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Der befte poet.
Da trat just Evi vor's paus, das schmucke, frische wirts-
töchterl.
„Evi soll es fein 1" entschied Ella unter allgemeinem Bravo.
. . „Und sie soll auch selbst den Würdigsten bezeichnen, daß
jeder Vorwurf der Parteilichkeit von vornherein entfällt! . . .
Also, meine perren, auf Wiedersehen in einer Stunde und, was
Sie schaffen, sei kurz, gut und überraschend I"
Die Beteiligten verbeugten sich und verschwanden, heitere
Spannung und lebhafte Neugier bei den Zurückgebliebenen
hinterlassend. Ulan beglückwünschte Ella zu dem lustigen Ein-
fall, der einen fröhlichen Abend und vielleicht auch eine launige
Niederlage Leos versprach, wenn schon manche seiner schalk-
haften Schlauheit einen gelungenen Trick zutrauten. Ella frei-
lich hoffte heiß, sie könnte einmal über ihn triumphieren,
denn sie liebte ihn insgeheim, und der leichte spöttische Ton,
unter dem sie seine Gefühle nicht klar erkannte, ärgerte und ver-
stimmte sie.
. . . Rasch war die Stunde um. Die Preisbewerber traten
an. Man holte auch Evi herbei.
Zuerst ließ sich Professor vr.
Maz>er vernehmen:
„Lva — so nannte die Mutter de- irdi-
schen Menschengeschlechts sich,
so nennt sich die Maid, die uns hier müt-
terlich pflegt.
Jene bot Adam dereinst nnr den wenig bekömm-
lichen Apfel.
Diese spendiert uns dazu Reh und Forelle und
Huhn."
Freundlicher Beifall lohnte den Distichon-
Autor, wenn auch sein Kol-
lege Dr. Müller, der im
pintergrunde mitskandiert hatte, etwas von fal-
schen Versfüßen murmelte.
Dann deklamierte Assessor von Krause:
„Der Abend glüht, die Bergesgipfel
Umträumt der Sonne letztes Licht.
Ls strahlt mit rosenroten Wangen
Der Firnenkönigin Angesicht.
Doch mehr als ihre kurze Schönheit,
Die schnell versinkt in finst're Nacht,
Lob' ich mir das Gesichtchen Lvi's,
Das stets und allzeit fröhlich lacht!"
„Famos!" — „BravoI" hieß es. Nur Dr. Müller meinte:
„Finst're Nacht - stets und allzeit — lauter hölzernes
„Wer kredenzt des Rheinweins perle
Und den bajuwar'schen Trank?
Wer eilt Morgen-, Mittags, Abends
Immer unser»! Durst zu Dank?
Lvi ist's, die kleine Lvi,
Seehaus-pebe, Göttermaid!
Ihr darum aus ganzer Seele
Sei ein volles Glas geweiht!"
„prosit! poch!" stimmte die Runde
ein; bloß Dr. Müller grollte: „Maid —
geweiht — nette Reime das I"
pofschauspieler Samson trug darauf
vor:
„Süßes Lverl!
Zuckerkäferl!
willst inir nimmer
Aus 'm Sinn!
Sag', liab's Schatzerl,
paft D' koa' platzcrl
Mehr für nri'
Im perzerl drin?"
„Na, das ist Natur!" — ,Wolks-
dichter heraus I" schallte es lustig und
übertönte Müllers Linwand: „Everl —
Käfer! — Schatzerl — platzerl — per-
zerl — scheußlich diese Diminutivs I"
Noch manch' ein Kämpe trat vor
die Jury — nur einer nicht, den Ella mit immer längerem Ge-
sichte erwartete, und so sagte sie denn endlich etwas gezwungen:
„Na, Evi, jetzt laß hören — wer hat's am besten gemacht?"
Das Wirtstöchterl sah von einem zum anderen, blickte
dann suchend um, lachte Leo ins Gesicht, der dort im pinter-
grund stand, verbarg den Kopf schamhaft in der Schürze und
kicherte.
„Ah, perr Leutnant", rief Ella pikiert, „Evi scheint sich von
Ihnen das beste poetische Erzeugnis zu erwarten — darf ich
bitten? I"
Achselzucken? trat er vor. „verzeihen, Gnädigste — habe
keine Verse zustande gebracht — Furcht vor so erlauchten Kon-
kurrenten — habe das Evi auch schon mitgeteilt..."
„Aber sie scheint trotzdem Sie für den besten poeten zu
halten!" entgegnete Ella verblüfft. „Ist's nicht so, Lvi? . .
Was hat denn der perr Leutnant zu Dir gesagt?"
Der befte poet.
Da trat just Evi vor's paus, das schmucke, frische wirts-
töchterl.
