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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 1.1897-1898

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Fuchs, Georg: Melchior Lechter
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https://doi.org/10.11588/diglit.6384#0188
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Georg Fuchs—München:

Keuschheit.« MELCHIOR LECHTER

Entwurf zu einem Glasgemälde.

sie fortzuführen; nicht nur das, was
sie an Vorbildern bot, nachzuahmen
und etwa gar, um mit diesen in
vollem Einklänge zu leben, auch die
Weltanschauung der Vorzeit wieder
künstlich in sich herzustellen, wie
es von den Romantikern versucht
worden war. So wurde Melchior
Lechter, ganz ohne sich durch be-
wusstes Nachsinnen und Wollen
leiten zu lassen, unwillkürlich in
Verbindung mit der alten Ueber-
lief erung wachsend und gross, gerade
als ob er als Lehrling unter den
würdigen deutschen Meistern ge-
wesen wäre. So trieb er es gerade
so wie es diese einstens pflogen : er
that zum Ererbten sein Theil hinzu,
er machte das Ueberkommene durch
Erweiterung, Umdeutung und Um-
bildung der formalen Karaktere zum
Ausdrucksmittel seines Geistes und
seiner Zeit; denn so that es doch
früher der Sohn nach dem Vater,
der Jünger nachdem Meister! Darum
ist der Thätigkeit Lechters so ausser-
gewöhnliche Aufmerksamkeit zu
schenken. Er ist Träger der alten
deutschen Tradition, die er bei ihrem
heimathlichsten Höhepunkte ergriff,
bei der Gotik; allein er ahmte nichts
von dem nach, was er dort vorfand,
sondern er führte dieUeberlieferung
über Jahrhunderte hinweg, die be-
reits gespannten Brücken nützend,
Kraft seiner Gestaltungskraft zum
Empfinden und Bedürfen unserer
Zeit hin. So ist er einerseits streng
geschieden von den gelehrten
Kennern der alten Stile, die in
ihren Bildern und Zierrathen nichts
Eigenes zum Alten geben, anderer-
seits aber sicherer und reifer im Stile,
als alle Anderen, die jüngst den
Muth gewannen für den neuen Geist
neue Formen zu finden.

Die grössten Meister seiner
Heimathgaue, van Eyck, Memlinc,
Eochner, belehrten ihn auch, warum
den romantischen Künstlern das
 
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