gut zu machen, wenn es aus dem Heranwachsenden Geschlecht all
die Schlaffheit tilgen will, welche ein unbesonnenes Wohlmeinen
verschuldet, und, wir fürchten sehr, überall möchte es ihm damit
nicht gelingen!
Der Trompeter von Säkkingen.
Ein Sang vom Oberrhein von Joseph Victor Scheffel.
(Stuttgart. I. B. Metzler. 1854.)
Es hat Einer einmal den Zapfenstreich froh aufathmend be-
grüßt, als ihn ein weichklingelndes Concertgeräusch fast umgebracht
hatte. Mörike erzählt, wie er sich in einer ähnlichen Situation durch
einen herzhaften Rettig gerettet habe. Nach dem Säuselir gewisser
Harferr thut die Trompete des Säkkingers wunderwohl. Es ist ein
Liebenswürdiges, gesundes Buch, das man mit Behagen liest, um
es vielleicht von Zeit zu Zeit wiederzulesen, falls der oberrheinische
Sänger nicht inzwischen einen andern Sang aussendet, deren er ge-
wiß noch in xetto hat.
Die Geschichte ist ungemein einfach; aber es ist, als ob der
Dichter sie bei einer achtbaren Flasche guten Rheinweins erzählt, wo
ihm dann nebenbei dies und jenes einfällt, das er eben beiläufig
mit ausführt, auch einige Lieder dazwischen singt, immer wieder zu
den beiden Hauptpersonen, für die er durchaus einzunehmen gewußt
hat, zurückkommend, wo andererseits sich der Dichter so wenig ver-
birgt und zurückzieht, daß er mit seiner unbefangen vortretenden Per-
sönlichkeit als Erzähler nothwendig mit dazu gehört und mehr ist,
als objectiv mittheilender Zuschauer und historischer Ueberlieferer.
Denn es berührt die Art des Verfassers so überaus wohlrhuend und
stimmt so behaglich, daß man ihn gern gewähren läßt. Einmal
zeigt er sich innig vertraut mit der Natur, er ist voll Pietät und
Liebe zu ihr, aber ohne weitere Umstände, gleichsam als war' er
bester Sohn bei ihr zu Hause. So ein Lieblingskind der Natur legt
gern an Alles, was ihm in Welt und Leben begegnet, erst den
Maßstab des guten Hauses, aus dem es herstammt. Auch dieser
wackere Sänger. Was vor der gesunden Natur mit Ehren bestehen
kann, muthet ihn cm und er behält es wohl im Herzen, was aber
nicht, das behandelt er mit einer behaglichen, oft sehr reizenden
Ironie und wo es ihm zweifelhaft ist, da hält er es meist für siche-
rer, eine ironisirende joviale Haltung zu behaupten, die nur mitun-
ter in die Heine'sche Ironie quand meme umschlägt. Es wird
Einem wohl in der Gesellschaft dieses Erzählers, der sich nebenbei
sehr ungezwungen als ein Mann von vielseitiger klassischer und fei-
ner künstlerischer Bildung zeigt, der es aber liebt, beim Wein und
in Hemdeärmeln zu erzählen.
Die Geschichte also ist einfach. Sie spielt zur Zeit des dreißig-
jährigen Krieges. Werner Kirchhofs, aus Neigung mehr Virtuos
auf der Trompete als Studiosus juris, wird wegen eines unbefug-
ten Ständchens, das er in einer Rheinweinlaune der Kurfürstin
Leonore brachte, religirt. Er kommt — wiederum durch ein Ständ-
chen, das er einer schönen Unbekannten bringt —- auf das Schloß
eines alten Freiherrn bei Säkkingen, dessen Steckenpferd die Direction
eines Stadtorchesters ist. In dieses wird der Student als Trompeter
eingestellt. Bei der Vertheidigung des Schlosses gegen aufrührerische
Bauern wird Werner schwer verwundet und von des Freiherrn Toch-
ter, der schönen Margaretha, gepflegt und — wiedergeliebt. Mit
seiner Werbung um sie wird er aber vom alten Freiherrn der Un-
ebenbürtigkeit wegen abgewiesen. Er reitet in die Welt. Nach Jah-
ren treffen sich Werner und Margaretha in Nom. Er ist päbstlicher
Kapellmeister, sie hat eine Verwandte, eine alte Fürstabtissin, zum
heiligen Vater begleitet. Beide haben einander ihre Liebe bewahrt.
Jnnocenz dem Eilften kommt der Casus zu Ohren und seine Güte
ebnet seinem vielgeehrten Kapellmeister alle Hindernisse.
