XX.
DER BESUCH VON RUBENS
BEIM HOLLÄNDISCHEN GESANDTEN ALBRECHT JOACHIMI
AM 3. MÄRZ 1630.
Um die politische Auffassung von Rubens zu durchschauen, ist eine sehr genaue Prüfung
seiner Briefe notwendig, da ein so ungewöhnlich Iduger Mensch wie er nicht geradeheraus das
gesagt hat, was er <K charakterlich dachte, sondern das, was unter den gegebenen Umständen
und unter Berücksichtigung des Briefempfängers den für den Augenblick erwünschten Erfolg
haben konnte. Unter den von Rubens geführten Verhandlungen ist der Besuch bei dem hol-
ländischen Gesandten Albrecht Joachimi, der am 3. März 1630 in London stattfand, besonders
aufschlussreich, aber auch besonders hintergründig, weshalb die genaue Übersetzung und die
Deutung der beiden vorliegenden Berichte hier gegeben wird.
Rubens geheimes, aber unbeirrt verfolgtes Ziel war, zwischen den südlichen (katholischen,
spanischen) Niederlanden und den nördlichen (protestantischen, freien) Niederlanden einen
Friedenszustand oder wenigstens einen Waffenstillstand herzustellen. Da er auf dem Wege
direkter Unterhandlungen nicht zum Ziel gekommen war, hatte er den Umweg über die
« grosse Politik gewählt, und war als bevollmächtigter Sekretär, in einem Rang etwas über
demjenigen der üblichen Agenten, etwas unter demjenigen eines wirklichen Ministers, im
Auftrag des Königs von Spanien an den Hof des Königs von England gegangen, um den
Frieden zwischen England und Spanien zu vermitteln : in der persönlichen Absicht, auf diese
Weise die Holländer zu isolieren, und sie durch die Hilfe des englischen Königs zu einem
Friedensschluss mit Spanien geneigter zu machen.
Denn zwischen England und Holland bestanden (vor allem durch einen von dem Herzog
von Buckingham am 14. Dezember 1625 im Haag abgeschlossenen Vertrag, den Rubens genau
kannte) vertragliche Abmachungen, denen zufolge keiner der beiden Staaten allein mit Spanien
Frieden schliessen oder auch nur Unterhandlungen führen sollte. Diese vertraglichen Abma-
chungen spielten während der ganzen Unterhandlungen von Rubens eine in seinen Briefen
immer wieder belegte Rolle. Der König von England glaubte seinen Verpflichtungen genügt
zu haben, indem er die Holländer stets auf dem Laufenden hielt; die Holländer dagegen, die
weder für sich noch vollends für die Engländer einen Frieden mit Spanien wollten, beharrten
bei ihrer Auffassung, dass die Bestimmungen des Vertrages einen Sonderfrieden und überhaupt
schon Sonderunterhandlungen verböten. Das Interesse, das die Holländer hatten, zwischen
Spanien und England keinen Friedenszustand hergestellt zu sehen, liegt auf der Hand.
Holländischer Gesandter in London war seit 1625 (bis 1630 I) der Seeländer Albrecht
Joachimi. Herr von Ostende und Hoedekenskerke, geboren 1560 in Goes, ein oft erprobter,
ungewöhnlich fähiger Staatsmann, der zu der Generation von Männern gehörte, die den
Aufstieg der freien Niederlande zur europäischen Grossmacht durchsetzte. Joachimi bekam
von seiner Regierung den ausdrücklichen Auftrag, die Verhandlungen von Rubens nach
Möglichkeit zu durchkreuzen, und <K versäumte keine Gelegenheit, den Herren vorzustellen,
DER BESUCH VON RUBENS
BEIM HOLLÄNDISCHEN GESANDTEN ALBRECHT JOACHIMI
AM 3. MÄRZ 1630.
Um die politische Auffassung von Rubens zu durchschauen, ist eine sehr genaue Prüfung
seiner Briefe notwendig, da ein so ungewöhnlich Iduger Mensch wie er nicht geradeheraus das
gesagt hat, was er <K charakterlich dachte, sondern das, was unter den gegebenen Umständen
und unter Berücksichtigung des Briefempfängers den für den Augenblick erwünschten Erfolg
haben konnte. Unter den von Rubens geführten Verhandlungen ist der Besuch bei dem hol-
ländischen Gesandten Albrecht Joachimi, der am 3. März 1630 in London stattfand, besonders
aufschlussreich, aber auch besonders hintergründig, weshalb die genaue Übersetzung und die
Deutung der beiden vorliegenden Berichte hier gegeben wird.
Rubens geheimes, aber unbeirrt verfolgtes Ziel war, zwischen den südlichen (katholischen,
spanischen) Niederlanden und den nördlichen (protestantischen, freien) Niederlanden einen
Friedenszustand oder wenigstens einen Waffenstillstand herzustellen. Da er auf dem Wege
direkter Unterhandlungen nicht zum Ziel gekommen war, hatte er den Umweg über die
« grosse Politik gewählt, und war als bevollmächtigter Sekretär, in einem Rang etwas über
demjenigen der üblichen Agenten, etwas unter demjenigen eines wirklichen Ministers, im
Auftrag des Königs von Spanien an den Hof des Königs von England gegangen, um den
Frieden zwischen England und Spanien zu vermitteln : in der persönlichen Absicht, auf diese
Weise die Holländer zu isolieren, und sie durch die Hilfe des englischen Königs zu einem
Friedensschluss mit Spanien geneigter zu machen.
Denn zwischen England und Holland bestanden (vor allem durch einen von dem Herzog
von Buckingham am 14. Dezember 1625 im Haag abgeschlossenen Vertrag, den Rubens genau
kannte) vertragliche Abmachungen, denen zufolge keiner der beiden Staaten allein mit Spanien
Frieden schliessen oder auch nur Unterhandlungen führen sollte. Diese vertraglichen Abma-
chungen spielten während der ganzen Unterhandlungen von Rubens eine in seinen Briefen
immer wieder belegte Rolle. Der König von England glaubte seinen Verpflichtungen genügt
zu haben, indem er die Holländer stets auf dem Laufenden hielt; die Holländer dagegen, die
weder für sich noch vollends für die Engländer einen Frieden mit Spanien wollten, beharrten
bei ihrer Auffassung, dass die Bestimmungen des Vertrages einen Sonderfrieden und überhaupt
schon Sonderunterhandlungen verböten. Das Interesse, das die Holländer hatten, zwischen
Spanien und England keinen Friedenszustand hergestellt zu sehen, liegt auf der Hand.
Holländischer Gesandter in London war seit 1625 (bis 1630 I) der Seeländer Albrecht
Joachimi. Herr von Ostende und Hoedekenskerke, geboren 1560 in Goes, ein oft erprobter,
ungewöhnlich fähiger Staatsmann, der zu der Generation von Männern gehörte, die den
Aufstieg der freien Niederlande zur europäischen Grossmacht durchsetzte. Joachimi bekam
von seiner Regierung den ausdrücklichen Auftrag, die Verhandlungen von Rubens nach
Möglichkeit zu durchkreuzen, und <K versäumte keine Gelegenheit, den Herren vorzustellen,