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Duhn, Friedrich von; Jacobi, Louis
Der griechische Tempel in Pompeji; Nebst einem Anhang : Über Schornsteinanlagen und eine Badeeinrichtung im Frauenbad der Stabianer Thermen in Pompeji — Heidelberg, 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.1420#0019
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16

DER «GRIECHISCHE» TEMPEL IN POMPEJI.

der Raum Zwilchen Pteron und C'ellawand ganz außergewöhnlich tief, fo wie ihn ebenfalls erst
jüngere griechifche und italifche Bauten zeigen.

Bei einem Tempel in der Diafpora, der überdies aller Wahrfcheinlichkeit nach für nicht-
griechifche Cultbcdürfniffe zu dienen hatte, ift jedoch dies Grundrißverhältniß möglicherweife
unabhängig von der fonftigen Entwickelungsgefchichte des Tempelbaues zu bcurtheilen: wenig-
ftens könnten Freunde einer Anfetzung desfelben ins fechfte Jahrhundert diefe Berechtigung für
fich in Anfpruch nehmen.

Es bleiben die Thonverkleidungen. Ihre große Aehnlichkeit mit Stücken aus Syrakus
und Gela ift bereits von uns genügend hervorgehoben, aber auch für jene ift ein abfolutes Datum
bis jetzt nicht zu gewinnen; daß der ältere Theil des Geloer Schatzhaufes in Olympia bereits
im fechften Jahrhundert gebaut fei, ift allerdings wohl zweifellos. Danach aber folche Stücke in
Pompeji datiren zu wollen, möchte bedenklich fein, da wir nicht wiffen, wie lange man im Welten
der alten Weife treu blieb. Confervatives Fefthalten an der alten hellgrundigen Technik und
den alten Formen ift hier fowohl, wie weiter nördlich — wir verweifen wiederum auf die
helleniftifcher Zeit angehörigen Tempel von Alatri und Falerii — eine Eigentümlichkeit des
Handwerks geblieben.

Ein werthvolles und jetzt mit Sicherheit verwerthbares Stück ift der Löwenfpeier (Taf. VI).
Leider fehlen bis jetzt für feine zeitliche Beftimmung Vergleichsftücke aus weftgriechifchem
Boden. Die impofanten Löwenfpeier aus Kalkftein, von Himera in's Mufeum von Palermo
verbracht, Arbeiten des fünften Jahrhunderts, tragen ein jüngeres Gepräge als unfer Pompejaner
Speier59); jünger, dem fünften Jahrhundert angehörig, find auch die zwei älteften unter den
acht Speiern, die von Akragas nach Palermo verbracht find; ebenio zwei ebendort befindliche
aus Selinus, und die beiden älteften unter den fyrakufaner Speiern im Mufeum in Syrakus; auch
der von Kekule veröffentlichte Thonfpeier aus Gela40). Jünger find auch zweifellos die fchönen
Löwenfpeier von dem Tempel des Apollon Lykeios (der fog. Chiesa di Sansone) in Metapont41);
daß diefelben kaum älter fein können, als die Mitte des fünften Jahrhunderts, eher lpäter lind, beweift
ihr eigner Charakter deutlich genug; noch deutlicher der Vergleich des übrigen Simafchmuckes,
namentlich der Palmetten, mit lieberer datirten griechifchen Arbeiten gleicher Art42). Es würde
fomit — das kann man felbft fo lückenhaftem Vergleichsmateriale gegenüber ausfprechen — einer
Datirung des pompejaner Speiers etwa in das ausgehende fechfte Jahrhundert nichts entgegenftehen,
wenn er fich z. B. in Metapont oder Gela gefunden hätte. Ob man aber in Pompeji eine folche
Datirung wagen darf, ift doch fehr die Frage. Wir erinnern an die obigen Bemerkungen über
die Nothwendigkeit, mit hohen Datirungen griechifcher Kunftformen in der Peripherie der
griechifchen Welt und nun gar auf nichtgriechifehem Boden vorfichtig zu fein. Für Pompeji
würde uns in Anbetracht aller übrigen befprochenen Verhältnifle ein Anfatz in das fünfte oder
gar vierte Jahrhundert nicht unzuläffig erfcheinen.
 
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