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Bercken, Erich von der; Escher, Konrad
Malerei der Renaissance in Italien ([Band 2]): Die Malerei der Früh- und Hochrenaissance in Oberitalien — Wildpark-Potsdam: Akademische Verlagsgesellschaft Athenaion m.b.H., 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.61915#0038
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DAS GRUPPENBILDNIS

22. Ercole de’ Roberti: Das Konzert. London, National
Gallery


figurenporträts dieses Format. Die Be-
vorzugung des Breitformates hat natürlich
die Ausbildung des Doppel- und Gruppen-
porträts in Oberitalien nicht unwesentlich
gefördert. Weit mehr als in Mittelitalien
ist das Familienbildnis in Oberitalien ge-
pflegt worden, im 15. Jahrhundert vor
allem in Ferrara (wo wir auch die meisten
Frauenbildnisse antreffen, während diese
in jener Zeit in Venedig sehr selten sind).
Eines der eindruckvollsten Werke dieser
Gattung ist das bekannte Bild des Bal-
dassare d’Este in der Münchner Pinako-
thek. Die Einordnung in den Rahmen,
die Art, wie die Gruppe vor einen Vor-
hang gestellt ist, der auf beiden Seiten
einen Ausblick in eine Landschaft mit
Staffage freiläßt, erinnert lebhaft an
gleichzeitige Madonnendarstellungen. Das
bedeutendste Gruppenporträt des 15. Jahr-
hunderts bleibt die große Darstellung
der Familie Gonzaga von Mantegnas
Hand in der Camera degli Sposi zu
Mantua (Abb. 16). Wir treffen hier be-'
reits jene Art freier Bewegung, wie den

novellistischen Zug, dem wir später so häufig bei Tizian begegnen, namentlich in dem Neapeler
Bildnis Pauls III. mit seinen Nepoten. Mantegnas Werk ist ebenso frei von starrer Re-
präsentation, wie von jener fast übermäßigen Vertraulichkeit, die sich zuweilen bei den
holländischen Gruppenbildnissen des 17. Jahrhunderts bemerkbar macht, und wirkt doch
ebenso intim wie würdevoll. Nicht ganz auf gleicher Höhe steht das große Fresko Cossas
im Palazzo Schifanoja zu Ferrara, wo in sehr geschickter Weise die Verherrlichung Borsos I.
von Este (der seinen Hofnarren beschenkt) zur Darstellung eines bedeutenden Gruppen-
bildnisses benutzt ist. Im 16. Jahrhundert werden die Gruppenporträts zahlreicher, beson-
ders Lotto hat Doppelporträts und Gruppen von großem Reiz geschaffen, wie das „Brautpaar“
im Prado und die ihm nahestehende Halbfigurengruppe der „drei Lebensalter“ im Palazzo
Pitti. Viele der „Konzert“-Bilder des 16. Jahrhunderts sind im Grunde nichts anderes als
Gruppenbildnisse, angefangen bei dem berühmten Konzert im Palazzo Pitti, das einen Vor-
läufer in Ercole de’ Robertis Bild der Londoner National Gallery besitzt (Abb. 22), bis zu der
„Musikalischen Unterhaltung“ des Sebastiano Florigerio in der Münchner Pinakothek. Das
glänzendste Beispiel einer derartigen Darstellung aber ist wohl das Bild der Malerfamilie
Bassano in den Uffizien (Abb. 23). Oberitalien besaß in der ersten Hälfte des 16. Jahrhun-
derts eine große Reihe ausgezeichneter Porträtmaler, die oft kaum die ihnen gestellten Aufträge
bewältigen konnten, so Girolamo da Carpi, einen der ersten „Spezialisten“ auf diesem Ge-
biete, Lotto, Caroto, Cavazzola, Moretto, Moroni, Cariani und Previtali, der freilich seine
Bildniskunst vor allem bei Stifterporträts auf seinen sehr geschätzten kleinen Hausandachts-
 
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