Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Hochschule für Industrielle Formgestaltung [Hrsg.]
Designtheoretisches Kolloquium — 12.1988

DOI Artikel:
Werler, Karl-Heinz: Computergrafie: Grundzüge einer Computeranwendung in der freien Grafik
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31836#0176
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
tes eines anlaufenden automatischen Prozesses und die Korrektur verlangt eine vollstän-
dige Wiederholung des Ablaufs mit veränderten Parametern.

Folgerichtig führt der Weg vom Zeichnen eines Punktes zu komplexeren Zeichen, aus de-
nen Strukturen aufgebaut werden können. Steht ein Plotter oder ein Vektordisplaygerät
zur Ausgabe zur Verfügung, so sind Strecken als Grundelemente leicht einsetzbar. Denk-
operationen in der Modellebene und daraus abgeleitete Steuerinformationen beziehen
sich auf Strecken. Bei der Verwendung von Rasterbildschirmgeräten können Strecken
automatisch aus Punktfolgen aufgebaut werden. Ein Unterprogramm realisiert diesen
Schritt des Übergangs von einer höheren Ebene des Denkens und Operierens - mit Strek-
ken - in die niedere Ebene der Darstellung durch Punktfolgen. Dieses Vorgehen bietet
sich als grundsätzliche Strategie der Arbeit an. Algorithmen übernehmen die Zerlegung
komplexer Teilstrukturen in Folgen von Aufrufen der Operation „Punkt setzen". Damit
wird nicht nur das Denken und Operieren in höheren Ebenen, in jenen, dem Problemkreis
angepaßten Ebenen, möglich und damit rationeller und effektiver, sondern es werden
auch Folgen von manuellen Operationen, etwa Tasten betätigen oder Maus bewegen,
durch eine einzige manuelle Tätigkeit ersetzt.

Wir können davon sprechen, daß so Werkzeuge geschaffen wurden, die leicht handhab-
bar und problemnäher im Denken angesiedelt sind. Ein derartiges Vorgehen erfordert
einen bestimmten Aufwand; dieser ist aber nur einmal zur Schaffung des Werkzeuges zu
erbringen, bei der Nutzung steht diese gespeicherte Kraft beliebig einsetzbar zur Verfü-
gung. Vorgedachte Werkzeuge werden eingesetzt, sie sind Hilfmittel und unterliegen voll-
ständig dem Willen und der Handhabung des Menschen.

Bereits bei dieser elementaren Vorgehensweise zeigt sich ein wichtiges Grundprinzip der
Computeranwendung: Es ist nicht ausreichend, sich mit dem Ziel - das gewünschte
Bild - zu befassen, sondern es ist notwendig, auch über einen rationellen Weg dahin
nachzudenken. Über die Anwendung des Computers nachzudenken heißt, über „Ziel"
und „Weg zum Ziel" nachzudenken.

Obwohl wir den Computer bei unseren bisherigen Bemühungen lediglich zwischen „Fin-
ger und Papier" geschaltet haben - schließlich bewirkt jede Betätigung einer Taste das Er-
zeugen einer Teilstruktur auf dem Papier - so ordnet er sich in anderer Weise ebenso in
unsere Denkprozesse ein. Einerseits haben wir erkannt, daß Denkleistungen notwendig
sind, um Werkzeuge aufzubauen und als Programme bereitzustellen, zum anderen müs-
sen wir auch akzeptieren, daß der Übergang vom Modell durch Erarbeitung der Steuerin-
formationen für die externe Ausführung gleichermaßen je nach Komplexität der Werk-
zeuge mehr oder weniger intensive Denkleistungen erfordert. Zweifellos muß auch der
Emotion in diesen Vorgängen ihre Position eingeräumt werden. Sie wirkt nicht nur beim
Ausdenken, Fixieren und Realisieren der Teilstrukturen und der ihnen zugeordneten Pro-
gramme, sondern auch bei der Nutzung und Handhabung dieser Werkzeuge mehr oder
weniger ausgeprägt.

Viele grafische Strukturen besitzen ihnen innewohnende Eigenschaften, wie Wiederho-
lung, Symmetrie u.ä. für die geeignete Werkzeuge geschaffen werden können.
Verfolgen wir den Weg der Rationalisierung der Arbeit zielstrebig weiter, so führt er zur
Ausnutzung des hierarchischen Aufbaus von Strukturen aus Teilstrukturen, von Teilstruk-
turen höherer Ordnung aus Teilstrukturen niederer Ordnung. Wir können hier von sog.
Konstruktionsprinzipien von Strukturen sprechen. Das sind Programme, die durch Para-
meter gesteuert elementare Werkzeuge oder untergeordnete Konstruktionsprinzipien zur
Produktion aufrufen und damit eine neue Struktur erzeugen. Durch Parameter werden
nicht nur Module als Bausteine, sondern auch Varianten in den Modulen modifiziert. Ma-
thematische Prinzipien, wie z. B. Iterationsverfahren oder grafische Darstellungen von
Funktionen, die zu ästhetisch schönen Strukturen führen, sind hier ebenso einzuordnen

174
 
Annotationen