Bier und zwanzig Stunden auf dem Stuss enberge.
i ten. Ein junges Mädchen, das dem äußern Anscheine nach
! wenig von einer Schenkmamsell in einem Gasthofe zu haben,
! vielmehr den höhern Ständen anzugehören schien, trat in's
Zimmer, deckte den Tisch und wünschte uns freundlich guten
Appetit. Unserer Aller Blicke waren starr vor Staunen. Ein
. solches bildschönes, anmuthiges Mädchen, eine solche hebeartige
Erscheinung hatten wir noch nicht gesehen, und hier in einem
Wirthshause! Mit dem freundlichsten Ausdruck ihrer Augen
und ihrer Stimme grüßte sie uns. Leider erstarb uns allen
vor Ueberraschung das Wort auf der Zunge, so daß Keiner
eher daran dachte, sie freundlich anzureden, als bis sie mit
freundlichem Gruße wieder verschwunden war. „Welch' eine
liebliche Erscheinung!" rief ich in Extase aus, als sie das
Zimmer wieder verlassen. — „Ta seht Ihr den frivolen
Heiden!" entgegnete der fromme Kräuselfritz; „Er weiß nicht,
ob das Mädchen eine Seele hat, und ob es angehaucht ist
von dem Geiste Christi, — und doch ist Er eitel Bewun-
derung für die bloße, äußere Hülle, für die bloße Form!
Weißt Du denn, ob nicht der Wurm der Welt an dieser
Blüthe nagt?" — „Ei! liebster, frömmster Kräuselfritz," er-
widerte ich, „ich weiß nur, daß, wenn Du in Gestalt
einer solchen anmuthigen Jungfrau als Missionarius und
Heidenbekehrer zu mir kämst, Du gute Geschäfte machtest."
— „Frivoler Spötter!" rief er achselzuckend. Wir Uebrigen
aber setzten uns lachend um den Tisch und des Mädchens
in die Augen fallende Lieblichkeit und Anmuth gab uns wäh-
rend des Abendessens noch manchen erwünschten Stoff zu
lebhaften Debatten und scherzhaften Neckereien. Als aber der
Kellner in's Zimmer trat, den Tisch abzudecken, konnte ich
meine Neugierde, etwas Näheres über die Jungfrau zu er-
fahren, nicht unterdrücken. „Das ist ja ein sehr hübsches
Mädchen, das uns vorhin den Tisch gedeckt hat," sprach ich
zu ihm.
„Hübsch genug, aber auch närrisch genug!" antwortete
er mit einem geheimnißvollen Lächeln.
„Wie so?" rief ich gespannt.
„Sehen Sie, Herr," erwiderte er, „das junge Mädchen
ist eine Waise_"
„Nun!" unterbrach ich ihn, „das ist unter Umständen
ein Unglück für sie, aber doch kein Zeichen von närrischem
Wesen."
„Ja, das g'rade nicht," fuhr der Kellner fort, „aber
sie ist hier blos zum Besuch bei ihrer Tante, der schönen
Aussicht wegen, und_"
„Nun, das ist auch nicht närrisch."
„Ja! erlauben Sie doch nur," fuhr er eifrig fort, „ihr
gehört doch die güld'ne Mühle an der Bode, ein ganz capi-
tales Grundstück, das, schuldenfrei, seine 50,000 Thaler werth
unter Brüdern, und außerdem 150 Aecker des besten Waizen-
bodens dabei...."
„Aber beim Himmel!" unterbrach ich ihn wiederum,
„das ist doch nun vollends kein Zeichen von Narrheit!"
„Ja! aber hören Sie doch nur, was folgt," fuhr er
83
halb ärgerlich über meine Unterbrechungen fort, „die reichsten
Kaufleute, Fabrikanten, Posthalter, Buchhändler, Oekonomen,
Rittergutsbesitzer, Oberamtmänner, ja adliche Offiziere und
was weiß ich, wer sonst noch alles, haben um sie geworben,
und — sie will nicht. Einen Korb nach dem andern theilt
sie aus, als wären's Zahlpfennige_"
„Das scheint mir allerdings schon etwas bedenklich,"
nahm ich wieder das Wort, „indessen, wer weiß, ob sie nicht
klug daran gethan haben kann?"
„Nun bedenken Sie erst vollends," fuhr er im Eifer
fort, „sie sagt ja, sie will überhaupt keinen Geschäftsmann
und dergleichen, sie will einen Studirten. Na! was sagen
Sie nun?" rief er triumphirend, „ist das nicht pure Narr-
heit bei ihren Verhältnissen, einen trocknen Stubengelehrten
und Ivindschiefen, dürrleibigen Federfuchser eineni fetten Ober-
amtmann und dergleichen vorzuziehen, der seine dreißig Pferde
im Stalle hat und mit Bieren fährt!"
