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Demmin, August
Handbuch der bildenden & gewerblichen Künste: geschichtliche, archäologische, biographische, chronologische, monogrammatische und technische Encyclopaedie der Baukunst, Bilderkunde, Bildhauerei, Buchbinderei, Buchdruckerei, Buchmalerei ... (Band 1): Encyclopädie der Schriften-, Bilder und Wappenkunde, Trachten, Geräthkunst, Gefässkunde, der bürgerlichen und kirchlichen Baukunst, Kriegsbaukunst und Schiffsbaukunst: mit über 1000 Abbildungen — Leipzig, [1877]

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https://doi.org/10.11588/diglit.23810#0259
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Anfänge der Baukunst.

251

Kriegsbaukunst begann sich zu rühren, sobald das enge Beisammen-
leben und die durch dasselbe* herbeigeführten Besitzstreitigkeiten
den Menschen die Jagdwaffe als Mordwerkzeug gebrauchen liessen.
Die Errichtung von Heiligthümern aber begann, sobald der Mensch
zu ahnen anfing, dass nicht rohe Naturgewalten, sondern Geistes-
kraft die Welt regiere, weil er dann sofort den waltenden Geist
sich menschenähnlich dachte und also auch bedürftig eines festeren
Obdachs, als der grosse Tempel der Natur es bietet, dessen Mauern
die Felswände, dessen Säulen die Bäume des Waldes sind, dessen
Teppich das Grün der Auen, dessen Kuppel der blaue Himmel ist.

Der Schiffbau nahm zwar seinen Anfang wohl schon in der
Zeit des Nomadenlebens, seine erste weitere Ausbildung bei Beginn
der Fischerei, gelangte aber zu einiger Vollkommenheit erst beim
Aufblühen des Tauschhandels. — Selbst die Einbäume (Kähne aus
gehöhlten Baumstämmen) der Wilden und die Boote der Pfahl-
bauer zeigen schon einen vergleichsweise vorgeschrittenen Grad
der Bildung, traten aber erst da auf, wo Wohnungsgruppen mit
Vertheidigungsanstalten bestanden.

Der Entwickelungsgang, den die Baukunst genommen hat,
bedingt es, die Beispiele für ihre Geschichte nicht immer nach
Ländern, sondern meist nach Stilen zu gruppiren, da zwar hie und
da die stilistische Entwickelung in den Fländen einzelner kultur-
tragender Völker lag, oft aber auch ein Stil sich über den ganzen
Theil des Erdkreises verbreitete, welcher von Gebildeten bewohnt war.

Ich habe schon in der Einleitung erörtert, dass, trotz der zahl-
reichen Entdeckungen und Ausgrabungen, der Forscher immer
noch bezüglich der Zeitbestimmung für Kunstwerke sehr hohen
Alters auf leere Vermuthungen sich angewiesen findet, welche die
Wiege des Menschengeschlechts und damit den Anfang der Bil-
dung nach Ostindien verweisen, obgleich kein einziges der dort
gefundenen Denkmale über die Verbreitung des Buddhaismus zu-
rückreicht (vgl. S. 11 und 12), obgleich die Bildung der Chinesen,
sowie der Völker Mittelamerikas nach den Seite 9 angeführten
Zeugnissen bei weitem älter ist. Hier steht der Forschung noch
ein weites Feld offen.

Die ägyptische Baukunst, sowie die Assyriens und Indiens,
sämmtlich verwandt in der Form, wenn nicht sogar in der That,
mit der amerikanischen, haben besonders zwei verschiedene Arten
von Denkmalen erzeugt: in den Fels gegrabene und freie Bauten.
Der Grundzug des künstlichen Berges, in Pyramidenform, findet
sich ebenso bei den Amerikanern, wie bei den Aegyptern und
Assyrern, in Ostindien aber nur an buddhaistischen Bauten, während
die brahmaistischen und dschai'nistischen Bauten, welche meist
unserem Mittelalter gleichzeitig sind, weniger ernst, weniger rein in
den Linien und sehr mit Verzierungen überladen sind. Die Hindu's
haben auch die Ueberwölbung von Räumen und Oeffnungen mit-
telst Keilsteinen erst ziemlich spät erlernt, ebenso wie diese den
Amerikanern, den Pelasgern unbekannt war und nur die Aegypter,
Etrusker und Assyrer sie verstanden. Von Letzteren war aber,
 
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