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Ein Briefmarken - Sammler. 75

In der Hoffnung, bald z» Deiner Hochzeit invitirt zu
'^rden, grüßt Dich

Dein herzliebster Bruder

Jodocus."

Was war das? — Was hatte Franz Kreide da ge-
c]cn? — Frau Schnepfe! liebte — ihn! und hielt ihn

für

unfähig eines ähnlichen und doch so echt männlichen

'Pfühls, und deshalb sollte ihr großer, schöner Schlabern-
^'rfcr H»f unter das Regiment eines Vaduzifchen Ochfen-
kommen, während er — „O ich Esel! Ich dreimal
Ü^oßcr Hasenfuß!" also knirschte Herr Franz Kreide vor
^ecbter Entrüstung bei solchem Denken, indem er sich zu-
'^"ch mit der flachen Hand und mit ziemlicher Gewalt vor
^ Stirne schlug, vor seinen Denk- und Laternenkasten, der
^üsher mit lauter papiernen Briefmarken zugeklebt gewesen
,c'n mußte, in dem aber die einzige, braune Lichtcnsteinerin
Nützlich ein so gewaltiges Licht angezündct hatte.

Ohne sich weiter um den Brief, die seltene Marke zu
'kümmern, eilte er voll Aufregung, ungewohntem Feuer
^Naus und hinauf in seine Stube. Dort erfaßte er sein
^thes, schafledernes Album, schob cs neben die Serviette
"Ntcr den linken Arm, und die Treppe wieder herabstürzend,
^kte er auf's neue auf das stille Gemach der Wittwe Schnepfe!
diese aufzusuchen, ihr zu sagen — ja, was er ihr eigent-
sagen wollte, das wußte er just selbst noch nicht recht,
etwas wollte er sagen, thun, ihr zeigen, beweisen, daß
^ sich in ihm geirrt, getäuscht, daß er immer noch im
Stande sei zu lieben, etwas anders zu lieben als diese —
'"'ietablen, papiernen Briefmarken I — Fi donc!

Da saß sie! — in ihrem stillen Closet, auf dem Sovha,
en schönen Kopf schwermüthig-stnncnd auf ven vollen, weißen
.to, in die sanft geröthetc Hand gestützt. Sic war schön!
ln der That reizend also! So dachte Franz Kreide, als er
e*nen Augenblick vor der halbgeöffneten Thürc stehen blieb
"nb in das matterleuchtete Gemach hineinschaute. Doch sich
länger halten könnend, stürzte er in das Zimmer und
die fast erschrocken aufschaucnde Frau Schncpfel zu.
„Grausame!" rief er. „Sie wollen mir Ihre braune,
stempelte Lichtensteinerin nicht geben? Wohlan denn, so
iichte ich auf alle übrigen Marken! Nehmen Sie sie hin,

wt Ihrem — Sie — Dich anbetendcn Besitzer!"

Dabei warf er der hold Erröthenden sein schaflcdcrncs
um vor die Füße, ließ sich graziös mit dem linken Knie

der
f«m

Alb

ar«uf nieder und breitete seine Arme auS, um die Er-
"uhltc, Heißgeliebte an seinem Herzen zu empfangen.

Glücklicher Franz Kreide! — Frau Schncpfel schaute
i ein seliger Blick, ein Blick voll unendlicher Wonne traf
’"> und — in den Armen lagen sich Beide! Zugleich fanden
U ihre Lippen und besiegelten — Fi donc! Unwürdiges
^ichniß! — sie stempelten die erste Briefmarke der Liebe,
U'n sic sodann in das Album ihrer Erinnerungen zu kleben.
q. Lassen wir den Vorhang über dieses Schauspiel — für
‘■'tter — fallen und berichten wir kurz, was weiter geschah.
**Crr Dchscnfuß aus Vaduz kam nicht — er cxistirte vielleicht

überhaupt nicht einmal, weder in Vaduz noch anderwärts —
sondern Herr Franz Kreide wurde der Verlobte, dann der
glückliche Gatte der Frau Schncpfel und zugleich Besitzer
ihres Schlaberndorfcr Hofes. Am Hochzeitstage trug Frau
Schnepfe!-Kreide unter anderem natürlichen und künstlichen
Schmuckwcrk auch eine schöngcfaßte Breche, die unter einem
feingeschliffenen Kristallplättchcn eine — gewöhnliche Brief-
marke zeigte: cs war die braune Lichtensteinerin, die solch
schönes Wunder bewirkt, sie Beide — sic und ihren Franz
Kreide — so glücklich gemacht hatte. Frau Schnepfcl hielt
sie als Reliquie ihres Hauses fortan hoch in Ehren und
gönnte auch ihrem wackern Franz seine Passion für Brief-
marken, von der er doch nicht hatte lassen können noch wollen.
Dafür aber bemühte er sich, seiner Gattin jederzeit durch die
That zu beweisen, daß er, trotzdem er Markomane geblieben,
dennoch fähig und im Stande sei, etwas anderes zu lieben,
lebhaft und feurig zu lieben, als papiernc Briefmarken.

„Mein Sohn! Steh' immer zeitlich auf, so ersparst
Du es später zu thun, und was man heutzutag erspart, ist
Gewinn. Steig' immer mit dem rechten Fuß aus dem
Bette, damit schon Dein erster Schritt ein rechter sei. Sei
immer demüthig und habe den Blick zur Erde gesenkt —
vielleicht findest Du Etwas. Habe immer Achtung vor einem
alten Manne und Respekt vor einem alten Weibe. Bist Du
bei einem Vornehmen znr Tafel geladen, so sprich wenig
und iß viel. Brauchst Du ein Gewand, hast aber keinen
Stofs dazu, so mach' Dir nichts d'raus. Findest Du
Jemand in Gefahr zu ertrinken, so säume nicht — um
Hilfe zu rufen. Sucht Jemand Hilfe bei Dir, so sei nicht
hartherzig und borge ihm nach Kräften — wenn er Dir
Sicherheit und gute Interessen bietet."


IO*
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Lebensregeln Arons Gildemeisel"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Fremdbild
Eigennutz
Sohn <Motiv>
Persönlicher Rat
Karikatur
Vater <Motiv>
Geschäftstüchtigkeit
Satirische Zeitschrift
Juden

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 42.1865, Nr. 1026, S. 75
 
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