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Eisenstadt, Mussia; Watteau, Antoine [Ill.]
Watteaus Fêtes galantes und ihre Ursprünge — Berlin: Verlag von Bruno Cassirer, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.68078#0128
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Jedem klassizistischen oder realistischen Geschmack muß die pasto-
rale Literatur und die pastorale Malerei Frankreichs im 17. und 18.
Jahrhundert verhaßt sein.
Mit dem Entstehen einer pastoralen Bildgattung hat sich die Kunst-
wissenschaft selten ernstlich beschäftigt; für diese fachliche Indifferenz
ist Watteaus nie behandeltes Frühwerk ein bezeichnendes Beispiel.
Dagegen ist die pastorale Poesie des 15. bis 18. Jahrhunderts infolge
ihrer stofflichen — richtiger ständischen — Definierbarkeit für kleinere
literarhistorische Untersuchungen, vor allem für Dissertationszwecke,
ein nie versagendes Thema gewesen. Seit dem Ende des 19. Jahr-
hunderts hat sich eine typische Methode herausgebildet: man regi-
striert innerhalb einer bestimmten Gattung die pastoralen Entartungen
mit entsagungsvoller Objektivität in zeitlich-kausaler Ordnung; gibt
als Einleitung und am Schluß ein negatives Werturteil; bedauert etwa
geringe Anlehnung an Theokrit und (für das 18. Jahrhundert) an
Geßner, mangelnde Wirklichkeitstreue, geringes soziales Mitgefühl,
„Naturentfernung“, Vorwiegen einer spielerischen oder affektiv über-
triebenen Erotik.
Die Pastorale scheint, nach diesen zweifelsverschonten und darum
sehr klaren Darstellungen zu urteilen, eine literarische Zeitkrankheit
gewesen zu sein, aber sie war seltsamerweise eine Krankheit in der
Literatur jeder Zeit!
Dagegen ist das mit der schäferlichen Schwärmerei typisch ver-
wandte, ritterliche Ideal in seiner literarischen Gestaltungsform, dem
Ritterroman, von relativ kurzer und fest begrenzbarer Wirkungsdauer
gewesen187).
7. Die pastoralen Stoffe und die Bedeutung eines arkadischen
Ideals in der Poesie und in der Malerei
Ein arkadisches Ideal — das sich nicht ganz mit dem schäferlichen
oder pastoralen deckt, aber allmählich mit ihm verschmilzt188) — ist
in Frankreich bildmäßig wohl zuerst von Poussin gestaltet worden,
in seiner literarischen Formung haben wir es vom 12. Jahrhundert an
verfolgen können; bekanntlich ist es noch im Zeitalter der Aufklärung
wirksam gewesen. Von den arkadischen Formen im gesellschaftlichen
Leben Frankreichs wird noch einiges gesagt werden müssen, denn sie
sind für die Entstehung der „fetes galantes“ nicht weniger wichtig als
die literarischen Vorformen; hier genügt die Feststellung, daß sie im
flämisch-burgundischen Kulturkreis am Hofe Philipps des Kühnen

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