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Dorotheum <Wien [Hrsg.]
Nachlaß Friedrich von Amerling: (Stiftung für die Genossenschaft der Bildenden Künstler Wiens) ; Versteigerung von Mittwoch den 3. bis Samstag den 6. Mai 1916 (Katalog Nr. 263) — Wien, 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.15892#0020
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spätere Besitzer daran verdorben haben mögen, das hat der feinsinnige Künstler beseitigt
und durch die reizvollsten Dinge ersetzt, als er sein Heim dort aufschlug. Im engen Flur
standen alte geschnitzte Truhen, an den Wänden waren schöne, bejahrte Grabsteine längst
verstorbener Geschlechter und die schmale Treppe führte zu Gemächern, die überfüllt
waren von den kostbarsten Dingen, die eines Sammlers Herz höher schlagen machen
können.

Rechts von der Treppe war ein weites quadratisches Gemach, in dem hatte
Amerling seine Freunde und seine schönsten Lebenserinnerungen — Porträts, eine
Unzahl von Porträts, die alle ihre Geschichte haben und in jeder dieser Geschichten kommt
Amerling vor. Da war Massimo d'Azeglio, der Patriot mit dem heißen, glühenden
Herzen, da war der bedeutende Kopf Thorwaldsens, hier sah man Oelenschläger,
Koch, Overbek. Der längst vergessene Dichter Stieglitz erschien hier im Bilde und
jener schwedische Oberst, den ein unglücklicherweise glückliches Duell in die römische
Künstleridylle geschleudert hatte, an welche Amerling diese Bilder alle mahnten. Auch
Wiener Namen waren in manche Bilder mit dem Pinselstiel geritzt: fast alle haben wir
sie gekannt. Aber da sahen ihre Träger anders aus als in diesen Bildern; als wir sie
kannten, waren sie Greise und hier waren sie jung; die Leuchten des Burgtheaters der
alten Zeit, die Dichter, die Künstler aus dem Vormärz, alle hat sie der Pinsel Amerlings
festgehalten, oft nur mit wenigen kecken Strichen skizziert, einfach untermalt, nur einzelne
in voller künstlerischer Durchführung. Vieles von all dem wird man jetzt in der Sammlung;
wiederfinden und überraschende Werke dazu, von denen der gelegentliche Besucher selten
etwas zu sehen bekommen hat, wie die interessanten dekorativen Landschaftsbilder, vor
allem die prächtige große Leinwand, die man als einen in die Halme geschossenen Mark«
ansprechen möchte, die Porträtstudien nach schönen Frauen, die Aktbilder, die feinem
Kopien nach alten Meistern — dann die echten alten Niederländer. Und dann die Bronzen,
die Fayenzen und Majoliken,"die Kuriosa aller Art und die herrlichen Kostümstücke und
reichen Stoffe — sind es doch 900 Nummern, die der Katalog aufzählt und ist nichts
gleichgiltiges und wertloses darunter.

In diesem Räume hat Amerling auch bis in seine letzten Lebensjahre hinein gemalt,
hier hat er seine Schülerinnen arbeiten lassen, deren er gerne noch annahm und die gerne dem
Altmeister noch etwas von seiner Kunst abgucken wollten. Die Erholung nach der Arbeit
an der Staffelei bot ihm — das Billard, das oben auf dem Speicher stand, oder seine
liebe, treue Orgel, der er so geheimnisvoll schöne Klänge zu entlocken verstand. Der Alte
wußte wohl, wie gut es ihm ließ, wenn die Sonnenstrahlen, durch farbige Glasscheiben
brechend, sein weißes Haupt umwoben, wenn er, wie verzückt, am Organon spielend saß.
Natürlich im Samtrock, von dem ließ er nicht . . .

Als er hochbetagt aus diesem Idyll schied, schloß ein erfolgreiches Leben, das mit
schweren Kämpfen gegen Armut und Not begonnen hatte. Der Vater war Golddrahtzieher
und Friedrich der älteste von 14 Geschwistern. Die zwei Stuben — eine davon Werkstatt
— in der heutigen Stiftgasse, welche die vielköpfige Familie beherbergten, sahen viel
stille und verschwiegene Not, die aber der nach außen hin streng gewahrten Respektabilität
der Familie nichts anhaben konnte. Als Kind schon bewies Amerling ein großes Zeichen"
talent, als er aber mit 13 Jahren an die Akademie nach St. Anna kam, hatte die Sache
doch nicht lange Bestand, Farben, Leinwand, Papier, das alles kostete Geld und der
hoffnungsvolle Kunstjünger konnte da nicht mit. Betrübten Herzens wanderte er zu einem
Zimmermaler in die Lehre und lebte alle Lehrlingsleiden durch, die ihm sein tief unter ihm
stehender Meister bereiten konnte. Da kam es denn auch nach nicht zu langer Zeit zu
einer Katastrophe. Nach einem ausgiebigen Schopfbeutler schrieb unser Lehrbub an eine
frisch grundierte, der Patrone harrende Wand den anspruchslosen Vers:

Mit diesem dummen Zimmermalen
Kann sich der Meister selber prahlen,

VIII
 
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