Wo ist der Oberst auf dem Zug?
Das kann ich euch nicht sagen,
Der Weg' und Stege sind genug,
Ich sah vorbei ihn jagen.
Bald ist er hier, bald ist er da,
Bald vorne und bald hinten,
Er schaut, ob wo uns Feinde nah,
Zn legen uns schlimme Finten.
wandelt im freien Aether eines gesunden Lasters, das im Grunde
nichts anderes fein soll als die wahre Sittlichkeit. Diese geht uns
natürlich nur in so weit an, als Herr Daumer die Untugend hat
sie in Verse zu bringen.
Wer es noch nicht weiß, wie es dem Dichter gelungen ist, sich
von der Ansteckung frei zu halten, dem erklärt sich's am besten aus
einigen Versen der „Frauenbilder u. s. w.", Bd. III. S. 161:
Was trägt der Oberst auf dem Hut?
Ein' Feder für die Reiter.
Das ist fürwahr ein' Fahnen gut,
In tiefer Schlacht uns Leiter.
Und seht ihr hoch die Feder wehn,
Ihr Kriegsleut' auf der Lauer,
Da sollt Ihr fest vorm Feinde stehn
Als wie eine stählern' Mauer.
Was will der Oberst nach der Schlacht?
Sein Volk soll sich vergnügen.
Er hält uns eine treue Wacht,
Wenn wir vorm Zapfen liegen.
Herr Oberst, hast ein' wilden Muth
Und grimmig thust Du schauen,
Doch darf ein jeder Reiter gut
Sein Herze Dir ganz vertrauen.
Drum lieber Gott im Himmelreich,
Mußt uns den Oberst hüten,
Er sorget für uns all' zugleich
In väterlichen Güten.
Und sind'st du, daß hier Einer sitzt,
Ein' bübischen Gesellen,
Der nicht sein Blut für ihn verspritzt,
So wirf ihn hinab zur Höllen.
/rauknbildcr und Huldigungen.
Von G. Fe. Daumer.
(3 Bändchen. Leipzig, Verlag von Otto Wigand. 1853.)
Ju diesen drei Bändchen liegt ein neuer Beweis deutscher Aus-
dauer und deutscher Aufopferung vor. Das Recept, nach welchem
Herr Daumer seine Gedichte macht, ist bekannt. Auch Andere haben
sich desselben mit billigem Erfolge bedient. Jene bitterir Ingredien-
zen, Sottisen gegen „Pfaffen- und Tyrannenlüge", „Kutten und
Kapuzen", „Dressur", Philisterei des Gesetzes, Monogamie u. s. w„
mit einigem poetischen Zuckerwerk versetzt, wie „Rosennektar", „min-
nekosiger Lächelmund", „gewölbte Wogebrust", „Honignippe", „die
liebefeitchte Sehe" (vulgo Auge) und ähnlichen west - östlichen Kost-
barkeiten, eine Messerspitze voll Fremdwörter, als frivol, dissolut,
kokettiren, Contrast, nobel u. s. w. hineingestreut und diese Mischung
bei der Siedeglut brünstiger Sinne ein Vaterunserlang aufgekocht,
so ist das Elirir fertig. Daß es in all und jedem Falle taugen
muß.und durch ein ganzes Leben immer von neuem ausgetischt wird,
zeugt für eine so seltene Unverrücktheit des Princips, daß wir an
den bekannten Arzt im Gil Blas erinnert werden. In der Thal
kann nur wissenschaftliche Ueberzeugung einen Dichter dahin bringen,
auf den Wechsel, der gefällt, zu verzichten, lind ein für allemal
Einen Spruch auf seine Fahne zu schreiben. Herr Daumer fühlt
sich nicht minder Arzt als Poet. Die Welt ist bekanntlich ein gro-
ßes Lazarett). Die allgemeine Seuche heißt Tugend. Herr Daumer
befindet sich mit wenigen Auserwählten außerhalb der Fieberluft und
Hätte die Tugend Grazie,
' Sie war' ein allerliebstes Ding.
