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Evers, Hans Gerhard; Rubens, Peter Paul [Hrsg.]
Rubens und sein Werk: neue Forschungen — Bruessel, 1944

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https://doi.org/10.11588/diglit.29108#0212
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XV.

RAUB DER TOCHTER DES LEUKIPPOS.

Die Entführung der Töchter des Leuhippos durch die Dioshuren Kastor und PoHux ist in
der Renaissancemaferei selten. Rubens honnte die Sage sowohl aus der Literatur * hennen, wo
das Sternwesen der Götterjünglinge behandelt ist, afs auch aus antihen Sarhophagrefiefs auf
denen sie dargesteHt ist. Aber in beiden Vorbildern honnte Rubens nur den Mythus, nicht
seine Bildgruppe finden. Denn auf den Reliefs sind die Jünglinge entweder zu Fuss abge-
bildet, einander gegengleich, und jeder sein geraubtes Mädchen tragend, oder zu Wagen,
wiederum gegengleich, und die Geraubten davonfahrend. Das Thema des Mädchenraubs zu
Wagen hatte Rubens im Bilde von Pluto und Proserpina behandelt. Bei Cartari dagegen
sind die Jünglinge zwar zu Pferde abgebildet, (unter Anlehnung an Münzbilder), aber ohne
weitere Gestalten und ohne Raub.
Nicht einmal für die Entführung, geschweige denn für den Baugedanhen der Bifdgruppe
honnte Rubens also in den antihen Quellen eine Anregung finden, da das Wesentliche seines
Leuhippidenraubs auf der Entführung durch Reiter, nicht durch Wagen beruht. Aber neben
der Sage von den Leuhippiden hommen ähnliche Entführungen und Gewalttaten in Betracht,
und neben der Antihe die neuen Schöpfungen der Renaissance.
Es gibt einen italienischen Kupferstich von Enea Vico, von 1342 (Abb. 262), nach einer
Zeichnung, afs deren Verfasser entweder Rosso oder Safviati angegeben wird. Wefcher Frauen-
raub darin gemeint ist, bfeibt unfdar. Es wird die Entführung der Hippodameia genannt, dem
widerspricht, dass heine Kentauren, sondern Reiter dargesteift sind. Man hönnte an den Leuhip-
pidenraub selbst denhen, dem widerspricht, dass nur ein Mädchen geraubt wird. Die Kompo-
sition hat zwei ganz verschiedene Hälften : eine rechte, die wesentlich waagerecht angeordnet
ist, durch Tisch, Landschaft und Baldachin; und eine Iinhe, im wesentlichen senhrecht gebaut,
in der die Entführung selbst geschildert ist. Dargestefft sind zwei Pferde. Von dem einen
beugt sich der Reiter nieder, um eine sich sträubende Frau heraufzuziehen. Diese wird durch
einen auf der Erde stehenden bärtigen Mann dem Reiter zugetragen. Unfdar wird die Hand-
lung durch einen behränzten Faunshopf neben dem Gesicht des Mädchens, zu dem, ausser dem
Oberarm, heinerlei Körper vorhanden ist. Hier muss der Stecher seine Vorlage missverstanden
haben, oder es muss irgendein mythischer Kopf, eine Verhörperung des <x heissen Begehrens ^
gemeint sein. Ebenfalls unfdar ist die Gestalt des zweiten Reiters, dessen Sitz auf dem Pferde
rechts von dem bärtigen Kopf erhennbar ist, dessen Mante! hoch neben dem Pferdehopf flattert,
und der sich finhs vom Pferdehafs ebenfalls nach unten beugt, mit ausgestrechtem Arm, der
über dem behränzten Haar des Fauns sichtbar zu sein scheint. Was sucht dieser Reiter dort ?
Ist dort ein zweites Mädchen, die andere Leuhippide, anzunehmen ? Oder (da vorne Iinhs ein
Pferdeführer noch zu nennen ist) hat dieser zweite Reiter nur die Aufgabe, das Pferd zu haften?
Jedenfalls würde Rubens (vorausgesetzt, er hätte diesen Stich bei seinem Leuhippidenraub vor

1 Vincenzo CARTARf, Le imagtni Jei Jei äegfi Aaticfti, Venezia, f i, S. 184, zweite Auftage, Pactua, 1626, S. ! 5Q.
2 Car! ROBERT, Die antiken SnrLoptmgrefiefs, !H. 2, S. 220 ff.
 
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