Dies ist nun gleichsam der leichte Aufbau einer Veranda, um
den sich Episoden aller Art wie reiche Arabeskenranken von süßen
Trauben und anmuthigen Laubgruppen winden. So erzählt im
zweiten Stück (denn dies deutsche Eintheilungswort braucht der Dich-
ter statt: Kapitel) Werner dem Schwarzwälder Pfarrherrn seine Le-
bensgeschichte bis dato.
Das dritte Stück enthält die sehr hübsch vorgetragene Legende
vom h. Fridolin. Sehr anmuthig erzählt dann der alte Freiherr seinem
Töchterlein, wie er sich als Gefangener zu Paris durch das Taback-
rauchen das Herz ihrer Mutter, der schönen Leanor Montfort du
Plessys, erobert habe, Werner:: erzählt er später die Geschichte von
dem Stabstrompeter Raßmann, seinem Vorgänger. Eine Ausfahrt
zum Bergsee hat ein frisches Mailied im Gefolge. Der Geburtstag
des Freiherrn giebt Gelegenheit, den Freskomaler Fludribus einzu-
führen, der den Gartenpavillon ausmalen und nachher beim Con-
certe Pauken und Triangel schlagen muß.
Das i Ote Stück enthält einen Besuch Jung Werners in der
Erdmann-Höhle. Dieser Erdmann und. der bei ihm wohnende „stille
Mann", so wie der Kater Hiddigeigei sind episodische Figuren, von
denen die ersten Beiden mit ihrem unterirdischen Reiche, obwohl an
sich märchenhafte Erfindungen voll Poesie und Originalität — ap-
petitliche Herenküchenstücklein! — hier deplacirt erscheinen, eben weil
sie durch das bloße Placet des Dichters hier stehen. Etwas anders
verhält es sich mit dem würdigen Kater. Dieser, zum Hausstand
des Freiherrn gehörig, geht als epische Charakterkatze sehr" ergötzlich
nebenher, seine sinniger: Betrachtungen schicklich einstreuend. Nur ir:
Bezug auf seine Lieder werfer: wir ihn zu den andern Beiden. Das
14te Stück nämlich ist eir: Büchlein der Lieder. Und zwar giebt
es da außer denen vor: Hiddigeigei und dem stiller: Mann andere
sehr reizende und frische Lieder vor: Werner und Margaretha.
Mit sehr glücklichem Humor sind die beiden Schlußstücke: das
Wiederseher: in Rom urrd die Lösung, beharrdelt. Man merkt ihnen
an, daß das Gedicht in Capri geschrieben wurde, „wo der Dichter
auf Don Pagano's Dache wohnte", wie er ir: der Zueignung er-
zählt. Wie zu Anfang der Geschichte der Jüngling Rhein mit ei-
nem heiterr: Liebesgeständnist so wird hier der alte Tyber mit einem
mißzufriedenen Rai sonnement über die Welt redend eingeführt; er-
sehnt sich nach Ruhe. Nach ihm spricht der Obelisk, der sich nach
der Wüste, und ein Schweizer-Landsknecht, der sich rrach der: Alpen
zurücksehnt. Wie es nach der Lösung nun weiter mit der Heimkehr
zum Freiherrn wird, das läßt der Dichter sehr geschickt, statt es
trocken berichterstattend anzuhängen, den alten Kutscher Anton bei
einer Flasche Orvieto ir: dem Weinhaus bet Fachino ir: vorahnen-
dem Geiste urrd mit Kutscherverstand ausmalen.
Man ist zu Ende, ist dankbar für den Gerrriß urrd hat den
Erzähler förmlich lieb, gewonnen, so anziehend spricht sich in der Dich-
tung eine ftische, gesunde Künstlernatur aus, so bis in's Herz hinein
hat man sich an dem behaglichen Humor erfreuen können. Aber
wir dürfen ihm eins nicht vorenthalten: Wollte er 'mal in Hemde-
ärmeln erzählen, gut; aber dann wo möglich keine geflickte:: oder
löcherigen. Es hat Alles seine Grenzen. Der Dichter baut einen
unendlich nachlässigen trochäischen Tetrameter. Fast scheint es Ab-
sicht; denn er lobt einmal die rauhe allemannische Sprache. Sonst
wäre das Versäumen einer Durchlesung, nur um solche Härten und
sonstige Fehler wegzubringen, die mit einem kleinen Strich, oft selbst
innerhalb derselben Verszeile gemacht sind, ein schreiendes Unrecht
des Autors* gegen sein Werk. Beispiele auf jeder Seite. Hätten
wir Raum — nein, dann würden wir lieber einige Beispiele von
gute:: Liedern, statt von nachlässige:: Versen geben. Falls der Dich-
ter Lust hat zum Vergleichen, so stellen wir ihm unser mit dem Blei-
stift durchgegangenes Exemplar zur Disposition. Im Uebrigen Glück
auf, und mehr solche Sachen! —
Verlag von Heinrich Schindler in Berlin. — Druck von Trowitzsch und Sohn in Berlin.
die Schlaffheit tilgen will, welche ein unbesonnenes Wohlmeinen
verschuldet, und, wir fürchten sehr, überall möchte es ihm damit
nicht gelingen!
