Die Polizei im römischen Ägypten.
Fritz Krebs.
Einen interessanten, wenn auch nicht gerade übermässig erfreulichen
Einblick in die sozialen Zustände der unteren, einheimischen Bevölkerung
des römischen Ägyptens bietet uns die in unsrer Sammlung ziemlich
stark vertretene Urkundenklasse der libelli oder — wie sie griechisch
heissen — βιβλίδια. Es sind dies die Eingaben, in denen der Ägypter
den zuständigen römischen Behörden die an seinem Eigentum oder
seiner Person verübten Vergehen oder Verbrechen offiziell zur Anzeige
brachte. Sie sind gerichtet entweder an den römischen Centurionen,
der die höchste Polizeibehörde, oder an den Strategen, der — neben
vielen andern Amtsbefugnissen — die gerichtliche Behörde des
Gaues darstellt. Seine richterliche Befugnis ist allerdings ' eine
nur vorbereitende, d. h. er hat, wo ein gerichtliches Verfahren not-
wendig wird, kommissarisch die Vor Verhandlung und Beweisaufnahme
zu leiten. Diese hat er dann der kompetenten richterlichen Behörde,
dem Vizekönig oder seinem Delegierten, vorzulegen, wenn dieser auf
einer Dienstreise die Gerichtssitzung im Gau abhält. In vielen Eällen
geschah es — dafür haben wir Beispiele — dass man bei beiden Be-
hörden, beim Strategen sowohl wie beim Centurio, zu gleicher Zeit
die gleiche Anzeige einreichte. Dies hatte dann meist den Zweck,
einerseits etwaige Ansprüche zur rechten Zeit gerichtlich geltend zu
machen, andrerseits, durch die Polizei, eine einstweilige Verfügung
zu veranlassen. In den meisten Fällen enthält aber eine Eingabe an
den Centurio nur die Bitte um polizeiliche Vernehmung der Misse-
thäter, oder, wenn diese dem Kläger noch nicht bekannt, die Bitte
um Ermittlung und Verhaftung derselben durch die Polizei.
1 Vgl. Mittei«. Zur Beri. Pftpyruspubiikation Hermes XXX 8. 56ifgg.
Fritz Krebs.
Einen interessanten, wenn auch nicht gerade übermässig erfreulichen
Einblick in die sozialen Zustände der unteren, einheimischen Bevölkerung
des römischen Ägyptens bietet uns die in unsrer Sammlung ziemlich
stark vertretene Urkundenklasse der libelli oder — wie sie griechisch
heissen — βιβλίδια. Es sind dies die Eingaben, in denen der Ägypter
den zuständigen römischen Behörden die an seinem Eigentum oder
seiner Person verübten Vergehen oder Verbrechen offiziell zur Anzeige
brachte. Sie sind gerichtet entweder an den römischen Centurionen,
der die höchste Polizeibehörde, oder an den Strategen, der — neben
vielen andern Amtsbefugnissen — die gerichtliche Behörde des
Gaues darstellt. Seine richterliche Befugnis ist allerdings ' eine
nur vorbereitende, d. h. er hat, wo ein gerichtliches Verfahren not-
wendig wird, kommissarisch die Vor Verhandlung und Beweisaufnahme
zu leiten. Diese hat er dann der kompetenten richterlichen Behörde,
dem Vizekönig oder seinem Delegierten, vorzulegen, wenn dieser auf
einer Dienstreise die Gerichtssitzung im Gau abhält. In vielen Eällen
geschah es — dafür haben wir Beispiele — dass man bei beiden Be-
hörden, beim Strategen sowohl wie beim Centurio, zu gleicher Zeit
die gleiche Anzeige einreichte. Dies hatte dann meist den Zweck,
einerseits etwaige Ansprüche zur rechten Zeit gerichtlich geltend zu
machen, andrerseits, durch die Polizei, eine einstweilige Verfügung
zu veranlassen. In den meisten Fällen enthält aber eine Eingabe an
den Centurio nur die Bitte um polizeiliche Vernehmung der Misse-
thäter, oder, wenn diese dem Kläger noch nicht bekannt, die Bitte
um Ermittlung und Verhaftung derselben durch die Polizei.
1 Vgl. Mittei«. Zur Beri. Pftpyruspubiikation Hermes XXX 8. 56ifgg.