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Deutsches Kunstblatt: Literaturblatt des Deutschen Kunstblattes — 1.1854

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https://doi.org/10.11588/diglit.1203#0080
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74

Bischof.

Wie meint Ihr, Frau?

Isolde Weißhand.

Nein, es bedeutet nichts; — er schlug Morolt,

Und darum wird sie steten Haß ihm tragen.

Bischof.

Wohl fürcht' ich auch, daß nimmer sie's vergißt.

Isolde Weißhand.

Warum denn fürchtet Ihr, ehrwnrd'ger Herr?

Bischof.

Weil Haß ungöttlich ist.

Isolde Weißhand.

Ja Lieb' ist göttlich,

Und würdig wohl der höchsten Frauenliebe

War' dieser Held!

Bischof.

Schon ist es tiefe Nacht.

Schlaft wohl, o fromme Tochter.

Isolde Weißhand.

Schlafet wohl.

So hat es mich erregt, ich denk' ich träum'

Von diesem theuren Helden. —

Wir dürfen uns also freuen, einem Dichter zu begegnen, dem
dramatische Gestaltungsfähigkeit zuzusprechen ist, wir müssen gestehen,
daß er innerhalb der gewählten Willkürlichen Form, welche von
vorneherein auf die Ausführung verzichtet, in Bezug auf präcise,
wirkungsvolle Behandlung das Mögliche geleistet hat. Um so mehr
aber müssen wir andererseits gerade seinem Talente gegenüber den
Grundsatz aufrecht erhalten, daß dramatische Gedichte nicht anders,
als mit der Eigenschaft der Ausführbarkeit und für den Zweck der
Aufführung geschrieben werden sollen, obwohl es immer besser ist,
daß die Nichtaufführbarkeit, wie hier, in dem äußern Umstande eines
ununterbrochenen Scenenwechsels liegt, als daß die bekannte Bemer-
kung „den Bühnen gegenüber Manuscript" (welche übrigens hier
natürlich fehlt) aus innern Gründen eine rein überflüssige wird.

Die mit einer wahrhaft wohlthuenden Objektivität hingestellten
Charaktere sind klar und treffend modellirt und sie sprechen sich mit
edler, schlichter und an geeigneten Stellen schwungvoller Rede aus.
Wie ist es doch möglich, daß dabei mitunter einzelne seltsam schwer-
fällige, harte und zugleich leicht zu verbessernde Verse den sonst an-
genehmen Fluß der gebundenen Rede unterbrechen? —

ii.

Die Behauptung Jmmermann's, daß kein Stoff für ein Drama
jenseits der Reformation liegen müsse, kann nur so weit gelten, als
von streng-historischen Stoffen die Rede ist, nicht aber, wenn die
historischen Charaktere eines Drama's die Träger allgemein mensch-
licher Probleme sind. Von andern Beispielen zu schweigen, so ist
das. vorliegende Trauerspiel ein Belag dafür. Es läßt sich nichts
gegen den Stoff desselben einwenden und nicht einsehen, warum er
nicht unter tüchtiger Behandlung interessiren und erschüttern sollte.
Es ist der Macbeth-Casus auf deutschem Boden. Hermanfried,
König von Nord- und Süd -Thüringen, wird durch seine Gemahlin,
die stolze Amalberga, Schwester Theodorich's, angestachelt, seinen bei-
den Brüdern, welche West- und Ost-Thüringen beherrschen, Krone
und Leben zu nehmen, nach welchem Unrecht er dasselbe Schicksal
durch die Franken und Sachsen erleidet, die er zu seiner Hülfe ge-
braucht hat.

Die Komposition des Drama's ist gut bis in die einzelnen
Scenen hinein und zeugt von Bühnenkenntniß. Auch giebt es wirk-
same Austritte, gute Aktschlüsse, wohlbenutzte und ersonnene Motive,
woran sich Charaktere scharf und bestimmt genug darlegen lassen
Diese gute Anlage geht so weit, daß den Personen auch meistens
im Einzelnen stets das zu sagen vorgeschrieben ist, was an Ort und
Stelle zu sagen wirksam ist; aber sie sagen es nicht als zur Per-

