Herzog und Koch.
sprachen war, mir den Worten ad: .Der Herr Schwager wird
Dir Alles sagen."
Caroline wandte den fragenden Blick von ihrem Manne
zu Bruder Philipp. Dieser, der Wichtigkeit seines Auftrags
sich genugsam bewußt, räusperte sich, nahm die gehörige Positur
an und begann: „Ja. es gehen wunderbare Dinge in der Welt
vor. von denen man keine Ahnung hat. die man unmöglich
glauben würde, wenn mau sie nicht selbst erlebte." Rach diesem
pathetischen Eingänge machte er seine Schwester mit ihrem
Glücke bekannt, wies darauf hin. wie viel jetzt von ihrem klu-
gen Benehmen abhinge und sprach schlüßlich die Hoffnung aus.
daß sie so handeln werde, wie es der Schivester eines Ehren-
mannes (damit meinte er sich!) und der Frau eines herzoglichen
Kochs zukomme." Bei der Erzählung der Erlebniffe Müllers am
heutigen Tage übertrieb der wackre Mann einiges, andres log
er hinzu, wahrscheinlich in der löblichen Absicht, um auf seine
Schwester einen desto stärkern Eindruck hervorzubringcn. Der
gute Christian bemerkte indeß gar nicht, was ihm sein Herr
Schwager im Pflichteifer alles andichtete. Er sprach kein Wort,
sondern saß stumm seiner Frau gegenüber und hielt sein Auge
auf ihr Gesicht geheftet, um zu beobachten, wie sie die Sache
aufnehmen werde. Zu seiner unendlichen Bestürzung mußte er
die Entdeckung machen, daß seine Frau dies durchaus nicht in
der gewünschten Weise that. Er hatte sich der süßen Erwar-
tung hingegeben, sie werde erschrecken über den Schimpf, sich
erzürnen, außer sich sein, weinen. Nichts von alle dem geschah,
oder vielmehr das Gegentheil zeigte sich. Ihr Gesicht verlor
nach und nach die Spuren der vorhergehenden unangenehmen
Gemüthsbewegungen; es ward immer Heller; beim weitern Fort-
gang der Erzählung blickte sie von ihrer Arbeit auf. ihrem Bru^
der mit freundlich lächelnden Augen ins Gesicht und endlich,
als Bruder Philipp an ihre Ambition appellirte — lachte sie
ganz lustig. Das war zu viel für den unglückseligen Müller.
Er murmelte einen schweren Fluch, schlug sich vor die Stirne
und eilte spornstreichs, ohne Gruß, ins Schlafzimmer. Bruder
Philipp war ebenfalls verblüfft über den unerwarteten Erfolg
seines Vortrags, bei welchem er. wie er sich gestand, sein äußer-
stes gethan hatte. Er machte noch einige schwache Versuche,
gewichtige Bemerkungen und heilsame Rathschläge an Mann zu
bringen, allein da ihm nicht entgehen konnte (obgleich er das
Räthsel durchaus nicht begriff), daß je ernster er redete, seine
Schwester desto lustiger ward, so trollte er sich endlich und gab
sich auf dem Nachhauseweg allerlei Betrachtungen über vas
„närrische Weibervolk" hin.
Der herzogliche Mundkoch schien eine schlechte Nacht zu
haben. Seine Frau hörte ihn stöhnen und sich im Bette um-
herwerfen. Sie fragte ihn theilnehmend, was ihm fehle, erhielt
aber keine Antwort; als sie dringend forschte, erwiderte er ein
kurzes: „Nichts." Was sollte die arme Frau da machen? Sie
that das Beste in derlei Fällen; sie drehte sich um und schlief.
