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Welche Zukunft liegt dann vor uns! Ich schicke eine Locke
meines Haares mit und schwöre bei ihr nochmals, daß ich
bleiben werde

nie von Dir lassender Edmund.

II.

Julie aber erüllte unterdeß mit Seufzern die Straßen
Münchens und mit Klagen die Zimmer der Tante; sie harrte
auf eine liebende Botschaft von Edmund, viele Wochen, Mo-
nate, endlich Jahre lang. Da schien es ihr, daß er sie ver-
gessen habe. Und sie härmte sich ab und begann zu altern.
Und sie miethete sich zwei Zimmer, weil die Tante gestorben
war und wenn man sie fragte nach ihrem Alter so sagte sie
25; das war aber nicht wahr, denn sie war 36.

Sie hatte eben wieder einen Geburtstag gefeiert und
schlummerte die erste Nacht ihres 37sten Lenzes. Klopfen an
der Thür schreckte sie vom jungfräulichen Lager. Sie empfing
durch die züchtig geöffnete Thürklinke einen Brief vom keuchen-
den Briefträger. Darauf stand ihre Adresse mit dem Zusatz:
„Schnell zu besorgen". Der Brief aber war vergilbt und
in ihm lag eine vor Alter ergraute Locke. Und sie las:
Theure Angebetete!

Ich »ersuche nicht, Dir die Qualen meines Herzens seit
Deiner Entfernung zu schildern; nein, keine Feder beschreibt
den stummen Schmerz meiner Tage und den Jammer meiner
Nächte. Ich bin wirklich sehr unglücklich. Aber ich gedenke
der Schwüre, die ich Dir geschworen habe und bin ungebeugt,
wenn ich gleich stets still seufze. Ich habe einen Plan, einen
herrlichen Plan erdacht und warte nur auf Deine Einwilligung,
um ihn auszuführen. Ich befreie mich von den Fesseln, die
mich zwängen, ich eile zu Dir, ich entführe Dich aus München.
Welche Zukunft liegt dann vor uns! Ich schicke Dir eine
Locke meines Haares mit und schwöre bei ihr nochmals, daß
ich bleiben werde Dein

nie von Dir lassender Edmund.

Da entrang sich ihrer Brust ein Seufzer der Befriedigung
und des Glücks. Und sie wartete nicht auf das Morgenroth,
sondern schrieb beim Scheine der Nachtlampe einen Brief:

O fälschlich untreu Geglaubter!

Deine ergraute Locke beweist mir, daß Du viel um mich
gelitten hast. Auch ich habe unendlich viel geweint. Doch
bin ich noch keineswegs ergraut. Und Du fragst noch, ob
Du kommen darfst? Jede Stunde, jeden Moment werden
meine Arine Dir offen sein. Also eile mich zu entführen,
aber wo möglich nicht gewaltsam. Thue meiner guten Haus-
wirthin ja kein Leid an! Du warst stets so feurig. Aber
eile, eile so schnell Dich die Flügel der Liebe tragen, an das
Herz Deiner Julie.

Darauf begann sie ihre Sachen einzupacken und freute
sich auf die Entführung.

III.

Edmund hatte also nach Juliens Entfernung von Leipzig
einen Brief so schnell als möglich nachgesandt. Und er harrte
Wochen und Monate auf Antwort. Da aber keine kam, so
schien es ihm, daß sie ihn vergessen habe. Und er verlor das
Vertrauen zur Menschheit und wurde ein vertrauensloser
Commis. Und seine Seufzer zitterten über dem Syrup und |
finster schweifte sein Auge über die Häringsfässer. Und er l
wurde alle Tage böser und begann die Bierhäuser zu be- j
suchen und'fluchte bisweilen. Und er floh das Weib im All-
gemeinen, denn das Weib ist treulos. Und so ward er grau
vom Kummer, und dickbäuchig vom Biere. Aber er gedachte !
noch seiner Jugend. Und so flohen die Jahre dahin und Ed- 1

mund begann an den Tod zu denken. So saß er denn eines
Tages, da schreckte ihn Klopfen an der Thür aus seinen
frommen Betrachtungen. Und herein stürzte der keuchende
Briefträger mit einem Briefe aus München. Der Brief aber
war vor Alter vergilbt und trug Edmunds Adresse mit dem
Beisatze: „Sehr schnell zu besorgen." Und er las:
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Zwei Briefe"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Mann <Motiv>
Liebesbrief <Motiv>
Verspätung
Missverständnis
Briefträger
Karikatur
Frau <Motiv>
Satirische Zeitschrift

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Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
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Public Domain Mark 1.0
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Fliegende Blätter, 22.1855, Nr. 506, S. 10

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