Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (1,1): Kunst und Künstler Deutschlands und der Niederlande bis gegen die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1877

DOI article:
Rosenberg, Adolf: Lucas von Leyden: geboren 1494 in Leyden, † ebenda 1533
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.33504#0370

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
20

EULAS VON LEYDEN.

ges Kinderpaar steckt. Ihm zur Rechten wandert seine Frau. Sie trägt das
jüngste Kind auf der Schulter und führt einen Esel am Seile, aus dessen zwei
Tragkörben noch drei andere Kinder hervorgucken. Den Zug eröffnet ein klei-
ner Bursche mit dickem, behaglich lächelndem Gehcht. Sein Kopf sleckt in
einer Kaputze, in den Händen trägt er einen Stock und eine Kanne, und auf
seiner linken Schütter sitzt eine Eule. Von dieser tresflichen Figur hat das Blatt
seinen Namen erhalten. Schon im Jahre 1644 wurde ein Exemplar dieses Sti-
ches mit fünfzig Dukaten bezahlt, und Ilondius fertigte deshalb eine Kopie an,
auf der er uns diesen Preis mittheilt. Auch Sandrart erzählt, dass der bereits
erwähnte, schwedische Gesandte den wEulenspiegeh( für 200 Thlr. erworben hätte.
Ueberhaupt slanden die Kupfersliche des Lukas schon frühzeitig hoch im Preise.
Zur Zeit des Karel van Mander, also um 1600, bezahlte man für die Ausheilung
Chrisli, die Bekehrung des Paulus, den Magdalenentanz, die Anbetung der Kö-
nige und die grosse Kreuzigung je einen Goldgulden. Sandrart hatte von dem
Maler Johann Ulrich Mayer erfahren, dass dessen Meisler, der grosse Rembrandt,
auf einer Auction 24 gute Abdrücke für 1400 Gulden erstand, und im Jahre 165p
kaufte man das Blatt mit der Eslher vor Ahasver in Paris um 215 Livres für
die kaiserl. Bibliothek in Wien. Der Grund dieser ungewöhnlich hohen Preise
mag einestheils darin liegen, dass die Platten bei der ausserordentlichen Feinheit
des Stiches nur Abdrücke in beschränkter Zahl erlaubten, andrerseits in der gro-
ssen Beliebtheit, deren sleh Lucas von Leyden zu allen Zeiten erfreute. In un-
teren Tagen hat sleh der Eifer der Kupferstichsammler mehr auf die seltenen als
auf die bedeutenden Stiche des Meisters geworfen. So erzielte der wEulenspie-
geh< auf einer Auction im Jahre 18/1 den enormen Preis von 4500 M. —
Seit dem Jahre 1525 beginnt allmälig eine entseheidende Wendung in der
Kunstweise des Meisters. Die italienische Renaissance hatte inzwischen ihren sleg-
reichen Einzug in Deutschland gehalten, und Lukas besass nicht originale Kraft
genug, um ihrem Andrange zu widerstehen. Ueberdies galt die Bantikische ArD
damals überall für das Bessere, welchem der einheimische Kunststil das Feld zu
räumen hatte. Wie wir gesehen, war Lucas inzwischen mit Jan von Mabuse in
Verkehr getreten. Vielleicht übte auch dieser, welcher bekanntlich einer der
ersten Vorkämpfer des italienischen Stils in Holland war, seinen Einfluss auf den
jüngeren Kunstgenossen. Am mächtigsten aber wirkten auf ihn die Kupfersliche
des Marc Anton, dem er in der Zeichnung, in der breiten Führung des Grab-
stichels und in seiner rafflnirten Technik im Allgemeinen gleichzukommen suchte.
Leider nahm er sleh mehr die letzten Schöpfungen des Meisters von Bologna
zum Vorbild, als dessen frühere Stiche, zu denen ihm ein Rafael die Zeichnungen
hergab. Die wenig erfreuliche, schwülstige und verblasene Manier eines Giulio
Romano zeigt sleh bei dem deutsehen Meister von ihrer schlimmsten Seite, und
so vermögen uns die Werke seiner letzten Jahre nicht das geringste Interesse ab-
zugewinnen. Seine Mängel zeigen sleh hier unverhüllt; dagegen hat die origi-
nelle und markige Charkteristik, welche uns die bisher betrachteten Stiche an-
ziehend und künstlerisch bedeutend erscheinen liess, einem conventioneilen Schön-
heitsideal weichen müssen, welches in keiner Weise für den Verlust entsehädigt.
Glücklicherweise gehören nur etwa zwanzig Blätter dieser Periode an, welche vom
 
Annotationen