Der Trompeter von Säkkingen.
Ein Sang vom Oberrhein von Joseph Victor Scheffel.
(Stuttgart. I. B. Metzler. 1854.)
Es hat Einer einmal den Zapfenstreich froh aufathmend be-
grüßt, als ihn ein weichklingelndes Concertgeräusch fast umgebracht
hatte. Mörike erzählt, wie er sich in einer ähnlichen Situation durch
einen herzhaften Rettig gerettet habe. Nach dem Säuselir gewisser
Harferr thut die Trompete des Säkkingers wunderwohl. Es ist ein
Liebenswürdiges, gesundes Buch, das man mit Behagen liest, um
es vielleicht von Zeit zu Zeit wiederzulesen, falls der oberrheinische
Sänger nicht inzwischen einen andern Sang aussendet, deren er ge-
wiß noch in xetto hat.
Die Geschichte ist ungemein einfach; aber es ist, als ob der
Dichter sie bei einer achtbaren Flasche guten Rheinweins erzählt, wo
ihm dann nebenbei dies und jenes einfällt, das er eben beiläufig
mit ausführt, auch einige Lieder dazwischen singt, immer wieder zu
den beiden Hauptpersonen, für die er durchaus einzunehmen gewußt
hat, zurückkommend, wo andererseits sich der Dichter so wenig ver-
birgt und zurückzieht, daß er mit seiner unbefangen vortretenden Per-
sönlichkeit als Erzähler nothwendig mit dazu gehört und mehr ist,
als objectiv mittheilender Zuschauer und historischer Ueberlieferer.
Denn es berührt die Art des Verfassers so überaus wohlrhuend und
stimmt so behaglich, daß man ihn gern gewähren läßt. Einmal
zeigt er sich innig vertraut mit der Natur, er ist voll Pietät und
Liebe zu ihr, aber ohne weitere Umstände, gleichsam als war' er
bester Sohn bei ihr zu Hause. So ein Lieblingskind der Natur legt
gern an Alles, was ihm in Welt und Leben begegnet, erst den
Maßstab des guten Hauses, aus dem es herstammt. Auch dieser
wackere Sänger. Was vor der gesunden Natur mit Ehren bestehen
kann, muthet ihn cm und er behält es wohl im Herzen, was aber
nicht, das behandelt er mit einer behaglichen, oft sehr reizenden
Ironie und wo es ihm zweifelhaft ist, da hält er es meist für siche-
rer, eine ironisirende joviale Haltung zu behaupten, die nur mitun-
ter in die Heine'sche Ironie quand meme umschlägt. Es wird
Einem wohl in der Gesellschaft dieses Erzählers, der sich nebenbei
sehr ungezwungen als ein Mann von vielseitiger klassischer und fei-
ner künstlerischer Bildung zeigt, der es aber liebt, beim Wein und
in Hemdeärmeln zu erzählen.
Die Geschichte also ist einfach. Sie spielt zur Zeit des dreißig-
jährigen Krieges. Werner Kirchhofs, aus Neigung mehr Virtuos
auf der Trompete als Studiosus juris, wird wegen eines unbefug-
ten Ständchens, das er in einer Rheinweinlaune der Kurfürstin
Leonore brachte, religirt. Er kommt — wiederum durch ein Ständ-
chen, das er einer schönen Unbekannten bringt —- auf das Schloß
eines alten Freiherrn bei Säkkingen, dessen Steckenpferd die Direction
eines Stadtorchesters ist. In dieses wird der Student als Trompeter
eingestellt. Bei der Vertheidigung des Schlosses gegen aufrührerische
Bauern wird Werner schwer verwundet und von des Freiherrn Toch-
ter, der schönen Margaretha, gepflegt und — wiedergeliebt. Mit
seiner Werbung um sie wird er aber vom alten Freiherrn der Un-
ebenbürtigkeit wegen abgewiesen. Er reitet in die Welt. Nach Jah-
ren treffen sich Werner und Margaretha in Nom. Er ist päbstlicher
Kapellmeister, sie hat eine Verwandte, eine alte Fürstabtissin, zum
heiligen Vater begleitet. Beide haben einander ihre Liebe bewahrt.
Jnnocenz dem Eilften kommt der Casus zu Ohren und seine Güte
ebnet seinem vielgeehrten Kapellmeister alle Hindernisse.
Dies ist nun gleichsam der leichte Aufbau einer Veranda, um
den sich Episoden aller Art wie reiche Arabeskenranken von süßen
Trauben und anmuthigen Laubgruppen winden. So erzählt im
zweiten Stück (denn dies deutsche Eintheilungswort braucht der Dich-
ter statt: Kapitel) Werner dem Schwarzwälder Pfarrherrn seine Le-
bensgeschichte bis dato.