„Allerdings!" rief ich jetzt, in das schallende Gelächter
meiner Gefährten einstimmend, „das gränzt stark an Starrheit.
Aber was wollen Sie, es ist einmal so ihr Geschmack."
„Ja, ja! der Geschmack ist wunderlich, absonderlich bei
jungen Mädchen; ihre Tante, meine Frau Principalin, hat
ganz recht, sie ist in der Pension verdorben und überspannt
worden," setzte er noch mitleidig hinzu und entfernte sich.
„Habt Jhr's gehört, Ihr Herren," rief ich meinen
Reisegefährten zu, sobald ich vor Lachen dazu kommen konnte;
„wir gehören mehr oder weniger alle zu der achtbaren Zunft
der Stubengelehrten und windschiefen Federfuchser; wie wär's,
wenn wir unser Glück hier versuchten? Wollen wir losen?"
„Ich für meinen Theil abstrahire," sprach Kräuselfritz
sauertöpfisch. „Ich sehe bei meiner Künftigen einmal weder
auf Schönheit noch auf eine Wassermühle, sondern frage, ob
sie Christum lieb hat und_"
„Amen! Amen!" unterbrach ich ihn unwillkürlich und
faltete die Hände.
„Und ich," begann nun Zwirn, sich nachlässig in den
Zähnen stochernd, „habe mir vorgenommen, mich vor zurück-
gelegtem Examen mit keiner Herzensangelegenheit zu befassen.
Ein volles Herz, ein leerer Kopf! heißt es. Ja! wenn
das grundabscheuliche dritte Examen erst glücklich hinter mir
läge, dann ivär's etwas anders; aber auch dann müßt' ich
bestimmt von ihr vorher wissen, ob sie mit feiner Wäsche
gut umzugehen und meine Taghemden und Vatermörder
tadellos und ohne Falten zu plätten und zu bügeln ver- !
stände."
„Ei!" rief ich halb ärgerlich, „so nimm Dir dereinst !
eine Waschfrau oder ein Kammerkätzchen, die werden Dir
Deine weiße Wäsche zweifelsohne am besten im Stande hal-
ten. Wie steht's aber mit Dir, behäbiger Nudelmeier?"
wandte ich mich an diesen.
11 *
i ten. Ein junges Mädchen, das dem äußern Anscheine nach
! wenig von einer Schenkmamsell in einem Gasthofe zu haben,
! vielmehr den höhern Ständen anzugehören schien, trat in's
Zimmer, deckte den Tisch und wünschte uns freundlich guten
Appetit. Unserer Aller Blicke waren starr vor Staunen. Ein
. solches bildschönes, anmuthiges Mädchen, eine solche hebeartige
Erscheinung hatten wir noch nicht gesehen, und hier in einem
Wirthshause! Mit dem freundlichsten Ausdruck ihrer Augen
und ihrer Stimme grüßte sie uns. Leider erstarb uns allen
vor Ueberraschung das Wort auf der Zunge, so daß Keiner
eher daran dachte, sie freundlich anzureden, als bis sie mit
freundlichem Gruße wieder verschwunden war. „Welch' eine
liebliche Erscheinung!" rief ich in Extase aus, als sie das
Zimmer wieder verlassen. — „Ta seht Ihr den frivolen
Heiden!" entgegnete der fromme Kräuselfritz; „Er weiß nicht,
ob das Mädchen eine Seele hat, und ob es angehaucht ist
von dem Geiste Christi, — und doch ist Er eitel Bewun-
derung für die bloße, äußere Hülle, für die bloße Form!
Weißt Du denn, ob nicht der Wurm der Welt an dieser
Blüthe nagt?" — „Ei! liebster, frömmster Kräuselfritz," er-
widerte ich, „ich weiß nur, daß, wenn Du in Gestalt
einer solchen anmuthigen Jungfrau als Missionarius und
Heidenbekehrer zu mir kämst, Du gute Geschäfte machtest."
— „Frivoler Spötter!" rief er achselzuckend. Wir Uebrigen
aber setzten uns lachend um den Tisch und des Mädchens
in die Augen fallende Lieblichkeit und Anmuth gab uns wäh-
rend des Abendessens noch manchen erwünschten Stoff zu
lebhaften Debatten und scherzhaften Neckereien. Als aber der
Kellner in's Zimmer trat, den Tisch abzudecken, konnte ich
meine Neugierde, etwas Näheres über die Jungfrau zu er-
fahren, nicht unterdrücken. „Das ist ja ein sehr hübsches
Mädchen, das uns vorhin den Tisch gedeckt hat," sprach ich
zu ihm.
