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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (1,1): Kunst und Künstler Deutschlands und der Niederlande bis gegen die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1877

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Rosenberg, Adolf: Lucas von Leyden: geboren 1494 in Leyden, † ebenda 1533
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https://doi.org/10.11588/diglit.33504#0368

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LUCAS VON LEYDEN.

gclbrcchtsen. Deren Charakter bildete er weiter aus wund erreichte che Vorzüge,
welche dadurch geboten waren: bestimmten charakterislischen Ausdruck, Richtig-
keit und selbst Zierlichkeit in einzelnen Gestalten. Allein eben weil er das Ziel
erreicht hatte, musste er das Einseitige der Richtung fühlen, den Mangel an hei-
term, anmuthigem Leben. Dies führte ihn wohl zu dem, was sleh schon bei sei-
nen Vorgängern zuweilen unwillkürlich eingedrängt hatte, zu dem grellen Aus-
drucke zufälliger, ungewöhnlicher und selbst bizarrer Eigenthümlichkeiten. Die
wunderlichen Formen, Bewegungen und Trachten, die uns in den Kupferstichen
so auffallend und selbst oft anstössig erscheinen, machten aber auf seine Zeitge-
nossen diesen Eindruck nicht. Sie waren bei der bisherigen wohlgemeinten und
ehrbaren Verarbeitung der traditionellen Elemente an ähnliches gewöhnt. Künst-
ler und Zeitgenossen wurden, um das Disharmonische zu überwinden, zum Komi-
sehen sortgezogen; anfangs unbewusst, bald aber mit Selbstironic, ingutmtithiger
Ancrkcnntniss der menschlichen Unvollkommenheit, und so entstand eine Mi-
schung vmy4iartem Ernste und bizarrem Scherze, die freilich späteren Kunstrich-
tungop^mcht mehr zusagen konnte." (Schnaase, Niederländ. Briefe.)
^lsin Kupferstich vom Jahre 1510 bietet uns die bette Illustration zu dieser
Charakteristik. Er zeigt das ertte Menschenpaar auf einer Wanderung begrisfen.
Adam, eine eckige, knorrige Gestalt mit langem, struppigem Bart und Haupt-
haar, schreitet einher mit der Linken lebhaft gettikulirend. Ein Thierfell itt um
seine Hüften geschlungen, und auf der linken Schulter trägt er ein Grabschcit.
Neben ihm geht Eva mit einem Kinde in den Armen. An diesen Figuren itt
alles bizarr und grotesk: die haltigen, eckigen Bewegungen, die wunderlich flat-
ternden Haare und die scharfkantig gebrochenen Gewandfalten. Nur das Gesleht
der Eva zeigt einen lieblichen Ausdruck, eine seelenvollc Innigkeit, die wir dies
unter den Zeitgenossen allein bei Dürer wiederfinden. Der deutsehe Meister wird
fortan der Leitstern für den jungen Holländer. Sein Einfluss wirkt immer mäch-
tiger aus ihn, ohne jedoch seine Individualität zu unterdrücken. Das Ureigne
seiner Kunstweise: der Sinn für das Glänzende und Phantastische, der volle Aus-
druck des Lebens und der Bewegung und die bis zur Bizarrerie gesteigerte Wie-
dergabe des Charakterislischen sucht sleh mit dem grossartigen Stile Dürers zu
verschmelzen. Natürlich kommt diese Grossartigkeit bei einer Vermischung mit
so verschiedenen Elementen bei weitem nicht zum ungeschmälerten Ausdruck.
Dagegen gelang es dem Meister Lukas, sleh einen Theil von Dürer'scher An-
muth und Gemüthstiefe anzueignen. Wir können eine Reihe von Stichen ver-
zeichnen, welche diesen Charakter in vollem Maasse an sleh tragen und etwa mit
dem Jahre 1514 beginnen.
Drei liebliche Bilder der h. Jungfrau, welche mit dem Kinde von Strahlen
umgeben auf einem Halbmonde steht, erinnern schon im Motive an ähnliche
Kupferstiche Dürers und stehen in der Feinheit der Ausführung jenen durchaus
nicht nach. Auf gleicher Höhe stehen einige Scenen aus der Madonnenlegendc,
welche in die irdische Sphäre hinabgerückt sind. In dem Antlitze der Maria,
welche mit dem Kinde, das eine Birne in der Hand hält, am Fusse eines Bau-
mes sitzt, glaubt man die Kunst des deutsehen Meisters in ihrem ganzen Umfange
zu erkennen. Ebenso innig und menschlich wahr ist die Darstellung einer Ma-
 
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