I. ANKNÜPFUNG DER FETES GALANTES
AN DIE BILDFORMALEN TRADITIONEN UND
KUNSTPOLITISCHEN ZIELE FRANKREICHS
V orbemerkungen
1. Die Benennung der ,,fetes galantes“
Die protokollarischen Berichte über die Bewerbung des „sieur
Watteau“ um Aufnahme in die Akademie lauten (30. Juli 1712)1): „La
Compagnie . . . a agree sa presentation. Le sujet de son ouvrage
de reception est laisse ä sa volonte ... Fünf Jahre später
(28. August 1717)2): „... l’Academie s’est assemblee generalle. Le
sieur Antoine Watteau . . . a fait apporter le tableau qui luy avoit ete
ordonnö pour sa reception, representant une feste galante.
L’Academie... a requ ledit sieur Watteau academicien.... en prestant
serment entre les mains de Mr. Coypel ... et de Son A. R. Mons, le
Duc d’Orleans, presidant aujourd’huy ä l’Assemblee.“
Daß das akademische Kollektiv doktrinär, verbohrt, verständnislos
gewesen sei, ist (vor allem außerhalb Frankreichs) gern geglaubte
Überzeugung. Das Verhalten der Academie Watteau gegenüber beweist
das strikte Gegenteil, denn der Vorgang hat sich so abgespielt: 1709
bewirbt sich der gänzlich unbekannte Provinzler um den Rompreis
(der zumeist Akademikersöhnen zugebilligt wurde); er muß sich mit
dem zweiten Preis begnügen, der nur ehrenvolle Nennung, keine Italien-
reise gewährt.
Eine Erklärung für diesen Mißerfolg könnte man in den vorgeschrie-
benen Themen finden: „Die Rückkehr Davids nach der Niederlage
des Goliath“ und „David verzeiht Abigail3)“; für einen lernfreudigen
Akademieschüler ein trefflicher Vorwand muskelgeschwellten Herois-
mus darzustellen, edle kriegerische Leidenschaftsbändigung, Kostüm-
kunde alias Bildung, pathetische Grimasse einer rechtwinklig agieren-
den Menge — kurz, Eignung zum Historienmaler. Eine harte Zu-
mutung dagegen für den fünfundzwanzigjährigen, durch mühsamen
1 Eisenstadt, Watteau
1
AN DIE BILDFORMALEN TRADITIONEN UND
KUNSTPOLITISCHEN ZIELE FRANKREICHS
V orbemerkungen
1. Die Benennung der ,,fetes galantes“
Die protokollarischen Berichte über die Bewerbung des „sieur
Watteau“ um Aufnahme in die Akademie lauten (30. Juli 1712)1): „La
Compagnie . . . a agree sa presentation. Le sujet de son ouvrage
de reception est laisse ä sa volonte ... Fünf Jahre später
(28. August 1717)2): „... l’Academie s’est assemblee generalle. Le
sieur Antoine Watteau . . . a fait apporter le tableau qui luy avoit ete
ordonnö pour sa reception, representant une feste galante.
L’Academie... a requ ledit sieur Watteau academicien.... en prestant
serment entre les mains de Mr. Coypel ... et de Son A. R. Mons, le
Duc d’Orleans, presidant aujourd’huy ä l’Assemblee.“
Daß das akademische Kollektiv doktrinär, verbohrt, verständnislos
gewesen sei, ist (vor allem außerhalb Frankreichs) gern geglaubte
Überzeugung. Das Verhalten der Academie Watteau gegenüber beweist
das strikte Gegenteil, denn der Vorgang hat sich so abgespielt: 1709
bewirbt sich der gänzlich unbekannte Provinzler um den Rompreis
(der zumeist Akademikersöhnen zugebilligt wurde); er muß sich mit
dem zweiten Preis begnügen, der nur ehrenvolle Nennung, keine Italien-
reise gewährt.
Eine Erklärung für diesen Mißerfolg könnte man in den vorgeschrie-
benen Themen finden: „Die Rückkehr Davids nach der Niederlage
des Goliath“ und „David verzeiht Abigail3)“; für einen lernfreudigen
Akademieschüler ein trefflicher Vorwand muskelgeschwellten Herois-
mus darzustellen, edle kriegerische Leidenschaftsbändigung, Kostüm-
kunde alias Bildung, pathetische Grimasse einer rechtwinklig agieren-
den Menge — kurz, Eignung zum Historienmaler. Eine harte Zu-
mutung dagegen für den fünfundzwanzigjährigen, durch mühsamen
1 Eisenstadt, Watteau
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