„Hübsch genug, aber auch närrisch genug!" antwortete
er mit einem geheimnißvollen Lächeln.
„Wie so?" rief ich gespannt.
„Sehen Sie, Herr," erwiderte er, „das junge Mädchen
ist eine Waise_"
„Nun!" unterbrach ich ihn, „das ist unter Umständen
ein Unglück für sie, aber doch kein Zeichen von närrischem
Wesen."
„Ja, das g'rade nicht," fuhr der Kellner fort, „aber
sie ist hier blos zum Besuch bei ihrer Tante, der schönen
Aussicht wegen, und_"
„Nun, das ist auch nicht närrisch."
„Ja! erlauben Sie doch nur," fuhr er eifrig fort, „ihr
gehört doch die güld'ne Mühle an der Bode, ein ganz capi-
tales Grundstück, das, schuldenfrei, seine 50,000 Thaler werth
unter Brüdern, und außerdem 150 Aecker des besten Waizen-
bodens dabei...."
„Aber beim Himmel!" unterbrach ich ihn wiederum,
„das ist doch nun vollends kein Zeichen von Narrheit!"
„Ja! aber hören Sie doch nur, was folgt," fuhr er
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halb ärgerlich über meine Unterbrechungen fort, „die reichsten
Kaufleute, Fabrikanten, Posthalter, Buchhändler, Oekonomen,
Rittergutsbesitzer, Oberamtmänner, ja adliche Offiziere und
was weiß ich, wer sonst noch alles, haben um sie geworben,
und — sie will nicht. Einen Korb nach dem andern theilt
sie aus, als wären's Zahlpfennige_"
„Das scheint mir allerdings schon etwas bedenklich,"
nahm ich wieder das Wort, „indessen, wer weiß, ob sie nicht
klug daran gethan haben kann?"
„Nun bedenken Sie erst vollends," fuhr er im Eifer
fort, „sie sagt ja, sie will überhaupt keinen Geschäftsmann
und dergleichen, sie will einen Studirten. Na! was sagen
Sie nun?" rief er triumphirend, „ist das nicht pure Narr-
heit bei ihren Verhältnissen, einen trocknen Stubengelehrten
und Ivindschiefen, dürrleibigen Federfuchser eineni fetten Ober-
amtmann und dergleichen vorzuziehen, der seine dreißig Pferde
im Stalle hat und mit Bieren fährt!"
„Allerdings!" rief ich jetzt, in das schallende Gelächter
meiner Gefährten einstimmend, „das gränzt stark an Starrheit.
Aber was wollen Sie, es ist einmal so ihr Geschmack."
„Ja, ja! der Geschmack ist wunderlich, absonderlich bei
jungen Mädchen; ihre Tante, meine Frau Principalin, hat
ganz recht, sie ist in der Pension verdorben und überspannt
worden," setzte er noch mitleidig hinzu und entfernte sich.
„Habt Jhr's gehört, Ihr Herren," rief ich meinen
Reisegefährten zu, sobald ich vor Lachen dazu kommen konnte;
„wir gehören mehr oder weniger alle zu der achtbaren Zunft
der Stubengelehrten und windschiefen Federfuchser; wie wär's,
wenn wir unser Glück hier versuchten? Wollen wir losen?"
„Ich für meinen Theil abstrahire," sprach Kräuselfritz
sauertöpfisch. „Ich sehe bei meiner Künftigen einmal weder
auf Schönheit noch auf eine Wassermühle, sondern frage, ob
sie Christum lieb hat und_"
„Amen! Amen!" unterbrach ich ihn unwillkürlich und
faltete die Hände.
„Und ich," begann nun Zwirn, sich nachlässig in den
Zähnen stochernd, „habe mir vorgenommen, mich vor zurück-
gelegtem Examen mit keiner Herzensangelegenheit zu befassen.
Ein volles Herz, ein leerer Kopf! heißt es. Ja! wenn
das grundabscheuliche dritte Examen erst glücklich hinter mir
läge, dann ivär's etwas anders; aber auch dann müßt' ich
bestimmt von ihr vorher wissen, ob sie mit feiner Wäsche
gut umzugehen und meine Taghemden und Vatermörder
tadellos und ohne Falten zu plätten und zu bügeln ver- !
stände."
„Ei!" rief ich halb ärgerlich, „so nimm Dir dereinst !
eine Waschfrau oder ein Kammerkätzchen, die werden Dir
Deine weiße Wäsche zweifelsohne am besten im Stande hal-
ten. Wie steht's aber mit Dir, behäbiger Nudelmeier?"
wandte ich mich an diesen.
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