichen tiefer liegenden Theile. der Bannmeile unserer Stadt
und das ganze Gebiet zwischen Kehl und Strassburg übern1 uthet werden; vor kaum
40 Jahren noch ist in der Ruprechtsau, im Neuhof und im jetzigen Neudorf das Fieber
endemisch gewesen und Kröpfe gab es in Hülle und Fülle. Auf der anderen Seite führte
die III, wenn sie schon in jener Zeit bis nach Strassburg gekommen ist, jedenfalls aber die
Breusch, aus dem Oberelsass und den dichtbewaldeten Vogesen ungleich grössere
WTassermassen herbei als heutzutage, da mussten sich ja reichliche Sümpfe bilden, voll
von Gänselkraut, als Anziehungspunkt für Wildgänse, gerade wie heute noch die Weiher
von Gemar zur Freude der Jäger die Wildenten anlocken.
So musste die Lage der Ortschaft, aus der sich Argentorat entwickelte, die
ältesten Bewohner naturnothwendig dazu bringen, eine Jagd- und Fischereistation und
eine Art von Hafen anzulegen. Kein Punkt zwischen Breisach und Seltz war dazu
besser geeignet, keiner bot besseren Schutz gegen Ueberschwemmungen. Hier haben
wir, von Hausbergen und Eckboisheim ab, die langsam abfallenden letzten Ausläufer
jener Hügelkette, die unter dem Gesammtnamen des Kochersberges ganz Unter-Elsass
durchschneidet; von der Mossig, der Breusch und der Zorn wie von einem Graben
umgeben, bildet das Gebiet gleichsam eine mächtige Schanze zur Verteidigung des
Vogesenpasses bei Zabern. Fruchtbar, zum Getreidebau trefflich geeignet, durch die
hohe Lage gegen Ueberschwemmungen geschützt, leicht zu vertheidigen gegen feindlichen
Ueberfall auf der einzigen Seite, auf der kein Wasser ssiesst, war dieser Landstrich seit
den ältesten Zeiten eine der dichtest bevölkerten Gegenden des Elsasses. Der von selbst
gegebene Weg an den Rhein führte seine Bewohner über den Punkt, den heute
Strassburg einnimmt: hier fanden sie, was ihnen auf ihren hochgelegenen Feldern fehlte,
die Jagd und den Fischfang und auch die Handelsbeziehungen zu den Völkerschaften
jenseits des Rheines, so unentwickelt wir uns diese Beziehungen auch vorstellen müssen.
Hier haben sich dann auch die Römer naturgemäss niedergelassen, und da sie den
 
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