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Deutsches Kunstblatt: Literaturblatt des Deutschen Kunstblattes — 1.1854

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https://doi.org/10.11588/diglit.1203#0083
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M 20. Donnerstag, den 3. Oktober. 1834.

Inhalt: Gedichte von August Clever. — Gedichte von Hermann Kette. — Neue Dramen. Die Katzensteiner.

Gedichte tunt August Clever.

Mainz, Kupferberg, 1854.

„Redwitz der Zweite!" war unser erster Gedanke, als wir die
„Sanger Worte" aufschlugen:

„Nehmt ihn denn hin im deutschen Land,

Ihr Herren und viellieben Frau'n,

Den Kranz, den ich aus Liedern wand,

Habt wohl daran nicht viel zu schau'n.

— Und hört! es singt (gewiß, euch freut's)

Bei manchem Strauß ein Vögelein;

Und hier und da prangt still ein Kreuz,

Das wird denn auch so schlimm nicht sein."

und im folgenden „Dnrch's Kreuz zum Licht" das Manifest ge-
gen die gottlose Kritik lasen:

„Mir liegt die Harfe still im Arm,

Mein Herz mir sagt, vom Kreuze sing',

Laß sein dein Sang

(generis neutrius!)

recht glaubenswarm,

Was auch der Buben Spott dir bring'!"

Aber dieser Gedanke war ein Jrrthum. —

Als Redwitz sich ein Kreuz auf den Paletot heften ließ, ein
Missionstansbecken als Sturmhaube auf die Locken stülpte, eine Pe-
dalharfe über den Rücken hing, und mittelst Eisenbahn auf den hei-
ligen Krieg ausfnhr, so war das eine Monornanie, deren tragikomi-
scher Effekt durch die Wahrnehmung erhöht wurde, daß er unheilbar
am „Harfensteine" leide.

Wer heut zu Tage, selbst in Spanien, als Don Quixotte aus-
rücken wollte, würde sehr leicht die unliebsamsten Abenteuer, aber
keinen Cervantes finden.

Und der Lateiner (wir citiren ohne Bezüglichkeit nach irgend
einer Seite!) sagt so wahr: Quocl licet Jovi, non licet bovi!

Nach ahmen läßt sich keine fixe Idee; und wer eine Narrheit
aufwärmt, ist darum noch nicht einmal ein Narr, sondern bloß
albern.

Redwitz hatte doch wenigstens das Zeug dazu, ein Phantast
zu sein; Clever gleicht ihm so wenig, als dem mazedonischen Alexan-
der diejenigen, welche die schiefe Haltung seines Kopses nachmachten.

Literatur - Blatt.

Wenn Redwitz sich am Pegasus versündigte, daß er ihn zum
Klepper eines Missionspredigers mißbrauchte, so lag die Schuld
doch nur an religiös-mystischer Idiosynkrasie, nicht an poetischer Im-
potenz. Clever, sein Nachtreter und Nachbeter, versündigt sich am
Christenthnm selber, indem er das Höchste und Heiligste durch
die Abgeschmacktheit solcher Bänkelsängerei bis zur Widerwärtigkeit
entstellt und profanirt.

Aber, indem wir uns von dieser Misere, die selbst für den
Spott zu wohlseil ist, unwillig wegwenden müssen, können wir in
dieser Nachäfferei nur die Nemesis erkennen, welche der Schuld des
Vorbildes mit der Strafe des Zerrbildes auf dem Fuße folgt.

Oder weß Geistes Kind ist denn Poet Clever? Denkt er wirk-
lich, daß, wenn er ein Gedicht macht, wie Seite 158:

„Im Kreuz, im Kreuz, da ist nur Heil,

Das Kreuz giebt Leben, das nie vergeht,

Bein: Kreuz ist Segen, beim Kreuz verweil',

Beim Kreuz nur Friede und Hoffnung steht!

Beim Kreuz ist Freude, beim Kreuz ist Lust,

Beim Kreuz ist Wonne, die Keiner faßt,

Beim Kreuz ist Trost für jede Brust,

Beim Kreuz ist selige Himmelsrast!"

er mit solchem HanptkreUzliede den Gekreuzigten ehret und predigt?

Und das wäre möglicherweise nur ein Mißgriff eines Verzück-
ten! Aber dieser Kreuzdichter ist gar nicht so krenzversunken, sondern
nebenbei ganz weltlich verliebt; nur, daß er keinen Blick auf ein
„schönes Kind" wirst, ohne gleich darauf die Augen „zum Herrn"
zu verdrehen. Wenn er S. 52 singt:

„O w.enn sie wüßte, wie so glühend
Mein Herz sie liebt, was ich empfind!

O nicht, weil sie so schön und blühend,"

(also, das ist sie doch beiläufig auch!)

„Nein, weil sie so ein frommes Kind!"

so entgeht ihm S. 120, neben dem „goldnen Krenzlein", das sie
trägt, die „Knappheit" ihres feinen Mieders nicht. Flagriren und
Flagelliren sind bei diesen Leuten Geschwisterkinder.

In der Mißhandlung der Sprache, um sie zur kindischen Tän-
delei und absurden Naivetät zu zwingen, übertrifft Clever seinen
Meister weit. Auch mit den Gedanken (wenn von einem Pluralis
überhaupt die Rede sein kann) und Bildern gelingt es ihm so ge-
müthlich zu spielen, wie ein gerührter Blödsinniger mit den Finger-

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