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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (1,1): Kunst und Künstler Deutschlands und der Niederlande bis gegen die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1877

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Wessely, Joseph Eduard: Die Künstlerfamilie Bruegel
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https://doi.org/10.11588/diglit.33504#0400

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DIE KÜNSTLERFAMIEIE BRUEGEE.

Vorliebe für Darstellungen des Bauernlebens wird er denn auch der "Boeren-
BruegeD, Bauernbruegel genannt, wahrend ihm die Franzosen wegen der drolligen
Auffassung des Bauernlebens "Pierre le Drehe« nennen.
Nach der Gewohnheit der Künsller seiner Zeit machte hch — etwa 1552 —
Brucgel auf die Reise nach Italien. Für seinen Aufenthalt in der ewigen Stadt
sprechen zwei radirte Landschaften, welche "Petrus Bruegel fec. Romae 1553a
bezeichnet sind. Doch blieb die italienische Kunst auf ihn ohne sonderlichen
Einhuss; die praerafaelische Schule, Rafael selbsl, Michel Angelo waren ihm
fremdartige Elemente, die keinen Accord in seinem Künstlerbewusstsein an-
schlugen. Dagegen ergriff ihn um so mehr die schöne Natur des Landes, die
gigantische Form der Alpen weit. Er brachte eine Menge Naturstudien zurück,
die er dann in den Hintergründen seiner Compohtionen verwerthete.
Seine Rückkehr scheint noch in dasselbe Jahr 1553 zu fallen, denn aus
ihm ist eine Zeichnung nach dem St. Georgenthor zu Antwerpen datirt, die als
Stich in dem Verlage des C. Galle erschien. In Antwerpen aber hat er hch nach
seiner Rückkehr angehedelt. Hier fand er einen guten Freund an dem Kunst-
händler Hans Franckert, für den er vieles malte. Um Stoff für Darstellungen
des bäuerischen Lebens zu gewinnen, besuchten he, als Landleute verkleidet, die
umliegenden Dörfer, um so das Volk in seinem eigenhen Wesen und Leben
hudiren zu können. Da der Künsller selbsl aus dieser Lebenssphäre hervorge-
gangen war, und die Rolle darum täuschend gespielt wurde, so thaten hch die
Bauern vor ihnen keinen Zwang an. Wenn irgendwo eine Plochzeit gefeiert
wurde, erschienen he als angebliche Verwandte, und da he der Braut Ge-
schenke brachten, so glaubte man ihnen. Bei solchen Gelegenheiten wurden
dem Bauernleben all jene kleinen treffenden Züge abgelauscht, denen wir auf
den Bildern Bruegel's begegnen. Seine Bauernhochzeiten, Kirchfesle, Dorf-
schenken und Bauernprügeleien hnd darum ein Stück niederländischer Sittenge-
schichte. Wenn zuweilen Episoden dargehellt werden, die heutigen Tages hch
kein Künsller getraute auf die Leinwand zu bringen, so ist dies auf Rechnung
der realen Welt, die eben damals auf einem Dorfe nicht anders war, zu schreiben ;
der Künsller hat he sö gegeben, wie er he gesehen hat; um eine Idylle war
es ihm nicht zu thun — und sein Publicum verlangte eine solche nicht.
Eine junge Wirthschafterin führte dem Künsller das Hauswesen. Er hätte he
wohl geheirathet, aber der grosse Hang des Mädchens zum Lügen, der ihr, scheint
es, zur zweiten Natur geworden war, schreckte ihn zurück. Sie log, weil he
Freude an der Lüge hatte; bei der unschuldigsten Sache erfand he lieber eine
Geschichte, als einfach die Wahrheit zu lagen. Bruegel wollte ihr die böse
Gewohnheit verleiden, er zeigte ihr ein Kerbholz und sagte, er werde jede
ihrer lügenhaften Erfindungen auf demselben mit einem Strich bezeichnen.
Sollte das Holz voll werden, so sei es mit der Heirath nichts, und he müsse sein
Haus verladen. Aber auch dies äusserste Mittel half nichts, das Kerbholz wurde
voll und die Lügnerin aus dem Dienh entlassen. Nun dachte der Künsller an
die Tochter seines erhen Lehrers, die mit ihrer Mutter jetzt in Brüssel lebte.
Die er einst als Kind auf den Armen getragen, musste nun eine erwachsene
Jungfrau sein; er machte hch also nach Brüssel auf und seine Bewerbung wurde
 
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