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Unter dem
kommen; er hegte den sehnlichsten Wunsch, das Glück seines einzigen
Kindes zu begründen, und die Erfüllung dieses Wunsches schien
ihm nur ans dem Wege einer reichen Heirath möglich.
Was war ein Kaufmann ohne Geld? In den Augen
des Caleulators, nichts weiter, als ein Krämer, der von Tag
zu Tag sein armseliges Dasein unter Sorgen und Entbehrungen
fristete, und vor einem solchen bedauernswerthen Loose sollte
sein Sohn bewahrt bleiben. Dem jungen Manne bot sich ja
die beste Gelegenheit, seine Zukunft zu sichern, er brauchte nur
die Tochter seines Prineipals zu heirathen, so war er über
alle Sorgen hinaus, und der Calcnlator hatte sich diesen Plan
> so hübsch zurecht gelegt, daß er gar nicht glaubte, in der Aus-
führung desselben auf irgendwelche Schwierigkeiten stoßen zu
können.
Und daß Theodor nicht sofort seinem Plane freudig zu-
stimmte, begriff er gar nicht. Anfangs hatte er nur leise, mit
halben Worten auf das Projekt hingedeutet, dann aber war er
mit der Sprache herausgerückt, und es bereitete ihm große
Sorgen, daß der junge Mann sich diesem glänzenden Projekt
gegenüber so passiv verhielt.
Jndeß der Caleulator besaß kein sanguinisches Temperament,
so hartnäckig und eigensinnig er auch an seinen Ansichten und
Urtheilen festhielt, er tröstete sich damit, daß Theodor über das
Projekt Nachdenken und die Vorzüge desselben erkennen werde.
Es war ja einstweilen noch keine Gefahr im Verzüge,
vielleicht bot sich in der nächsten Zeit eine passende Gelegenheit,
die jungen Leute einander näher zu bringen, — der Caleulator
wollte darüber Nachdenken und inzwischen auch die Ansichten
des Herrn Großkopf über diesen Punkt erforschen.
Während der alte Herr diesen Gedankengang verfolgte und
j bereits Luftschlösser für die Zukunft baute, rüstete er sich zum
! Ausgange, denn die Stunde war schon nahe, in der er das
Casino zu besuchen pflegte, um dort im Freundeskreise hinter
J dem Weinglase einige Stunden zu verplaudern.
War es Pünktlichkeit oder süße Gewohnheit, vielleicht
\ beides vereint, was mit unwiderstehlicher Gewalt ihn zwang,
den Gang zum Casino anzutreten, sobald die nun schon seit Jahren
i festgesetzte Minute 'gekommen war.
Die Bewohner der Straßen, welche der Caleulator durch-
> wanderte, gleichviel, ob er zum Bureau, oder zum Casino ging,
j konnten, wenn der alte Herr vorbeischritt, mit der größten
! Sicherheit die Tageszeit auf die Minute angeben, ohne auf die
Uhr zu sehen, so sehr war bei diesem Herrn der Sinn für
Ordnung und Pünktlichkeit ausgebildet.
Der Zeiger der altmodischen Stutzuhr zeigte aus fünf
j Minuten vor sechs, als der Caleulator, mit seinem Regenschirm
! bewaffnet, das Haus verließ.
Selbst das Rollen des Donners und der jäh aus den
l schwarzen Wolken niederzuckende Blitz konnten ihn nicht zurück-
! halten, seinen Weg anzutreten, und noch viel weniger vermochten
j dies die schweren Regentropfen, die wenige Sekunden später
' seinen nichts weniger als modernen Cylinderhut bedrohten.
Er spannte mit der gleichgültigsten Miene von der Welt
seinen Regenschirm ans und setzte seinen Weg fort.
Regens chirm.
Immer stärker und kräftiger goß der Regen nieder; die
von ihm überraschten Spaziergänger eilten an dem alten Herrn
vorbei, um eine Zuflucht zu suchen, und bei ihrem Anblick fühlte
sich der Caleulator im Besitz seines Schirms außerordentlich
behaglich.
So hatte er einige Straßen durchschritten, als eine feine
helle Stimme plötzlich seinen Namen nannte.
Er blickte überrascht aus. In der Thür eines Hauses stand
eine junge, hübsche Dame, deren schöne Augen ihn bittend an-
schauten.
Der alte Herr begriff sofort die Situation, — die junge
Dame besaß keinen Schirm, sie hatte vor dem Regen sich ge-
flüchtet und wartete nun auf eine günstige Gelegenheit, ihren
Weg fortsetzen zu können. Selbst wenn der Caleulator nicht
der höfliche, liebenswürdige Mann gewesen tväre, der er in
Wirklichkeit war, würde er doch unter solchen Verhältnissen
nicht umhin gekonnt haben, der Dame seinen Schutz anzubiete».
Er tvar stehen geblieben, lächelnd blickte er zu ihr auf,
die junge Dame stieg rasch die kleine Treppe hinunter und
flüchtete unter seinen Schirm.
„Ich bin Ihnen außerordentlich dankbar für Ihre liebens-
würdige Freundlichkeit," sagte sie, und der Klang ihrer Stimme
mußte wohl sein Ohr sehr angenehm berühren, denn ein leuch-
tender Blick traf aus seine» treuherzigen Augen ihr blühendes,
heiteres Antlitz. „Sie sind gewiß auf dem Wege zum Casino?"
