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tritt zum ersten Mal der Spitzbogen auf, der in der französischen Architectur bereits
eine vollständige Umwälzung herbeigeführt hatte. Das alte Langschifs Wernhers, das man,
so gut es ging, wieder hergestellt hatte, musste für die Bedürfnisse des Gottesdienstes
ausreichen, so lange die Arbeiten am Chor dauerten. Dann kam das Langschisf an die
Reihe: nach einem Ablassbrief des Bischofs von Speier aus dem Jahr 1264 musste es
durch einen Neubau ersetzt werden, weil die altersschwachen Mauern einzustürzen drohten.
Man nimmt allgemein an, dass dieser Neubau des Langschisfes von i25o ab bewerkstelligt
worden ist, aber jetzt nicht mehr im Uebergangsstil: die Kunst war inzwischen wieder
einen Schritt weitergegangen, und jener Neubau ist vollständig von der schönen Gothik
des r3. Jahrhunderts beherrscht. Dieser Stil hatte übrigens schon vor i25o in der Kathedrale
seinen Einzug gehalten, aber mehr zufällig. Auf der Nordseite musste aus unbekanntem
Grunde eine Kapelle, anscheinend das Gegenstück zu jener, die sich noch heute zwischen
dem Chor und der Uhr besindet, umgebaut werden. Ein unbekannter Meister, dem man
wohl Gelegenheit geben wollte, seine Leistungsfähigkeit zu zeigen, wurde mit dieser
Aufgabe betraut. Der Versuch gelang glänzend. Dieser Künstler hat einfach ein Meister-
stück geschafsen : die Kapelle Johannes des Täufers mit dem Kapitelsaale darüber, ein
Anklang an die im Mittelalter so häufig vorkommenden Doppelkapellen, ist nicht nur das
älteste sondern zugleich das schönste Muster der Frühgothik, das die Kathedrale aufzu-
weisen hat.
Damit haben wir einen Ueberblick über die Arbeiten, die von 1015 bis 1275 an
der Kathedrale geleistet wurden. Die Zeit von ioi5 bis nj5 gehört dem Bauwerke,
das Bischof Wernher begonnen hatte; der Zeitpunkt seiner Vollendung lässt sich nicht
feststellen, er wird aber kaum später als io3i anzusetzen sein. Die zahlreichen Brände,
mehr als die Altersschwäche, führten dazu, dass die Kathedrale zwischen 1176 und 1275
einen fast vollständigen Neubau erfuhr, aus dem Chor und Querschiff im Uebergangsstil
und ein gothisches Langschiff hervorgingen. So war eine völlig neue Kathedrale
geschasfen, erbaut auf dem romanischen Grundriss der alten.
Der Weg stand osfen und die Stunde war gekommen, da — wie es in einer nun
verschwundenen Inschrift hiess — das glorreiche Werk Erwins beginnen konnte.


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