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Duhn, Friedrich von; Jacobi, Louis
Der griechische Tempel in Pompeji; Nebst einem Anhang : Über Schornsteinanlagen und eine Badeeinrichtung im Frauenbad der Stabianer Thermen in Pompeji — Heidelberg, 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.1420#0022
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DIE ZERSTÖRUNG DES ALTEN TEMPELS. WIEDERHERSTELLUNGSBAU.

19

die Nothwendigkeit des weiteren Schluffes, daß das Vorhandenfein der Stadtmauer für den Tempel
in gleicher Weile die nothwendige Vorbedingung fein mußte, wie es die neue, äußere ludliche
Burgmauer war für den Kimonifchcn Parthenon. Die Datirung der Stadtmauer Würde fomit
auch ihrerfeits an diejenige des Tempels gebunden werden und vor die Errichtung des Tempels
gefetzt werden muffen. Es liegt bis jetzt kein Grund vor, anzunehmen, daß etwa eine ältere
Stadtmauer erfetzt lei durch diejenige, deren wuchtige Blöcke aus Sarnokalk wir noch heute fo
vielfach vor Augen haben; diefe felbe Mauer alfo wird damit mindeftens in das vierte Jahrhundert,
wenn nicht höher hinaufgerückt werden muffen.

Wir haben gefehen, daß der Einfturz des die Tempellaft mittragenden Stadtmauerftücks und der
Nachfturz des Tempels vermuthlich einige Zeit vor der Wiederherftellung des eingeftürzten Mauer-
ftückes aus Lavaincertum erfolgt fein wird. Wir dürfen annehmen, daß im Gefolge der Kataftrophe
eine neue Einebnung des Platzes und eine Wegräumung der eingeftürzten Tempelrefte erfolgte.
Wären diefelben nicht zu einer gegebenen Zeit planmäßig befeitigt worden, fo hätten die frühere
Aufräumung wie die jetzige Grabung nothwendigerweife größere verftreute Quadern, mehr Säulen-
ftücke, Terracottaverkleidungsftücke, Ziegel u. i. w. ergeben muffen. Will man folche noch auf-
finden, fo wird man vermuthlich am heften thun, am Fuß der Stadtmauer in die Tiefe zu graben.

VIII. Wiederherftellungsbau.

Nachdem die Ausbefferung der Stadtmauer aus Lavaincertum erfolgt war, konnte man auch
an eine Wiederherrichtung des zerftörten Heiligthums denken: wie lange nachher, ob alfo
gleich nach, ob vielleicht noch vor der Wiederbefriedung Campaniens, ob fpäter, wird fich
nicht mehr feftftellen laffen.

Die gemachte Erfahrung aber und die noch weniger widerftandsfähige Conftruction der
neuen Mauer mußte warnen, einen gleich wuchtigen Bau an gleicher Stelle wieder zu errichten.
Der veränderte Zeitgefchmack mochte leichter hinweghelfen über das Mißverhältniß zwifchen dem
mächtigen Stereobat und einer kleinen Cella, deren Südmauer vorfichtigerweife noch um 0,28 m
nach N. verfetzt wurde, fo daß der neue, in feiner Breitenausdehnung einleitig verkürzte Bau
nicht einmal dem Schein nach als auf der Mitte des Unterbaues errichtet fich darftellen konnte.
Die großen erhöhten Unterbauten mit räumlich kleiner Cella auf demfelben, von jeher, auch
im fog. etruskifchen und altrömifchen Tempel, eine in Italien einheimifche Bauform, hatten im
helleniftifchen Tempelftil Italiens ihre künftlerifche Fortbildung erfahren; trotz mancher unver-
wifchbaren Spuren des griechifchen Tempelgrundriffes und -aufbaues, mochte man bei dem neuen
Bau mehr die Annäherung an die auch fonft in Pompeji übliche Form, als das Mißverhältniß
zum «griechifchen» Vorgänger empfinden.

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