Nichts ist jedoch so steif und starr,
So steinern auf dem Erdenring.
Die Tugend und die Grazie
Die sind ein ewig Zweierlei u. s. w.
Jeder Mensch also steht hier am Scheidewege. Herr Daumer,
der ein Dichter ist, kann nicht lange in Zweifel sein. Ohne Grazie
keine Poesie. Ohne (Herrn Daumer's) Poesie — was finge die
Welt an? Sie konnte vielleicht von tugendhafter Seite her — wie
schmerzliches wäre — lieber auf die Poesie verzichten wollen. Möge
sie! Aber nur nicht auf Herrn Daumer's Poesie. Diese nämlich ist
nicht bloß ordinäre Poesie, sie ist zugleich Religion, sie ist Heil-
kunde, sie ist Pflicht des Herrn Daumer; ein Wort, wogegen der-
selbe freilich so vielfach protestirt, daß wir es nur brauchen, weil
wir nicht genial genug sind, uns ohne dasselbe zu behelfen.
Also Grazie und kein Ende! Der Katalog der gefeierten
Schönen, der als Jnhaltsverzeichniß jedem Bändchen mitgegeben ist,
verspricht etwas. Käthchen, Alma, Fanchon, Rosa, Elmire, Lodoiska,
Heliodora, Adele, Stella, Marie, Veronika, Flora, Agnes, Regina,
Diana, Lulu u. s. w. — der Kalender hat seinen besten Flor zu
diesem Strauß hergeben müssen. Wir erwarten eine anige Gesell-
schaft, vielleicht nicht die beste, aber die hübscheste. Ein bornirter
Mensch, der hie und da hineinblickend das Wörtchen Treue mit sei-
nem stehenden Gefolge lebhafter Schwüre findet, mag fragen wie
der Katalog sich dazu reime. Aber er vergißt, daß hier die Grazie
herrscht, und daß es „zu lieblich ist, ein Wort zu brechen." Des
Lieblichen aber wie des Guten kann man nicht zu viel thun.
Ein Mann von Herrn Daumer's Verdiensten (unter denen wir
die Nachdichtung des Hafis zu den unvergänglichen rechnen, die
sich ein Dichter um seine Nation erwerben kann) wird uns auch in
der Geschichte seines Herzens interessiren. Und sollten wir auch mit
noch so philiströsen Augen darangehen, dürfen wir doch jedenfalls
aus psychologischen Gewinn rechnen. Das Seltsame ist nun, daß
uns die „Frauenbilder rc." hierin vollständig täuschen. So bunt
der Katalog, so einfarbig die Werke. Jene Spitzbüberei der Wirthe,
Wein aus demselben Fasse durch Aufkleben verschiedener Etiketten zu
so viel verschiedenen Sorten zu machen, trauen wir unserm Dichter
nicht zu. Lieber die Unfähigkeit zu charakterisiren; abgesehen davon,
daß „des Liebestammelns Raserei" die eigentliche poetische Sprache
lähmt. Man überzeuge sich selbst. Jene Frauenbilder sehen ein-
ander gleich wie die Rosen im Frühling, mit dem Unterschiede frei-
lich, daß diese mehr Lenze gesehn hat als jene, diese durch alte
Drachen von Tanten, jene durch einen Drachen von Ehemann be-
wacht wird. Nur der Unterschied besteht noch, daß ihm das Pflücken
des Blümchens hier mehr Mühe und Zeit kostet als dort, daß er
hier heftiger als dort gegen Pedanterei, Tugend, Einsegnung der
Ehe durch die Pfaffen und wie der philiströse Trödel weiter heißt,
zu declamiren hatte, bis ihm die bekehrte Schöne in die Arme fliegt
und die üblichen Reihen Punkte am-Schluß des Gedichts als Hoch-
zeitszeugen aufmarschiren.
