XIV.
ZU DEN SiLENSZÜGEN.
Die Überzeugung, dass der Münchner Silenszug von Rubens die bedeutendste Fassung des
bacchischen Bildkreises ist, wird nur verstärkt, wenn man sich Harmacht, wie breit die Basis
bei Rubens selbst und bei anderen Künstlern ist, auf der dieses Werk ruht, das nicht nur die
private Leistung eines flandrischen Malers bleibt, sondern sich zu einer der Gipfelleistungen
-x unseres Abendlandes erhebt.
(Im folgenden setze ich die Beschreibung und Deutung des Münchner Bildes, wie sie von
E. Kieser in seinem Aufsatz Rubens Münchner Silen und seine Vorstufen Münchner
/ahrb. J. biM. Kunst, N. F. 13, 1938-39, S. 185 ff., gegeben worden sind, voraus. Vgl. auch
Evers, Rubens, S. 201-310.)
Wenn die heutige, zweite Fassung des Münchener Silenszuges den Gegensatz und die
Zusammengehörigkeit des Silens und der Paniskin, des über die Erde ragenden Weisen und
des der Erde verhafteten Muttertiers, bringt, so muss man sich darüber klar sein, dass ein solcher
Gegensatz des Männlichen und des Weiblichen an allem Anfang der Darstellungen des
bacchischen Triumphzuges steht : mit Bacchus und Ariadne. Die letzte bedeutende Fassung
des Themas vor Rubens war in Rom zur Zeit von Rubens Aufenthalt dort enstanden, in
der Galeria Farnese des Annibale Carraccih und — einerlei, wieviel oder wie wenig davon auf
Rubens unmittelbar Bezug hat, — um des Themas willen ist es notwendig, mit wenigen
Worten an dieses Deckenbild zu erinnern. Wenn man sieht, welch tiefes Nachsinnen andere
Künstler und Gelehrte an das Thema des Dionysoszuges gesetzt haben, so wird man sich
hüten, etwa bei Rubens, <x dem gelehrtesten Maler aller Zeiten nur ein « animalisches
Triebleben 3> ^ anzunehmen.
Bacchus findet, im Triumph aus Indien heimkehrend, auf Naxos die verlassene Ariadne und
erhebt sie zu seiner Gemahlin. Das ist der Flauptinhalt des Bacchuszuges, wie er schon in
der Antike dargestellt und in der Renaissance wieder aufgenommen wurde. Dabei ergab sich,
ebenfalls schon in der Antike (und von Ovid, Fast. III, 459 genau beschrieben), die bild-
liche Fassung, dass Bacchus, auf einem Wagen oder einem Elefanten ankommend, eine am
Boden liegende Ariadne findet und so mit ihr ein Gegensatzpaar darstellt. Eine der bekann-
testen Fassungen stammt von Perino del Vaga (Abb. 243Ü - rechts liegt Ariadne am Boden
ausgestreckt, bei ihr Amor; links naht sich Bacchus auf seinem Wagen. Sie sind die Flaupt-
figuren, sind aber räumlich sehr weit getrennt. In der Mitte zwischen ihnen wird auf einem
Esel der Silen geführt, der somit der Ariadne näher ist als Bacchus selbst.
hauses, 26, Wien, IQ06-07, S. 40 ff.: H. VOSS, Die Malerei Jes Barock in Rom, T. 168.
2 Ph. CHIFFLET an Ba!t. MORETUS. 6. Juni 1640.
3 R. OLDENBOURG, Rubens, München, 1Q22, S. i68.
ZU DEN SiLENSZÜGEN.
Die Überzeugung, dass der Münchner Silenszug von Rubens die bedeutendste Fassung des
bacchischen Bildkreises ist, wird nur verstärkt, wenn man sich Harmacht, wie breit die Basis
bei Rubens selbst und bei anderen Künstlern ist, auf der dieses Werk ruht, das nicht nur die
private Leistung eines flandrischen Malers bleibt, sondern sich zu einer der Gipfelleistungen
-x unseres Abendlandes erhebt.
(Im folgenden setze ich die Beschreibung und Deutung des Münchner Bildes, wie sie von
E. Kieser in seinem Aufsatz Rubens Münchner Silen und seine Vorstufen Münchner
/ahrb. J. biM. Kunst, N. F. 13, 1938-39, S. 185 ff., gegeben worden sind, voraus. Vgl. auch
Evers, Rubens, S. 201-310.)
Wenn die heutige, zweite Fassung des Münchener Silenszuges den Gegensatz und die
Zusammengehörigkeit des Silens und der Paniskin, des über die Erde ragenden Weisen und
des der Erde verhafteten Muttertiers, bringt, so muss man sich darüber klar sein, dass ein solcher
Gegensatz des Männlichen und des Weiblichen an allem Anfang der Darstellungen des
bacchischen Triumphzuges steht : mit Bacchus und Ariadne. Die letzte bedeutende Fassung
des Themas vor Rubens war in Rom zur Zeit von Rubens Aufenthalt dort enstanden, in
der Galeria Farnese des Annibale Carraccih und — einerlei, wieviel oder wie wenig davon auf
Rubens unmittelbar Bezug hat, — um des Themas willen ist es notwendig, mit wenigen
Worten an dieses Deckenbild zu erinnern. Wenn man sieht, welch tiefes Nachsinnen andere
Künstler und Gelehrte an das Thema des Dionysoszuges gesetzt haben, so wird man sich
hüten, etwa bei Rubens, <x dem gelehrtesten Maler aller Zeiten nur ein « animalisches
Triebleben 3> ^ anzunehmen.
Bacchus findet, im Triumph aus Indien heimkehrend, auf Naxos die verlassene Ariadne und
erhebt sie zu seiner Gemahlin. Das ist der Flauptinhalt des Bacchuszuges, wie er schon in
der Antike dargestellt und in der Renaissance wieder aufgenommen wurde. Dabei ergab sich,
ebenfalls schon in der Antike (und von Ovid, Fast. III, 459 genau beschrieben), die bild-
liche Fassung, dass Bacchus, auf einem Wagen oder einem Elefanten ankommend, eine am
Boden liegende Ariadne findet und so mit ihr ein Gegensatzpaar darstellt. Eine der bekann-
testen Fassungen stammt von Perino del Vaga (Abb. 243Ü - rechts liegt Ariadne am Boden
ausgestreckt, bei ihr Amor; links naht sich Bacchus auf seinem Wagen. Sie sind die Flaupt-
figuren, sind aber räumlich sehr weit getrennt. In der Mitte zwischen ihnen wird auf einem
Esel der Silen geführt, der somit der Ariadne näher ist als Bacchus selbst.
hauses, 26, Wien, IQ06-07, S. 40 ff.: H. VOSS, Die Malerei Jes Barock in Rom, T. 168.
2 Ph. CHIFFLET an Ba!t. MORETUS. 6. Juni 1640.
3 R. OLDENBOURG, Rubens, München, 1Q22, S. i68.