Das dritte Stück enthält die sehr hübsch vorgetragene Legende
vom h. Fridolin. Sehr anmuthig erzählt dann der alte Freiherr seinem
Töchterlein, wie er sich als Gefangener zu Paris durch das Taback-
rauchen das Herz ihrer Mutter, der schönen Leanor Montfort du
Plessys, erobert habe, Werner:: erzählt er später die Geschichte von
dem Stabstrompeter Raßmann, seinem Vorgänger. Eine Ausfahrt
zum Bergsee hat ein frisches Mailied im Gefolge. Der Geburtstag
des Freiherrn giebt Gelegenheit, den Freskomaler Fludribus einzu-
führen, der den Gartenpavillon ausmalen und nachher beim Con-
certe Pauken und Triangel schlagen muß.
Das i Ote Stück enthält einen Besuch Jung Werners in der
Erdmann-Höhle. Dieser Erdmann und. der bei ihm wohnende „stille
Mann", so wie der Kater Hiddigeigei sind episodische Figuren, von
denen die ersten Beiden mit ihrem unterirdischen Reiche, obwohl an
sich märchenhafte Erfindungen voll Poesie und Originalität — ap-
petitliche Herenküchenstücklein! — hier deplacirt erscheinen, eben weil
sie durch das bloße Placet des Dichters hier stehen. Etwas anders
verhält es sich mit dem würdigen Kater. Dieser, zum Hausstand
des Freiherrn gehörig, geht als epische Charakterkatze sehr" ergötzlich
nebenher, seine sinniger: Betrachtungen schicklich einstreuend. Nur ir:
Bezug auf seine Lieder werfer: wir ihn zu den andern Beiden. Das
14te Stück nämlich ist eir: Büchlein der Lieder. Und zwar giebt
es da außer denen vor: Hiddigeigei und dem stiller: Mann andere
sehr reizende und frische Lieder vor: Werner und Margaretha.
Mit sehr glücklichem Humor sind die beiden Schlußstücke: das
Wiederseher: in Rom urrd die Lösung, beharrdelt. Man merkt ihnen
an, daß das Gedicht in Capri geschrieben wurde, „wo der Dichter
auf Don Pagano's Dache wohnte", wie er ir: der Zueignung er-
zählt. Wie zu Anfang der Geschichte der Jüngling Rhein mit ei-
nem heiterr: Liebesgeständnist so wird hier der alte Tyber mit einem
mißzufriedenen Rai sonnement über die Welt redend eingeführt; er-
sehnt sich nach Ruhe. Nach ihm spricht der Obelisk, der sich nach
der Wüste, und ein Schweizer-Landsknecht, der sich rrach der: Alpen
zurücksehnt. Wie es nach der Lösung nun weiter mit der Heimkehr
zum Freiherrn wird, das läßt der Dichter sehr geschickt, statt es
trocken berichterstattend anzuhängen, den alten Kutscher Anton bei
einer Flasche Orvieto ir: dem Weinhaus bet Fachino ir: vorahnen-
dem Geiste urrd mit Kutscherverstand ausmalen.
Man ist zu Ende, ist dankbar für den Gerrriß urrd hat den
Erzähler förmlich lieb, gewonnen, so anziehend spricht sich in der Dich-
tung eine ftische, gesunde Künstlernatur aus, so bis in's Herz hinein
hat man sich an dem behaglichen Humor erfreuen können. Aber
wir dürfen ihm eins nicht vorenthalten: Wollte er 'mal in Hemde-
ärmeln erzählen, gut; aber dann wo möglich keine geflickte:: oder
löcherigen. Es hat Alles seine Grenzen. Der Dichter baut einen
unendlich nachlässigen trochäischen Tetrameter. Fast scheint es Ab-
sicht; denn er lobt einmal die rauhe allemannische Sprache. Sonst
wäre das Versäumen einer Durchlesung, nur um solche Härten und
sonstige Fehler wegzubringen, die mit einem kleinen Strich, oft selbst
innerhalb derselben Verszeile gemacht sind, ein schreiendes Unrecht
des Autors* gegen sein Werk. Beispiele auf jeder Seite. Hätten
wir Raum — nein, dann würden wir lieber einige Beispiele von
gute:: Liedern, statt von nachlässige:: Versen geben. Falls der Dich-
ter Lust hat zum Vergleichen, so stellen wir ihm unser mit dem Blei-
stift durchgegangenes Exemplar zur Disposition. Im Uebrigen Glück
auf, und mehr solche Sachen! —
Verlag von Heinrich Schindler in Berlin. — Druck von Trowitzsch und Sohn in Berlin.