„Evi soll es fein 1" entschied Ella unter allgemeinem Bravo.
. . „Und sie soll auch selbst den Würdigsten bezeichnen, daß
jeder Vorwurf der Parteilichkeit von vornherein entfällt! . . .
Also, meine perren, auf Wiedersehen in einer Stunde und, was
Sie schaffen, sei kurz, gut und überraschend I"
Die Beteiligten verbeugten sich und verschwanden, heitere
Spannung und lebhafte Neugier bei den Zurückgebliebenen
hinterlassend. Ulan beglückwünschte Ella zu dem lustigen Ein-
fall, der einen fröhlichen Abend und vielleicht auch eine launige
Niederlage Leos versprach, wenn schon manche seiner schalk-
haften Schlauheit einen gelungenen Trick zutrauten. Ella frei-
lich hoffte heiß, sie könnte einmal über ihn triumphieren,
denn sie liebte ihn insgeheim, und der leichte spöttische Ton,
unter dem sie seine Gefühle nicht klar erkannte, ärgerte und ver-
stimmte sie.
. . . Rasch war die Stunde um. Die Preisbewerber traten
an. Man holte auch Evi herbei.
Zuerst ließ sich Professor vr.
Maz>er vernehmen:
„Lva — so nannte die Mutter de- irdi-
schen Menschengeschlechts sich,
so nennt sich die Maid, die uns hier müt-
terlich pflegt.
Jene bot Adam dereinst nnr den wenig bekömm-
lichen Apfel.
Diese spendiert uns dazu Reh und Forelle und
Huhn."
Freundlicher Beifall lohnte den Distichon-
Autor, wenn auch sein Kol-
lege Dr. Müller, der im
pintergrunde mitskandiert hatte, etwas von fal-
schen Versfüßen murmelte.
Dann deklamierte Assessor von Krause:
„Der Abend glüht, die Bergesgipfel
Umträumt der Sonne letztes Licht.
Ls strahlt mit rosenroten Wangen
Der Firnenkönigin Angesicht.
Doch mehr als ihre kurze Schönheit,
Die schnell versinkt in finst're Nacht,
Lob' ich mir das Gesichtchen Lvi's,
Das stets und allzeit fröhlich lacht!"
„Famos!" — „BravoI" hieß es. Nur Dr. Müller meinte:
„Finst're Nacht - stets und allzeit — lauter hölzernes
„Wer kredenzt des Rheinweins perle
Und den bajuwar'schen Trank?
Wer eilt Morgen-, Mittags, Abends
Immer unser»! Durst zu Dank?
Lvi ist's, die kleine Lvi,
Seehaus-pebe, Göttermaid!
Ihr darum aus ganzer Seele
Sei ein volles Glas geweiht!"
„prosit! poch!" stimmte die Runde
ein; bloß Dr. Müller grollte: „Maid —
geweiht — nette Reime das I"
pofschauspieler Samson trug darauf
vor:
„Süßes Lverl!
Zuckerkäferl!
willst inir nimmer
Aus 'm Sinn!
Sag', liab's Schatzerl,
paft D' koa' platzcrl
Mehr für nri'
Im perzerl drin?"
„Na, das ist Natur!" — ,Wolks-
dichter heraus I" schallte es lustig und
übertönte Müllers Linwand: „Everl —
Käfer! — Schatzerl — platzerl — per-
zerl — scheußlich diese Diminutivs I"
Noch manch' ein Kämpe trat vor
die Jury — nur einer nicht, den Ella mit immer längerem Ge-
sichte erwartete, und so sagte sie denn endlich etwas gezwungen:
„Na, Evi, jetzt laß hören — wer hat's am besten gemacht?"
Das Wirtstöchterl sah von einem zum anderen, blickte
dann suchend um, lachte Leo ins Gesicht, der dort im pinter-
grund stand, verbarg den Kopf schamhaft in der Schürze und
kicherte.
„Ah, perr Leutnant", rief Ella pikiert, „Evi scheint sich von
Ihnen das beste poetische Erzeugnis zu erwarten — darf ich
bitten? I"
Achselzucken? trat er vor. „verzeihen, Gnädigste — habe
keine Verse zustande gebracht — Furcht vor so erlauchten Kon-
kurrenten — habe das Evi auch schon mitgeteilt..."
„Aber sie scheint trotzdem Sie für den besten poeten zu
halten!" entgegnete Ella verblüfft. „Ist's nicht so, Lvi? . .
Was hat denn der perr Leutnant zu Dir gesagt?"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der beste Poet"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1908
Entstehungsdatum (normiert)
1903 - 1913
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 128.1908, Nr. 3258, S. 14
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg