Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (1,1): Kunst und Künstler Deutschlands und der Niederlande bis gegen die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1877

DOI article:
Eisenmann, Oskar: Quentin Massys: geboren 1466 zu Löwen, † 1530 zu Antwerpen
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.33504#0385

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
DER LOEWENER ALTAR.

35

Löwen. Auf dem Mittelbilde die heiligen Sippen in symmctrischer Anordnung;
Mutter Anna und die drei Marien mit ihren vier Männern und heben Kindern,
die Mütter in sinniger Wechselbeziehung zu den letzteren, ersterc theils lesend,
theils nachdenklich vor hch hinblickend. Maria und Anna sitzen in der Mitte
auf einer Bank, links und rechts davon die beiden andern Frauen am Boden.
Dahinter slehen die Männer unter einer Art offener Halle in italienischem Stil,
durch deren Bogen man in eine weite, hinten von blauen Bergen begrenzte
Landschaft hebt. Die Seitentafeln enthalten Scenen aus dem Leben Joachim's
und Anna's. Links innen die Verheissung des Engels an Joachim bei den Hirten
im Felde, rechts der Tod Anna's; links aulsen die Uebergabe der Almosen an
den Hohenprielter durch das junge Paar (dieser Flügel trägt die Bezeichnung
Q VINTE METSYS SCREEF DIT 1509), rechts die Vcrweisung Joachim's aus dem
Tempel. Das Bild isl neuerdings sehl* schonend und glücklich in Brüssel ge-
reinigt worden und Itrahlt trotz der Dunkelheit des Bewahrungsortes in seinem
frischen Glanze zur Lust jedes Beschauers. Das Hauptbild mit jener noch etwas
alterthümlich gebundenen Anordnung hat die Vorzüge aller echten Bilder Quen-
tin's, feine Harmonie der mild gebrochenen Farben, edle Charakterislik der
Köpfe, zarte Abtönung des duftig hch vertiefenden Hintergrundes, aber in alle
dem wird es weit übertroffen durch die unvergleichlich gefassten und mit grösster
Liebe durchgeführten Scenen der Flügelbilder. Man beachte den Ausdruck
tiefsten Schmerzes im Angehcht des aus dem Tempel gewiesenen Joachim, dann
den Vorgang mit dem Engel, der so charaktcrislisch mit der einen Hand nach
oben, wo der Vcrlassene und Verhöhnte seinen Trost suchen und mit der andern
nach der Stadt deutet, wohin er, zuverhchtlich auf die Verheissung bauend,
zurückkehren möge, und betrachte endlich den Tod Anna's, eine Scene, wie he
so wahr und innig bis dahin in der Malerei noch nicht erfasst worden war. In
diesen Darstcllungen bekundet hch ein dramatischcr Ktinsller, ein Seelenmaler
ersten Ranges. Ein geiltvoller Beobachter bemerkt dazu: aUebrigens ist Massys
ein Maler, dessen Beltes nicht auf den ersten Blick genossen wird, und so fordert
auch dieses Bild eine gewisse Andacht."
Ein drittes bedeutendes Werk unteres Künltlers, früher in der Sammlung des
Prinzen von Oranien, jetzt in der Ermitage zu St. Petersburg, zeigt die Jungfrau
Maria mit dem Kinde auf dem Halbmonde in himmlischer Glorie schwebend,
wvon zwei Engeln umgeben, deren Einer die Geige, der Andere die Laute spielt.
Ueber ihr der heilige Geilt und der he krönende Gottvater, unten in Verehrung
König David mit der Harfe, zwei Propheten und zwei Sibyllen, von denen die
eine nach der Legende den römischen Kaiser Augustus auf die Erscheinung oben
aufmerksam macht. Den Hintergrund bildet eine Landschaft. Dieses der mitt-
- leren Zeit des Meilters angehörige Bild fand hch beim Abbruch der dem hei-
ligen Donatian geweihten Kathedrale von Brügge eingemauert, ein Umstand, dem
man ohne Zweifel seine Rettung aus den vandalischen Händen der Bilderltürmer
im sechzehnten Jahrhundert zu danken hat. In der Compohtion hat es etwas
Zerstreutes, doch die weiblichen Köpfe, besonders der der einen Sibylle, hnd von
grosser Feinheit, die der Männer, vor Allen der sehr edle des Augustus, von
grosser Energie."

5
 
Annotationen