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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (1,1): Kunst und Künstler Deutschlands und der Niederlande bis gegen die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1877

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Lemcke, Carl von: Peter Paul Rubens: geb. in Siegen den 29. Juni 1577, gest. in Antwerpen den 20. Mai 1640
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https://doi.org/10.11588/diglit.33504#0470

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PETER PAUL RUBENS.

Sänger der Trutz-Nachtigall, dem frommen und hochverdienten Fr. von Spee io
oft hnden. Das andere Bild, nach der Ueberlieferung bei der Aufnahme in die
St. Lucas Gilde dieser gegeben, ist die heilige Familie mit dem Papagei. Es isl
sehr durchgeführt in der Farbe. Man könnte vermuthen, daß der Meister Ipäter
wenn lchon leine Kreuzaufrichtung, lo auch Jugendbilder übergangen habe. Der
Gegensland isl lehr frei und eigenlaunig behandelt; Maria isl eine moderne Dame,
Jelus ein junger Prinz, nackt und zwilchen den Formen von Amor und Bacchus
dargehellt; der heilige Nährvater Ichaut lehr unheilig mit begehrlichem Blick und
feurigem Lächeln auf leine Maria. Die beiden Figuren von Maria und Joleph lind
in den Linien lo parallel mit einander (und mit dem Papagei) componirt, dals
das Bild in der Compolition nach links hinausweicht.
Nach dielen beiden Gemälden war Rubens in der Hauptlache vor seiner
italienilchen Reise künsllerilch fertig. Der Ausdruck der „Unverfrorenheit" kommt
Einem unwillkürlich als charakteristisch für die Ungenirtheit, womit der junge
Mann seine heiligen Vorwürfe behandelte.
Die Protestanten freilich haben seiten ein volles Versländniß dafür, wie ver-
traut lieh ein Katholik im christlichen, himmlilchen Reiche fühlen kann und was
er lieh daher beim ernstesten Glauben mit dieser heiligen Welt erlaubt, der er
durch leine himmlilchen Fürlprecher, Pathen, Helfer, Halbheilige und Vollheilige
von Kindheit an verbunden isb Die Freiheit und Naivetät des Glaubens in der
Antike hat ja ihr Gegenstück in der katholilchen Kirche gefunden.
Die Renaissance brachte nun überdies ihre Verlchmelzung des Antiken und
Christlichen, dals in der Folge der heidnische Olymp geradezu mit dem christ-
lichen Himmel vermilcht wurde. Mythologie und Religion werden durcheinander
gewirrt; die Götter Griechenlands und Maria, Engel und Heilige verkehren mit
einander oder bekämpfen hch. Camoens Luiliade giebt das charakteristilchste
Beilpiel dafür. Wenn ein frommer Geisdicher Christus als den Hirten Daphnis
belingt, kann man lieh dann noch wundern, wenn ein im Renaissance-Geist und
Schönheit Ichwärmender Maler der Art malt, dals manche seiner Marien ohne
Weiteres Göttinnen vorstellen können, und dals es nur auf die Beigabe ankommt,
damit wir Maria Magdalena über Jelus Leichnam oder über ihre Sünde weinen
lehen oder Venus über den todten Adonis klagend oder eine verzweifelnde
Nymphe.
Die damaligen Künsller handelten überdies allgemein naiv in der Art und Weile,
wie he mit ihrem Stoffe umlprangen. So wenig wie die franzölischen Dramatiker des
i/. Jahrhunderts dachten auch die anderen Künsller an die historilche Wahrheit und
deren „Localfarbe". Diele Errungenlchaften und Forderungen späterer histo-
rilcher Kritik — es isl kaum nothig zu lagen — galten damals nicht. War der
Stoff) allo auch der heilige Stoff, in den Empfindungen und Formen dargehellt,
welche Ton angebend, Mode waren, dann war man zufrieden, welche Unpassen-
heiten dabei auch für den späteren kritilchen Geschmack unterlaufen mögen.
Die lußliche Weichheit, nervöse Emphndsamkeit, gezierte Größe, theatralische
Aufdonnerung, Prunklust und Sinnlichkeit etwa, die uns für Darslellungen aus
dem Ichlichten, großen Kreile des Evangeliums lo ungewohnt sind, haben damals
die frömmsten Kirchen- und Klöster-Vorheher nicht genirt. Kaum, dals wir eine
hrenge Mißbilligung darüber hnden, daß die Hundswirthlchaft jener Tage —
der unße Zeit hch wieder annähert — mit der Vorliebe für Hatzhunde, Windhunde,
 
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