Der Dichter, der mit Mephistopheles und den Türken „ein für
allemal die Weiber im Plural" zu verstehen scheint, überhebt sich
Das kann ich euch nicht sagen,
Der Weg' und Stege sind genug,
Ich sah vorbei ihn jagen.
Bald ist er hier, bald ist er da,
Bald vorne und bald hinten,
Er schaut, ob wo uns Feinde nah,
Zn legen uns schlimme Finten.
wandelt im freien Aether eines gesunden Lasters, das im Grunde
nichts anderes fein soll als die wahre Sittlichkeit. Diese geht uns
natürlich nur in so weit an, als Herr Daumer die Untugend hat
sie in Verse zu bringen.
Wer es noch nicht weiß, wie es dem Dichter gelungen ist, sich
von der Ansteckung frei zu halten, dem erklärt sich's am besten aus
einigen Versen der „Frauenbilder u. s. w.", Bd. III. S. 161:
Was trägt der Oberst auf dem Hut?
Ein' Feder für die Reiter.
Das ist fürwahr ein' Fahnen gut,
In tiefer Schlacht uns Leiter.
Und seht ihr hoch die Feder wehn,
Ihr Kriegsleut' auf der Lauer,
Da sollt Ihr fest vorm Feinde stehn
Als wie eine stählern' Mauer.
Was will der Oberst nach der Schlacht?
Sein Volk soll sich vergnügen.
Er hält uns eine treue Wacht,
Wenn wir vorm Zapfen liegen.
Herr Oberst, hast ein' wilden Muth
Und grimmig thust Du schauen,
Doch darf ein jeder Reiter gut
Sein Herze Dir ganz vertrauen.
Drum lieber Gott im Himmelreich,
Mußt uns den Oberst hüten,
Er sorget für uns all' zugleich
In väterlichen Güten.
Und sind'st du, daß hier Einer sitzt,
Ein' bübischen Gesellen,
Der nicht sein Blut für ihn verspritzt,
So wirf ihn hinab zur Höllen.
/rauknbildcr und Huldigungen.
Von G. Fe. Daumer.
(3 Bändchen. Leipzig, Verlag von Otto Wigand. 1853.)
Ju diesen drei Bändchen liegt ein neuer Beweis deutscher Aus-
dauer und deutscher Aufopferung vor. Das Recept, nach welchem
Herr Daumer seine Gedichte macht, ist bekannt. Auch Andere haben
sich desselben mit billigem Erfolge bedient. Jene bitterir Ingredien-
zen, Sottisen gegen „Pfaffen- und Tyrannenlüge", „Kutten und
Kapuzen", „Dressur", Philisterei des Gesetzes, Monogamie u. s. w„
mit einigem poetischen Zuckerwerk versetzt, wie „Rosennektar", „min-
nekosiger Lächelmund", „gewölbte Wogebrust", „Honignippe", „die
liebefeitchte Sehe" (vulgo Auge) und ähnlichen west - östlichen Kost-
barkeiten, eine Messerspitze voll Fremdwörter, als frivol, dissolut,
kokettiren, Contrast, nobel u. s. w. hineingestreut und diese Mischung
bei der Siedeglut brünstiger Sinne ein Vaterunserlang aufgekocht,
so ist das Elirir fertig. Daß es in all und jedem Falle taugen
muß.und durch ein ganzes Leben immer von neuem ausgetischt wird,
zeugt für eine so seltene Unverrücktheit des Princips, daß wir an
den bekannten Arzt im Gil Blas erinnert werden. In der Thal
kann nur wissenschaftliche Ueberzeugung einen Dichter dahin bringen,
auf den Wechsel, der gefällt, zu verzichten, lind ein für allemal
Einen Spruch auf seine Fahne zu schreiben. Herr Daumer fühlt
sich nicht minder Arzt als Poet. Die Welt ist bekanntlich ein gro-
ßes Lazarett). Die allgemeine Seuche heißt Tugend. Herr Daumer
befindet sich mit wenigen Auserwählten außerhalb der Fieberluft und
Hätte die Tugend Grazie,
' Sie war' ein allerliebstes Ding.