Die üble Laune ihres Gatten schien auch auf den folgenden
Tag übergegangen zu sein. Beim Kaffeetrinken, wo sonst der
gemüthlichste Verkehr zwischen dem Ehepaare stattgefunden hatte,
war er einsylbig und verdroffen. Caroline suchte ihn durch
147
allerhand Gespräch zu erheitern, keine Saite schlug bei ihm
an; sie griff zum äußersten Mittel, sie erzählte ihm von ihren
Kindern, um ihn zu erheitern. Aber da ward er erst recht ver-
drießlich. Er brach kurz ab. sagte seiner Frau ein trockne-Adieu,
beachtete die Begrüßungen der Kleinen gar nicht und ging fort
in seine Küche, eine volle Stunde früher als gewöhnlich. ■ Als
er Mm Hause hinaus war. öffnete Caroline das Fenster und
sah ihm nach, so weit es ging. Was ahnte sie wohl? Ein
Gott wäre derjenige zu nennen, welcher alle Gedanken eines
Menschenherzens, zumal eines weiblichen, erriethe. Durch sein
frühes Kommen, das wirklich unerhört und nie da gewesen
war, erschreckte und überraschte er die Küchenjungen, die aller- ,
Hand Narrenspossen in der vollkommensten Sicherheit trieben.
Aber im Verlauf der Stunden setzte er sie durch sein Beneh-
men in ein anhaltendes Erstaunen. Wie! war das Herr Mül-
ler. der heitre scherzhafte Mann, der es liebte, bei der Arbeit
selbst einen Witz zu machen oder ihn von andern zu hören?
Ter stille verschloffne Mann konnte unmöglich ihr Herr sein,
der allen so viel als möglich aus dem Wege ging und die
nöthigsten Anordnungen mit schwankender unsichrer Stimmung
gab. Das Küchenpersonal wechselte erstaunte Blicke mit einan-
der. Ja, er war es selbst, der Unglückliche! Der Groll gegen
seine Frau und gegen die ganze Welt hatte nach einigen Stun-
den einer weichen. wehmüthigen Stimmung Platz gemacht.
Während er mit Quirl und Löffel in den Töpfen und Casse-
rols rührte, dachte er an alle seligen Stunden, die er im Bunde
mit seiner Gattin verlebt hatte und deren Süßigkeit durch das
schreckliche Gefühl ihres ewigen Verschwindens und Niewiedcr-
kommens verbittert ward. Ihm selbst unbewußt tropfte eine
Thräne nach der andern in die Töpfe hinein.
So verlief die Zeit in bittersüßer Qual. Während der
Tafel schickte der Hofmarschall einen Lakaien mit der Boffchaft
an den Mundkoch ab. Sereniffimus hätten geruht. Ihre aller-
höchste besoudre Zufriedenheit mit den heutigen Leistungen des
Kochs auszusprechen. Was ihn sonst glückselig gemacht hätte,
die Anerkennung seiner Kunst, rührte ihn jetzt nicht. Gerade 1
heute hatte er seiner Ansicht nach, nichts geleistet; er hatte sich
gar keine Mühe gegeben. Er konnte selbst nicht begreifen, wie
das gekommen war. War es ein gütiger Dämon, der ihn be-
günstigte. wie weiland Rolands tapfere Knappen mit dem Tel-
lertüchlein? Ja, es war Zauber dabei. Die Thränen. die der
arme Koch seinem verlornen Glücke nachgeweint und welche in
die Töpfe gefallen waren, gaben den Speisen des Herzogs eine
wollüstige Würze; sie mußten ihm schmecken.
Es war schon ziemlich spät geworden. Der Koch säumte
und zögerte; es ging ihm heute nichts von der Hand. Warum
hätte er sich auch beeilen sollen? Was sollte er zu Hause? Er
scheute sich. seine Frau zu sehen; sie hatte ihn ja in seinem
Jammer verspottet und verlacht. Doch plötzlich packte ihn eine
ungeheure Angst. Was war das? Es zog ihn wie mit magi-
schen Banden nach Hause. Er wollte eben schnell zusammen-
packen und aufbrechen, als er zur „Excellenz" gerufen ward.
Unwillig und nur mit Widerstreben folgte er dem Rufe.