fektion gekommene poetische Charaktere; sie sind Skizzen geblieben.
Sie sagen ihre Sachen nur wie eine Andeutung dessen, was der
Vers, gemeint hat. Gleichwohl ist diese energische Kürze Absicht und
scheint aus dem Studium Hebbel's, dem das Stück auch gewidmet
ist, entstanden zu sein. Aber anstatt mittelst derselben zu verdichten,
zu vertiefen, so daß aus einem Satze, einem Ausspruch ein bedeu-
tender Blick in das Innere der Person und ihrer Interessen sich
aufthue, anstatt die Personen auf die Höhe des Ausdrucks zu halten
oder doch je zuweilen zu stellen, die poetischen Gestalten namentlich
in großen Situationen von allgemein menschlicher Bedeutung zu-
kommt: so reden die Leute hier alle in bequemen, zunächstliegenden
Ausdrücken, und die Sache gewinnt wirklich das Ansehen einer
Skizze, gemacht etwa, um einem Fachgenossen anzudeuten, was der
Dichter sich hier und da gedacht habe, was diese oder jene Person
werde sagen müssen. Oder es ist ein für produttive Schauspieler
gut hergerichtetes Gerüste zu einer Menge von Affekten und mimi-
schen Aeußerungen. Das giebt aber Theaterpuppen und diese sind
überall nicht gar weit vom — Puppentheater entfernt, ja sein ei-
gentliches Futter. Wenn z. B. Hermanfried zur Amalberga auf
ihre erneute Aufstachelung nach dem ersten Morde sagt: „nun was
nicht ist, kann werden" und wir unwillkürlich lachen müssen über
diese prosaische Negligee-Aeußerung in einem höchst ernsthaften Mo-
ment, so wollen wir für dergl. doch in denjenigen Stellen entschä-
digt werden, wo der König einen bedeutenden innern Vorgang
durchzumachen hat und wo er sich zur gebundenen Rede erhebt; aber
selbst hier hat man oft noch erst die Arbeit, sich das Gegebene in
dramatische Poesie übersetzt zu denken, um gerecht gegen den Stoff
und die Komposition bleiben zu können. Statt vieler nur ein Bei-
spiel aus der ungebundenen Rede. Hermanfried hat den Tod des
ihm gefangen gegenüber stehenden Bruders Berther beschlossen und
endet die letzte Unterredung, nach welcher derselbe abgeführt und
nebenan ermordet wird, also:

Hermanfried.

Fahr hin! Fahr hin! (die Wache folgt Berther, man hört Waffengeräusch)
Ha! das klirrt, — das rauscht, — das, — das zischt! O, o — das war
der Tod! Der Tod! Und er kommt heran der Tod, — und faßt mich an,
— wer ist da? was giebts?

Wohlwollenden Lesern ist verständlich, daß der Dichter hier
nach dem bösen Entschluß die zu spät eintretende Reue zeigen will.
In so schrecklichem Momente fühlt der Mörder gleichsam den Tod
mit. Nun ist es doch weit natürlicher, diesen Gedanken einfach aus-
sprechen zu lassen, anstatt ihn auf so gebrochene Weise anzudeuten.
Wolle der Dichter darauf nur den Shakespeare ansehen. Wo man
auch den Macbeth ausschlägt, es faßt uns und entlaßt uns nicht
eher wieder, als bis wir ganz erschüttert am Ende angekommen find.
Der Britte reißt uns durch alle Abgründe mit hindurch, im Her-
manfried werden sie nur gezeigt. Mit einem Worte, das Drama
ist da, nur — muß es erst gemacht werden.

HI.

Faustine, die Tochter des Grafen Don Antonio Salverte in
Florenz, ist, wie die Donna Diana oder die Prinzessin Turandot,
eine junge, ebensosehr durch Schönheit aus der Frauenwelt hervor-,
als durch glänzende Geistesgaben in die Männerwelt hineinragende
junge Dame. Daraus folgt natürlich bei der leicht erworbenen Be-
wunderung der vernünftigen Männer und der noch leichter ihr zu-
fallenden Vergötterung der Schwächern aus dem starken Geschlecht
eine Abneigung, ja Geringschätzung dieses Geschlechts von Seiten der
jungen Denkerin, bis der Mann kommt, der sie zur natürlichen

unterwerfen muß. Dies ist überhaupt und so auch für die Bühne
ein äußerst interessanter und beliebter Vorwurf. Man braucht nur
 
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