Nichts ist jedoch so steif und starr,
So steinern auf dem Erdenring.
Die Tugend und die Grazie
Die sind ein ewig Zweierlei u. s. w.
Jeder Mensch also steht hier am Scheidewege. Herr Daumer,
der ein Dichter ist, kann nicht lange in Zweifel sein. Ohne Grazie
keine Poesie. Ohne (Herrn Daumer's) Poesie — was finge die
Welt an? Sie konnte vielleicht von tugendhafter Seite her — wie
schmerzliches wäre — lieber auf die Poesie verzichten wollen. Möge
sie! Aber nur nicht auf Herrn Daumer's Poesie. Diese nämlich ist
nicht bloß ordinäre Poesie, sie ist zugleich Religion, sie ist Heil-
kunde, sie ist Pflicht des Herrn Daumer; ein Wort, wogegen der-
selbe freilich so vielfach protestirt, daß wir es nur brauchen, weil
wir nicht genial genug sind, uns ohne dasselbe zu behelfen.
Also Grazie und kein Ende! Der Katalog der gefeierten
Schönen, der als Jnhaltsverzeichniß jedem Bändchen mitgegeben ist,
verspricht etwas. Käthchen, Alma, Fanchon, Rosa, Elmire, Lodoiska,
Heliodora, Adele, Stella, Marie, Veronika, Flora, Agnes, Regina,
Diana, Lulu u. s. w. — der Kalender hat seinen besten Flor zu
diesem Strauß hergeben müssen. Wir erwarten eine anige Gesell-
schaft, vielleicht nicht die beste, aber die hübscheste. Ein bornirter
Mensch, der hie und da hineinblickend das Wörtchen Treue mit sei-
nem stehenden Gefolge lebhafter Schwüre findet, mag fragen wie
der Katalog sich dazu reime. Aber er vergißt, daß hier die Grazie
herrscht, und daß es „zu lieblich ist, ein Wort zu brechen." Des
Lieblichen aber wie des Guten kann man nicht zu viel thun.
Ein Mann von Herrn Daumer's Verdiensten (unter denen wir
die Nachdichtung des Hafis zu den unvergänglichen rechnen, die
sich ein Dichter um seine Nation erwerben kann) wird uns auch in
der Geschichte seines Herzens interessiren. Und sollten wir auch mit
noch so philiströsen Augen darangehen, dürfen wir doch jedenfalls
aus psychologischen Gewinn rechnen. Das Seltsame ist nun, daß
uns die „Frauenbilder rc." hierin vollständig täuschen. So bunt
der Katalog, so einfarbig die Werke. Jene Spitzbüberei der Wirthe,
Wein aus demselben Fasse durch Aufkleben verschiedener Etiketten zu
so viel verschiedenen Sorten zu machen, trauen wir unserm Dichter
nicht zu. Lieber die Unfähigkeit zu charakterisiren; abgesehen davon,
daß „des Liebestammelns Raserei" die eigentliche poetische Sprache
lähmt. Man überzeuge sich selbst. Jene Frauenbilder sehen ein-
ander gleich wie die Rosen im Frühling, mit dem Unterschiede frei-
lich, daß diese mehr Lenze gesehn hat als jene, diese durch alte
Drachen von Tanten, jene durch einen Drachen von Ehemann be-
wacht wird. Nur der Unterschied besteht noch, daß ihm das Pflücken
des Blümchens hier mehr Mühe und Zeit kostet als dort, daß er
hier heftiger als dort gegen Pedanterei, Tugend, Einsegnung der
Ehe durch die Pfaffen und wie der philiströse Trödel weiter heißt,
zu declamiren hatte, bis ihm die bekehrte Schöne in die Arme fliegt
und die üblichen Reihen Punkte am-Schluß des Gedichts als Hoch-
zeitszeugen aufmarschiren.
Der Dichter, der mit Mephistopheles und den Türken „ein für
allemal die Weiber im Plural" zu verstehen scheint, überhebt sich