Die ganze wichtige Mittheilung, welche der Oberhofmarschall •
la*
sprachen war, mir den Worten ad: .Der Herr Schwager wird
Dir Alles sagen."
Caroline wandte den fragenden Blick von ihrem Manne
zu Bruder Philipp. Dieser, der Wichtigkeit seines Auftrags
sich genugsam bewußt, räusperte sich, nahm die gehörige Positur
an und begann: „Ja. es gehen wunderbare Dinge in der Welt
vor. von denen man keine Ahnung hat. die man unmöglich
glauben würde, wenn mau sie nicht selbst erlebte." Rach diesem
pathetischen Eingänge machte er seine Schwester mit ihrem
Glücke bekannt, wies darauf hin. wie viel jetzt von ihrem klu-
gen Benehmen abhinge und sprach schlüßlich die Hoffnung aus.
daß sie so handeln werde, wie es der Schivester eines Ehren-
mannes (damit meinte er sich!) und der Frau eines herzoglichen
Kochs zukomme." Bei der Erzählung der Erlebniffe Müllers am
heutigen Tage übertrieb der wackre Mann einiges, andres log
er hinzu, wahrscheinlich in der löblichen Absicht, um auf seine
Schwester einen desto stärkern Eindruck hervorzubringcn. Der
gute Christian bemerkte indeß gar nicht, was ihm sein Herr
Schwager im Pflichteifer alles andichtete. Er sprach kein Wort,
sondern saß stumm seiner Frau gegenüber und hielt sein Auge
auf ihr Gesicht geheftet, um zu beobachten, wie sie die Sache
aufnehmen werde. Zu seiner unendlichen Bestürzung mußte er
die Entdeckung machen, daß seine Frau dies durchaus nicht in
der gewünschten Weise that. Er hatte sich der süßen Erwar-
tung hingegeben, sie werde erschrecken über den Schimpf, sich
erzürnen, außer sich sein, weinen. Nichts von alle dem geschah,
oder vielmehr das Gegentheil zeigte sich. Ihr Gesicht verlor
nach und nach die Spuren der vorhergehenden unangenehmen
Gemüthsbewegungen; es ward immer Heller; beim weitern Fort-
gang der Erzählung blickte sie von ihrer Arbeit auf. ihrem Bru^
der mit freundlich lächelnden Augen ins Gesicht und endlich,
als Bruder Philipp an ihre Ambition appellirte — lachte sie
ganz lustig. Das war zu viel für den unglückseligen Müller.
Er murmelte einen schweren Fluch, schlug sich vor die Stirne
und eilte spornstreichs, ohne Gruß, ins Schlafzimmer. Bruder
Philipp war ebenfalls verblüfft über den unerwarteten Erfolg
seines Vortrags, bei welchem er. wie er sich gestand, sein äußer-
stes gethan hatte. Er machte noch einige schwache Versuche,
gewichtige Bemerkungen und heilsame Rathschläge an Mann zu
bringen, allein da ihm nicht entgehen konnte (obgleich er das
Räthsel durchaus nicht begriff), daß je ernster er redete, seine
Schwester desto lustiger ward, so trollte er sich endlich und gab
sich auf dem Nachhauseweg allerlei Betrachtungen über vas
„närrische Weibervolk" hin.
Der herzogliche Mundkoch schien eine schlechte Nacht zu
haben. Seine Frau hörte ihn stöhnen und sich im Bette um-
herwerfen. Sie fragte ihn theilnehmend, was ihm fehle, erhielt
aber keine Antwort; als sie dringend forschte, erwiderte er ein
kurzes: „Nichts." Was sollte die arme Frau da machen? Sie
that das Beste in derlei Fällen; sie drehte sich um und schlief.
