Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Eisenstadt, Mussia; Watteau, Antoine [Ill.]
Watteaus Fêtes galantes und ihre Ursprünge — Berlin: Verlag von Bruno Cassirer, 1930

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.68078#0107
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
II. DIE ALLEGORIE DER EROTISCHEN
LEBENS- UND LITERATURFORMEN
IN FRANKREICH
UND IHRE ERSTE BILDFORMALE
GESTALTUNG IN DEN FETES GALANTES
A. Die pastorale Kunst in ihren typischen Beziehungen
zum gesellschaftlichen Leben
1. Die unarkadischen. Lebens- und Kunstformen der
Regence-Generation
Wenn Watteaus frühe pastorale Bilder von der gleichzeitigen
französischen Pastoraldichtung inspiriert wären, so hätte man jetzt die
angenehme Aufgabe, die direkten Verbindungen aufzuzeigen. Leider
aber widersetzt sich das Material dieser übersichtlichen und klaren
Darstellungsmöglichkeit und bereitet dem Parallelen-Suchenden einige
peinliche Enttäuschungen.
Zunächst muß er feststellen, daß die Inspirationshypothese leichter
zu widerlegen als zu beweisen ist. Die „Pastoralpoesie“ am Ende des
17. Jahrhunderts (der Begriff muß möglichst weit gefaßt werden, da
man sonst fast nur Opern- und Ballettlibretti zur Verfügung hätte) ist
ein Wirrwarr kurzatmiger Intrigen und räsonierender Diskussionen
über irgendein erotisches Scheinproblem; die handelnden und debat-
tierenden Personen gehören dem Hirtenstande oder den anderen ver-
wandten Normalberufen des rustikalen Genres an. (Niedere olympische
Götter; Nymphen, Satyrn, Zauberer, Könige und Bauern.) Meist war die
Pastorale Zwischenspiel, Apotheose, Libretto, lyrische Einlage (Mo-
liere!); sie konnte dem Stecher, Bühnenzeichner, Buchillustrator auf-
gefrischte Motive geben, aber sie war kaum fähig, dem Maler der
„fetes galantes“ auch nur eine Anweisung auf ein arkadisches Ideal
zu übermitteln.
Auf das arkadische Ideal aber — die schöne Stilisierung vitaler
Energien — kommt es hier an; auf den Gestaltungswillen, der die un-
übersichtliche Vielfalt der Daseinsformen zu der klaren Bestimmtheit
einer (zwar noch lebensoffenen) Kunstform wandelt; dem die rastlose

85
 
Annotationen