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sich eine Schenkung, die einer der ersten Könige an die Kirche von Strassburg gemacht
haben mag, sehr gut vereinigen lassen, und die Wahl des Ortes würde sich ungezwungen
erklären, sobald wir an demselben Punkte das Vorhandensein von Ruinen einer früheren
Kirche annehmen. Der grosse Umfang des geschenkten Bodens wäre nicht weiter
verwunderlich: damals hatten die eroberten Ländergebiete keinen besonderen Werth
und die Fürsten und Könige brauchten sich bei solchen Schenkungen keinen Zwang
anzuthun.
Immerhin bleibt die gewaltige Ausdehnung des Grundbesitzes der Kirche von
Strassburg ein unaufgeklärter Punkt. Unwillkürlich denkt man an Trier, wo sich die
gleiche Erscheinung zeigt. Auch dort haben wir um die alte Kathedrale herum einen
überaus grossen geschlossenen Raum (vielleicht Ueberrest des Gartens eines römischen
Palastes), wo sich heute noch die Kurien oder Wohnungen der Domherrn befinden, alle
dicht aneinander gebaut und zwar so, dass sie die beiden Seiten einer Strasse bilden. Diese
letztere hatte an beiden Enden ein Thor, das noch vor kurzer Zeit jeden Abend geschlossen
wurde, es war eine Stadt für sich. In alten Zeiten muss es wohl in Strassburg ebenso
gewesen sein. Auch hier lagen um die Kathedrale herum die Wohnungen des Klerus,
der Bruderhof, die Wohnung des Bischofs, das alte Spital in der Krämergasse, die
Friedhöfe auf allen Seiten der Kirche, bis zur Schwesterngasse, vielleicht sogar bis
zur Kreuzgasse, wo die Abtei von St. Stefan angrenzte — alles ausschliessliches
Eigenthum der Kirche. Das war osfenbar ein königliches Geschenk. Da es von der
Tradition auf Chlodwig zurückgeführt wird, sehen wir keinen ernsthaften Grund, es diesem
abzusprechen. Unsere Lokalchronisten und deren Echo, Grandidier, wissen sogar die
genauen Daten anzugeben: «zwischen 504 und 5io ist die Kathedrale Chlodwigs und das
grosse Kloster gebaut worden (monasterium, woraus dann im Deutschen «Münster» und
im Französischen «Moutier» geworden ist)». Nach Schadasus war es zuerst ein Holzbau:
Baumstämme wurden in der Mitte auseinander geschnitten und in die Erde eingerammt,
die rauhe Seite nach aussen- die Zwischenräume füllte man mit Erde oder Mörtel aus:
eingedeckt war das Gebäude mit Stroh. Es war also ein denkbar einfacher Bau, wie
solche unsere Missionäre unter den Wilden zuerst errichten. Auf ihn kann sich also der
Specklin'sche Plan nicht beziehen, der in den Hauptlinien den Grundriss einer christlichen
Basilika wiedergibt, so wie er sich im Grossen und Ganzen damals überall vorfand, und
wie er schon in den Katakomben angedeutet ist, war er doch in den Bedürfnissen des
christlichen Kultus selbst begründet. Dieser Chlodwig'sche Bau ist zweifellos zwischen
5io und 771 durch einen zweiten, weniger primitiven ersetzt worden. Aber die Chroniken,
die sonst alle Schenkungen der fränkischen Könige an die Kirche von Strassburg ausführlich
besprechen, schweigen sich gerade über diesen Punkt vollständig aus. Erst mit Pipin
dem Kleinen, der angeblich in Strassburg eine neue Kirche erbauen wollte, und mit
Karl dem Grossen, der diesen Gedanken seines Vaters ausgeführt hat, betreten wir
 
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