Unter dem
kommen; er hegte den sehnlichsten Wunsch, das Glück seines einzigen
Kindes zu begründen, und die Erfüllung dieses Wunsches schien
ihm nur ans dem Wege einer reichen Heirath möglich.
Was war ein Kaufmann ohne Geld? In den Augen
des Caleulators, nichts weiter, als ein Krämer, der von Tag
zu Tag sein armseliges Dasein unter Sorgen und Entbehrungen
fristete, und vor einem solchen bedauernswerthen Loose sollte
sein Sohn bewahrt bleiben. Dem jungen Manne bot sich ja
die beste Gelegenheit, seine Zukunft zu sichern, er brauchte nur
die Tochter seines Prineipals zu heirathen, so war er über
alle Sorgen hinaus, und der Calcnlator hatte sich diesen Plan
> so hübsch zurecht gelegt, daß er gar nicht glaubte, in der Aus-
führung desselben auf irgendwelche Schwierigkeiten stoßen zu
können.
Und daß Theodor nicht sofort seinem Plane freudig zu-
stimmte, begriff er gar nicht. Anfangs hatte er nur leise, mit
halben Worten auf das Projekt hingedeutet, dann aber war er
mit der Sprache herausgerückt, und es bereitete ihm große
Sorgen, daß der junge Mann sich diesem glänzenden Projekt
gegenüber so passiv verhielt.
Jndeß der Caleulator besaß kein sanguinisches Temperament,
so hartnäckig und eigensinnig er auch an seinen Ansichten und
Urtheilen festhielt, er tröstete sich damit, daß Theodor über das
Projekt Nachdenken und die Vorzüge desselben erkennen werde.
Es war ja einstweilen noch keine Gefahr im Verzüge,
vielleicht bot sich in der nächsten Zeit eine passende Gelegenheit,
die jungen Leute einander näher zu bringen, — der Caleulator
wollte darüber Nachdenken und inzwischen auch die Ansichten
des Herrn Großkopf über diesen Punkt erforschen.
Während der alte Herr diesen Gedankengang verfolgte und
j bereits Luftschlösser für die Zukunft baute, rüstete er sich zum
! Ausgange, denn die Stunde war schon nahe, in der er das
Casino zu besuchen pflegte, um dort im Freundeskreise hinter
J dem Weinglase einige Stunden zu verplaudern.
War es Pünktlichkeit oder süße Gewohnheit, vielleicht
\ beides vereint, was mit unwiderstehlicher Gewalt ihn zwang,
den Gang zum Casino anzutreten, sobald die nun schon seit Jahren
i festgesetzte Minute 'gekommen war.
Die Bewohner der Straßen, welche der Caleulator durch-
> wanderte, gleichviel, ob er zum Bureau, oder zum Casino ging,
j konnten, wenn der alte Herr vorbeischritt, mit der größten
! Sicherheit die Tageszeit auf die Minute angeben, ohne auf die
Uhr zu sehen, so sehr war bei diesem Herrn der Sinn für
Ordnung und Pünktlichkeit ausgebildet.
Der Zeiger der altmodischen Stutzuhr zeigte aus fünf
j Minuten vor sechs, als der Caleulator, mit seinem Regenschirm
! bewaffnet, das Haus verließ.
Selbst das Rollen des Donners und der jäh aus den
l schwarzen Wolken niederzuckende Blitz konnten ihn nicht zurück-
! halten, seinen Weg anzutreten, und noch viel weniger vermochten
j dies die schweren Regentropfen, die wenige Sekunden später
' seinen nichts weniger als modernen Cylinderhut bedrohten.
Er spannte mit der gleichgültigsten Miene von der Welt
seinen Regenschirm ans und setzte seinen Weg fort.
Regens chirm.
Immer stärker und kräftiger goß der Regen nieder; die
von ihm überraschten Spaziergänger eilten an dem alten Herrn
vorbei, um eine Zuflucht zu suchen, und bei ihrem Anblick fühlte
sich der Caleulator im Besitz seines Schirms außerordentlich
behaglich.
So hatte er einige Straßen durchschritten, als eine feine
helle Stimme plötzlich seinen Namen nannte.
Er blickte überrascht aus. In der Thür eines Hauses stand
eine junge, hübsche Dame, deren schöne Augen ihn bittend an-
schauten.
Der alte Herr begriff sofort die Situation, — die junge
Dame besaß keinen Schirm, sie hatte vor dem Regen sich ge-
flüchtet und wartete nun auf eine günstige Gelegenheit, ihren
Weg fortsetzen zu können. Selbst wenn der Caleulator nicht
der höfliche, liebenswürdige Mann gewesen tväre, der er in
Wirklichkeit war, würde er doch unter solchen Verhältnissen
nicht umhin gekonnt haben, der Dame seinen Schutz anzubiete».
Er tvar stehen geblieben, lächelnd blickte er zu ihr auf,
die junge Dame stieg rasch die kleine Treppe hinunter und
flüchtete unter seinen Schirm.
„Ich bin Ihnen außerordentlich dankbar für Ihre liebens-
würdige Freundlichkeit," sagte sie, und der Klang ihrer Stimme
mußte wohl sein Ohr sehr angenehm berühren, denn ein leuch-
tender Blick traf aus seine» treuherzigen Augen ihr blühendes,
heiteres Antlitz. „Sie sind gewiß auf dem Wege zum Casino?"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Unter dem Regenschirm"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 60.1874, Nr. 1487, S. 18
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg