58 Klotzscher
Fasane hätte führen können, da legten sie dem Hcchtwirth
und dessen Frau eine Menge Kreuz- und Qneerfragen vor
und kehrten wie von hier, so von dort unverrichteter Sache
nach Hause zurück."
Die Bauern hatten theils lachend, theils kopfschüttelnd
der Erzählung ihres Dorsrichters zugehört, ergingen sich eine
lange Weile hinterher in allerlei Vermuthnngen, wer wohl
diesen Streich ausgeführt habe, und verließen, da es während
dem Mittag geworden mar, nebst dem Richter und dessen Sohn
die Schenke, um nach ihren Wohnungen zurück zu kehren.
Am Abend desselben Tages saß tTer Richter mit seinem
Sohne allein, — Tie Besorgung der ländlichen Wirthschaft
hatte Beide, seit der Rückkehr ans der Schenke, theils von ein-
ander fern gehalten, theils nüt Nachbarn und Gesinde in Be-
rührung gebracht, so daß jetzt erst, nachdem Knechte und Mägde
zu Bett gegangen und Thor und Thür' wohl verschlossen wa-
ren, sich Beide ohne lästige Zeugen allein sahen, und nun un-
gestört auf das Ereigniß des Morgens zurückkommen konnten,
„Junge!" rief der alte Nitzsche, nachdem er sich bequem
auf die lange, breite, hinter dem noch warmen Kachelofen be-
findliche Bank ausgestreckt hatte, und sein Sohn neben dersel-
ben am Tische beschäftigt war, beim flackernden Scheine eines
Kienspahnes Drahtschlingen zu verfertigen, „Junge! diesmal
konnte es Dir an den Kragen gehen. Wer zum Teufel auch
heißt es Dir denn, Dich von Neuem wieder in die Moritzbur-
ger Fasanerie zu versteigert?"
Der Sohn strich sich die struppigen Haare, welche ihm
bis über die Angen herabhingen, bei Seite und blickte mit
seltsamen Lächeln nach dem Bater, welcher mit halbgeschlosse-
nen Augen sich eines lauschigen Halbschlummers überließ, —
Aber wer den jungen Burschen jetzt genau beobachtet hätte,
würde gezweifelt haben, ob er mit dem am Morgen in der
Dorfschenke scheu sich hinter seinem Vater versteckt gehaltenen
Sohn ein und dieselbe Person gewesen sei, denn verschwunden
war der Stumpssinn, welcher aus gedankenlos stierem Blick,
widriger Verzerrung des Mundes und einem beständig greinen-
den Lächeln sich kund gegeben, und eben so schlau als keck
war der Ausdruck seiner jetzt lebhaft funkelnden Augen, welche
er auf den Vater richtete, indem er entgegnete:
„Das ist doch Euer Ernst nicht? Ihr wißt cs ja so gut
wie ich, daß des Pastors Wirthschafterin so lange an mir
herum gequält hat, bis ich endlich doch einmal sehen wollte,
ob es möglich war,"
„Aber wann hast Tu denn erfahren, daß die Untersu-
chung gleich darauf hier erfolgen würde; darüber habe ich
Dich noch nicht fragen können," brummte der Vater,
„Das ging ganz einfach zu," erzählte der Sohn und
legte die fertig gewordene Drahtschlinge auf den Tisch. „Als
ich gestern Abend hinter'm Steinbruck) Schlingen legte, hörte
ich zwei Männer im Gespräch meinem Versteck sich nähern.
Glücklicherweise hatten sie keinen Hund bei sich, der mich hätte
wittern können, und da der Eine derselben stehen blieb, Feuer
Schwänke,
zu schlagen, um seine Pfeife wieder in Brand zu bringen,
so konnte ich aus meinem Schlupfwinkel ihr Gespräch genau
hören. Der Eine der Sprecher war der Forstbote aus Dresden,
der Andere war der Zeichenschläger Borkmann, welchem der
Elftere erzählte, daß er unserm Förster den Befehl bringen
sollte, sich so zeitig als möglich aus dem Schenkhübel einzu-
finden und dort das Eintreffen der Commission abzuwarten,
welche mit Tagesanbruch hier eintreffen würde, um Haus für
Haus zu untersuchen, da man von Neuem wieder den Tag
zuvor aus der Fasanerie zu Moritzburg sechs bis acht Stück
Fasane wegstiebizt hätte und der Verdacht diesmal stark aus
den Klotzscher Bauern ruhe,"
„Hm! welcher Spürhund will denn das ausgewittert
haben?" sprach wie mit sich selbst der Alte und richtete sich
von der Ofenbank auf,
„Das ist mir ebenfalls unerklärlich," fuhr der Junge
fort, „Aber ich wußte genug: die beiden Sprechenden ent-
fernten sich, alle Teufel uns auf den Hals wünschend, ich
aber schlich auf Seitenwegen hierher, denn oben im Tauben-
schlag, wohin ich das Zeug einstweilen versteckt hatte, glaubte
ich's nicht mehr sicher. Glücklicherweise sah ich noch Licht
in des Pastors Küche, als ich über die Kirchhofmauer kletterte.
Ich klopfte so leise als möglich an, aber beinahe hätte die
alte Gertrud mich verrathen, denn sie schrie laut auf, als sie
mich in der Dunkelheit am Küchenfenster stehen sah. — Als
sie sich aber von ihrem ersten Schreck erholt und mich erkannt
hatte, öffnete sie und versicherte mir, daß ich getrost herein-
steigen könnte, der Herr Pastor schliefen schon lange. Allein
ich hielt mich nicht auf, sagte ihr, sie sollte in der Küche
bleiben und das Fenster offen lassen, und ungesehen von der
Hausmagd die Fasane, die ich sogleich holen und hineinwerfen
würde, in sichern Versteck bringen."
„Die Alte ging natürlich darauf ein, und nach einer
halben Stunde waren sämmtliche Fasane im Speisegewölbe
unsers Pastors, natürlich ohne dessen Wissen, wohl geborgen,
da bis dahin die Haussuchung nie sich erstreckt."
„Aber die Federn beim blauen Hecht?!" frug mit bei-
fälligem Lächeln der Vater.
„Je nun, da man einmal diese Gegend im Verdacht
! hatte," fuhr der Sohn fort, „so dachte ich, kann es nichts
schaden, wenn du der Commission eine Spur zeigst, die zu
nichts führt, und die alte Gertrud hals mir getreulich drei
der stärksten Fasane bis auf die letzte Feder abrupfen, und
damit machte ich mich auf den Weg, nachdem ich die Federn
alle in einen Sack gepackt, welchen ich beim Kreuzweg, der
nach dem „letzten Heller" und nach dem „blauen Hecht" führt,
öffnete und so die Federn verstreute bis hinter den Weinberg
und den Haselgrund hindurch. Als ich auf Seitenwegen nach
Hause kam, war es bald Mitternacht und Keiner von unfern
Leuten hat mein Gehen und Kommen bemerkt,"
„Aber ißt denn der Pastor so gern Fasane?" frug der
alte Nitzschc lachend,
„Ter — i bewahre, der bekonimt nicht einen Einzigen,"
Fasane hätte führen können, da legten sie dem Hcchtwirth
und dessen Frau eine Menge Kreuz- und Qneerfragen vor
und kehrten wie von hier, so von dort unverrichteter Sache
nach Hause zurück."
Die Bauern hatten theils lachend, theils kopfschüttelnd
der Erzählung ihres Dorsrichters zugehört, ergingen sich eine
lange Weile hinterher in allerlei Vermuthnngen, wer wohl
diesen Streich ausgeführt habe, und verließen, da es während
dem Mittag geworden mar, nebst dem Richter und dessen Sohn
die Schenke, um nach ihren Wohnungen zurück zu kehren.
Am Abend desselben Tages saß tTer Richter mit seinem
Sohne allein, — Tie Besorgung der ländlichen Wirthschaft
hatte Beide, seit der Rückkehr ans der Schenke, theils von ein-
ander fern gehalten, theils nüt Nachbarn und Gesinde in Be-
rührung gebracht, so daß jetzt erst, nachdem Knechte und Mägde
zu Bett gegangen und Thor und Thür' wohl verschlossen wa-
ren, sich Beide ohne lästige Zeugen allein sahen, und nun un-
gestört auf das Ereigniß des Morgens zurückkommen konnten,
„Junge!" rief der alte Nitzsche, nachdem er sich bequem
auf die lange, breite, hinter dem noch warmen Kachelofen be-
findliche Bank ausgestreckt hatte, und sein Sohn neben dersel-
ben am Tische beschäftigt war, beim flackernden Scheine eines
Kienspahnes Drahtschlingen zu verfertigen, „Junge! diesmal
konnte es Dir an den Kragen gehen. Wer zum Teufel auch
heißt es Dir denn, Dich von Neuem wieder in die Moritzbur-
ger Fasanerie zu versteigert?"
Der Sohn strich sich die struppigen Haare, welche ihm
bis über die Angen herabhingen, bei Seite und blickte mit
seltsamen Lächeln nach dem Bater, welcher mit halbgeschlosse-
nen Augen sich eines lauschigen Halbschlummers überließ, —
Aber wer den jungen Burschen jetzt genau beobachtet hätte,
würde gezweifelt haben, ob er mit dem am Morgen in der
Dorfschenke scheu sich hinter seinem Vater versteckt gehaltenen
Sohn ein und dieselbe Person gewesen sei, denn verschwunden
war der Stumpssinn, welcher aus gedankenlos stierem Blick,
widriger Verzerrung des Mundes und einem beständig greinen-
den Lächeln sich kund gegeben, und eben so schlau als keck
war der Ausdruck seiner jetzt lebhaft funkelnden Augen, welche
er auf den Vater richtete, indem er entgegnete:
„Das ist doch Euer Ernst nicht? Ihr wißt cs ja so gut
wie ich, daß des Pastors Wirthschafterin so lange an mir
herum gequält hat, bis ich endlich doch einmal sehen wollte,
ob es möglich war,"
„Aber wann hast Tu denn erfahren, daß die Untersu-
chung gleich darauf hier erfolgen würde; darüber habe ich
Dich noch nicht fragen können," brummte der Vater,
„Das ging ganz einfach zu," erzählte der Sohn und
legte die fertig gewordene Drahtschlinge auf den Tisch. „Als
ich gestern Abend hinter'm Steinbruck) Schlingen legte, hörte
ich zwei Männer im Gespräch meinem Versteck sich nähern.
Glücklicherweise hatten sie keinen Hund bei sich, der mich hätte
wittern können, und da der Eine derselben stehen blieb, Feuer
Schwänke,
zu schlagen, um seine Pfeife wieder in Brand zu bringen,
so konnte ich aus meinem Schlupfwinkel ihr Gespräch genau
hören. Der Eine der Sprecher war der Forstbote aus Dresden,
der Andere war der Zeichenschläger Borkmann, welchem der
Elftere erzählte, daß er unserm Förster den Befehl bringen
sollte, sich so zeitig als möglich aus dem Schenkhübel einzu-
finden und dort das Eintreffen der Commission abzuwarten,
welche mit Tagesanbruch hier eintreffen würde, um Haus für
Haus zu untersuchen, da man von Neuem wieder den Tag
zuvor aus der Fasanerie zu Moritzburg sechs bis acht Stück
Fasane wegstiebizt hätte und der Verdacht diesmal stark aus
den Klotzscher Bauern ruhe,"
„Hm! welcher Spürhund will denn das ausgewittert
haben?" sprach wie mit sich selbst der Alte und richtete sich
von der Ofenbank auf,
„Das ist mir ebenfalls unerklärlich," fuhr der Junge
fort, „Aber ich wußte genug: die beiden Sprechenden ent-
fernten sich, alle Teufel uns auf den Hals wünschend, ich
aber schlich auf Seitenwegen hierher, denn oben im Tauben-
schlag, wohin ich das Zeug einstweilen versteckt hatte, glaubte
ich's nicht mehr sicher. Glücklicherweise sah ich noch Licht
in des Pastors Küche, als ich über die Kirchhofmauer kletterte.
Ich klopfte so leise als möglich an, aber beinahe hätte die
alte Gertrud mich verrathen, denn sie schrie laut auf, als sie
mich in der Dunkelheit am Küchenfenster stehen sah. — Als
sie sich aber von ihrem ersten Schreck erholt und mich erkannt
hatte, öffnete sie und versicherte mir, daß ich getrost herein-
steigen könnte, der Herr Pastor schliefen schon lange. Allein
ich hielt mich nicht auf, sagte ihr, sie sollte in der Küche
bleiben und das Fenster offen lassen, und ungesehen von der
Hausmagd die Fasane, die ich sogleich holen und hineinwerfen
würde, in sichern Versteck bringen."
„Die Alte ging natürlich darauf ein, und nach einer
halben Stunde waren sämmtliche Fasane im Speisegewölbe
unsers Pastors, natürlich ohne dessen Wissen, wohl geborgen,
da bis dahin die Haussuchung nie sich erstreckt."
„Aber die Federn beim blauen Hecht?!" frug mit bei-
fälligem Lächeln der Vater.
„Je nun, da man einmal diese Gegend im Verdacht
! hatte," fuhr der Sohn fort, „so dachte ich, kann es nichts
schaden, wenn du der Commission eine Spur zeigst, die zu
nichts führt, und die alte Gertrud hals mir getreulich drei
der stärksten Fasane bis auf die letzte Feder abrupfen, und
damit machte ich mich auf den Weg, nachdem ich die Federn
alle in einen Sack gepackt, welchen ich beim Kreuzweg, der
nach dem „letzten Heller" und nach dem „blauen Hecht" führt,
öffnete und so die Federn verstreute bis hinter den Weinberg
und den Haselgrund hindurch. Als ich auf Seitenwegen nach
Hause kam, war es bald Mitternacht und Keiner von unfern
Leuten hat mein Gehen und Kommen bemerkt,"
„Aber ißt denn der Pastor so gern Fasane?" frug der
alte Nitzschc lachend,
„Ter — i bewahre, der bekonimt nicht einen Einzigen,"