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Deutschen Kunstblattes.

M 2. Donnerstag, den 26. Januar. 1834.











Inhalt: General Spor

k.

Von Franz

i Löh

! er. — -

Frauenbilder und Huldigungen. Von G. F. Daum er. — Jkiliutg. Berlin.

General Spork. Von Franz Löher.

(Göttingen, Georg Heinr. Wigand. 1854.)

Inmitten des Schwalles alberner, anmaaßlicher, tendenzschwan-
gerer und nervöser Poesien, womit heutzutage der deutsche Boden
überfluthet und der deutsche Geschmack verdorben wird, kann ein
Buch, wie das vorliegende, nur in vortheilhastem Lichte erscheinen
und als frischgrüne Oase willkommen sein.

Wir nehmen keinen Anstand, vorweg zu bekennen, daß der
Kriegsmann, welcher der Held des Gedichtes ist, dessen Besprechung
wir hier unternehmen, uns nicht ganz bekannt war. Als wir da-
her vorläufig das vorgedruckte Jnhaltsregister durchsahen, war es
gewissermaßen eine dankbare Empfindung angenehmer Ueberraschung,
mit welcher wir am Schluffe des Registers die Worte: „Zu Spork's
Geschichte" lasen.

Nichts lag näher, als daß wir das Gedicht überschlugen und
die Geschichte zuerst durchnahmen; und allen Lesern, bei denen
unser Rath noch nicht zu spät kömmt, möchten wir dasselbe Verfah-
ren dringend empfehlen, eö wäre denn, daß sie, bewanderter als
wir, dessen überhaupt nicht bedürften, in welchem Falle sie es ohne-
hin werden bleiben lassen. Unser Rath gründet fich aber nicht etwa
blos darauf, daß es wohlgethan sei, sich überhaupt über den histo-
rischen Boden eines Gedichtes, welches geschichtliche Personen und
Episoden behandelt, zu unterrichten; sondern vorzugsweise auch dar-
auf, daß bei der Art und Weise, wie der Verfasser des gedachten
Gedichtes zu Werke gegangen ist, ein großer Theil des Verständ-
nisses seiner Arbeit von der Kenntniß beffen bedingt wird, was er
in seinem Anhänge und nicht ohne Vorgefühl dieses Bedingtseins,
erläutert hat. Es sind dies nämlich zum Theil persönliche Verhält-
nisse des Helden, zum Theil lokale und sittengeschichtliche Besonder-
heiten, zum Theil charakteristische Anekdoten, aus denen er schöpfte
und die er gelegentlich einwebte, leider aber, wenigstens bei der
Mehrzahl, in einer — wir möchten fast sagen, so mangelhaften
und flüchtigen — Weise, daß der unvorbereitete Leser ihrer
kaum gewahr und froh zu werden vermöchte und selbst der vorbe-
reitete Leser sie nicht ohne einen gewissen Verdruß darüber, wie
unscheinbar der Verfasser sie dem Leser an den Weg gestreut habe,
wieder erkennt.

In sofern haben wir denn auch kein Hehl, daß in unserm
Rathe für den Leser ein Tadel für den Verfasser enthalten sei, den
er uns zu verdienen scheint.

Ein episches Gedicht kann das poetische Produkt wohl nicht
genannt werden; wir möchten ihm den zwar bescheideneren, aber
besser anstehenden Namen einer versifizirten Erzählung bei-
legen. Der Verfasser selbst vindizirt sich ein Mehreres schwerlich,
indem er sagt:

Literatur-Blatt.

„Die wirkliche Geschichte hat mehr poetische Kraft, als die
künstlich erdachte. Ich habe deshalb nur versucht, geschichtliche That-
sachen meist im Volkstone darzustellen, jedoch habe ich ihnen ein
loses poetisches Gewand umgethan. Das Büchlein giebt weder
ein Heldengedicht, noch eine Romanzenreihe, sondern blos
die Geschichte eines originellen tüchtigen Mannes und seiner Zeit."

Wir wollen hierbei nicht genauer mit dem Verfasser darum
rechten, ob er diese Geschlichte nicht glücklicher und urkräftiger in
Prosa und biographischer Form gegeben hätte. Im Allgemei-
nen will uns bedünken, als sei bei Helden, wie Spork, die Hoff-
nung auf Gewinn an Popularität und Verschönerung ihrer
Geschichte, im Verhältnisse zum Verlust an unmittelbarer drasti-
scher Wirkung, mindestens ein gewagtes Geschäft. Unsrerseits
ist der Eindruck bestimmt ein solcher gewesen, daß uns der Anhang
des Gedichtes ein wahreres und größeres Interesse abgewonnen hat,
als das Gedicht selbst.

Der Verfasser hat den Schwierigkeiten, welche ihm aus der
poetischen Form des Ganzen erwuchsen, Conzessionen auf Kosten des
Inhalts machen müssen; andrerseits hat ihm zuweilen der historische
Inhalt, durch dessen prosaische (und ebendeshalb nur für eine Bio-
graphie geeignete) Natur, entschieden die poetische Ader ins Stocken
gebracht.

Seite 15 zum Beispiel verlassen wir den jungen Spork, wie
er, nach seinem Entweichen aus dem Vaterhause und Eintritt ins
Soldatenleben, sich in seiner ersten Schlacht am weißen Berge den
ersten blutigen Kopf geholt hat; und Seite 16 heißt es:

„Zwölf Jahr darauf steht unser Held
Wiedrum im hohen Prag, und harrt
Des Spruchs, den Wallenstein gefällt."

Dazwischen liegt aber die Schlacht bei Lützen, die der Verfasser erst
nachträglich und nebenbei berührt, und die Bewandtniß mit dem
Spruche Wallensteins, wobei Spork gelegentlich Rittmeister wird,
ist aus dem Anhänge S. 254 deutlicher zu erkennen, als aus dem
Gedicht S. 21.

Auf Seite 105 setzt der Westfälische Friede unfern Helden in
Friedenszustand, und Seite 120 heißt es:

„Neun Jahr' in Ruhe Spork vergingen,

Da hört' er wieder Trompetenklingen,

Der Schwedenkonig überzog
Mit Krieg das ganze Polenreich."

Die Zwischenzeit ist, außer einer summarisch zusammengefaßten
Idylle aus Spork's Landleben, auf den Tod seines alten Feldge-
nossen Jean de Werth beschränkt.

Rechnet man diese 21 Jahre dem Verfasser zu Gute, so über-
rascht es freilich nicht mehr, wenn es Seite 213 plötzlich heißt:

„Es war Herr Spork an siebzig Jahr,"

in welchem Alter er nämlich noch nach Rom zum Pabste reifte.

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