Die üble Laune ihres Gatten schien auch auf den folgenden
Tag übergegangen zu sein. Beim Kaffeetrinken, wo sonst der
gemüthlichste Verkehr zwischen dem Ehepaare stattgefunden hatte,
war er einsylbig und verdroffen. Caroline suchte ihn durch
147
allerhand Gespräch zu erheitern, keine Saite schlug bei ihm
an; sie griff zum äußersten Mittel, sie erzählte ihm von ihren
Kindern, um ihn zu erheitern. Aber da ward er erst recht ver-
drießlich. Er brach kurz ab. sagte seiner Frau ein trockne-Adieu,
beachtete die Begrüßungen der Kleinen gar nicht und ging fort
in seine Küche, eine volle Stunde früher als gewöhnlich. ■ Als
er Mm Hause hinaus war. öffnete Caroline das Fenster und
sah ihm nach, so weit es ging. Was ahnte sie wohl? Ein
Gott wäre derjenige zu nennen, welcher alle Gedanken eines
Menschenherzens, zumal eines weiblichen, erriethe. Durch sein
frühes Kommen, das wirklich unerhört und nie da gewesen
war, erschreckte und überraschte er die Küchenjungen, die aller- ,
Hand Narrenspossen in der vollkommensten Sicherheit trieben.
Aber im Verlauf der Stunden setzte er sie durch sein Beneh-
men in ein anhaltendes Erstaunen. Wie! war das Herr Mül-
ler. der heitre scherzhafte Mann, der es liebte, bei der Arbeit
selbst einen Witz zu machen oder ihn von andern zu hören?
Ter stille verschloffne Mann konnte unmöglich ihr Herr sein,
der allen so viel als möglich aus dem Wege ging und die
nöthigsten Anordnungen mit schwankender unsichrer Stimmung
gab. Das Küchenpersonal wechselte erstaunte Blicke mit einan-
der. Ja, er war es selbst, der Unglückliche! Der Groll gegen
seine Frau und gegen die ganze Welt hatte nach einigen Stun-
den einer weichen. wehmüthigen Stimmung Platz gemacht.
Während er mit Quirl und Löffel in den Töpfen und Casse-
rols rührte, dachte er an alle seligen Stunden, die er im Bunde
mit seiner Gattin verlebt hatte und deren Süßigkeit durch das
schreckliche Gefühl ihres ewigen Verschwindens und Niewiedcr-
kommens verbittert ward. Ihm selbst unbewußt tropfte eine
Thräne nach der andern in die Töpfe hinein.
So verlief die Zeit in bittersüßer Qual. Während der
Tafel schickte der Hofmarschall einen Lakaien mit der Boffchaft
an den Mundkoch ab. Sereniffimus hätten geruht. Ihre aller-
höchste besoudre Zufriedenheit mit den heutigen Leistungen des
Kochs auszusprechen. Was ihn sonst glückselig gemacht hätte,
die Anerkennung seiner Kunst, rührte ihn jetzt nicht. Gerade 1
heute hatte er seiner Ansicht nach, nichts geleistet; er hatte sich
gar keine Mühe gegeben. Er konnte selbst nicht begreifen, wie
das gekommen war. War es ein gütiger Dämon, der ihn be-
günstigte. wie weiland Rolands tapfere Knappen mit dem Tel-
lertüchlein? Ja, es war Zauber dabei. Die Thränen. die der
arme Koch seinem verlornen Glücke nachgeweint und welche in
die Töpfe gefallen waren, gaben den Speisen des Herzogs eine
wollüstige Würze; sie mußten ihm schmecken.
Es war schon ziemlich spät geworden. Der Koch säumte
und zögerte; es ging ihm heute nichts von der Hand. Warum
hätte er sich auch beeilen sollen? Was sollte er zu Hause? Er
scheute sich. seine Frau zu sehen; sie hatte ihn ja in seinem
Jammer verspottet und verlacht. Doch plötzlich packte ihn eine
ungeheure Angst. Was war das? Es zog ihn wie mit magi-
schen Banden nach Hause. Er wollte eben schnell zusammen-
packen und aufbrechen, als er zur „Excellenz" gerufen ward.
Unwillig und nur mit Widerstreben folgte er dem Rufe.
Die ganze wichtige Mittheilung, welche der Oberhofmarschall •
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