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Unter dem Regenschirm.

mit deutlicher Klarheit! Auch er war von seinem Vater zu
dieser Heirath gedrängt worden, auch seiner Schüchternheit und
Unerfahrenheit hatte der fürsorgende Vater durch Zureden nach-
gcholfcn, und er war ihm noch heute dankbar dafür.

Wenn nur Theodor den gutgemeinten Rath befolgen
wollte!

Arm in Arm schritt ein junges Paar an der Laube vorbei;
der Calculator blickte in demselben Moment auf, — er war
sprachlos vor Erstaunen.

Dieses Paar war ja sein Sohn mit Fräulein Rautenstrauch.

Er konnte sich nicht versehen haben, er hatte bie- Dame,
I die damals mit ihm unter dem Regenschirm gegangen war, sofort
wieder erkannt. Und jetzt schon führte Theodor sic am Arme!

Der alte Herr lächelte scelenvergnügt. Das ging ja rascher
und besser, als er erwartet hatte. Oder war er von seinem
Sohne hintcr's Licht geführt worden? Kannte Theodor die
junge Dame schon länger und näher? Aber dann lag ja kein
Grund vor, dies dem Vater zu verschweigen!

Der Calculator erhob sich und trat aus der Laube heraus,
um sich nach dem Pärchen umzuschauen.

Er fand es nicht mehr; in dem großen, mit dichten
Baumgruppen bepflanzten Garten konnte das nicht befremden.

Der alte Herr bedachte sich auch nicht lange, — es war das
Einfachste und Sicherste, wenn er die Familie Rautenstrauch anf-
suchte, von deren Anwesenheit er sich jetzt ja überzeugt hatte. Er
wanderte suchend durch den Garten und fand die Familie in einer
Laube, aber Theodor war nicht bei ihr. Mit vertraulichem Gruß
schritt er auf das Haupt der Familie zu, und die beiden Herren
schüttelten einander freundschaftlich die Hände. Dann wurde der
Calculator eingeladen, Platz zu nehmen und eine Tasse Kaffee
mitzutrinken, was der alte Herr mit freundlichem Dank annahm.

„Sic haben Ihren Herrn Sohn nicht mitgebracht?"
fragte Madame Rautenstranch.

„Doch ja," antwortete der Calculator einigermaßen verwirrt,

„aber Sie wissen ja, wie die jungen Leute sind, sie müssen stets
ihren eigenen Weg gehen."

„Haben wir's nicht auch gethan, als wir jung waren?"
scherzte Rautenstrauch mit einem bedeutungsvollen Blick ans seine
Gattin, die lächelnd ihm zunickte. „Und war's nicht eine
schöne Zeit, der wir noch jetzt uns mit Vergnügen erinnern?"

„Wir erleben in unfern Kindern diese Zeit noch einmal,"
erwiderte der Calculator.

„Ist der junge Herr schon verlobt?"

„Hm — so viel ich weiß —• nein," sagte der Calculator,
und ein pfiffiges Lächeln umspielte dabei seine Lippen. „Ihre
Fräulein Tochter wohl auch noch nicht?"

„Ich kann Ihnen darauf nur dieselbe Antwort geben, die
ich von Ihnen erhielt. Vielleicht könnte sich aber noch heute
etwas ereignen —"

„Was uns Alle überraschte, nicht wahr?"

„Allerdings," nickte Rautenstrauch.

„Würden Sie sofort Ihre Einwilligung geben?"

„Gewiß. Ich darf ja darauf vertrauen, daß Flora keine
Wahl treffen wird, die nicht ihr und uns zur Ehre gereicht."

„Sehr wohl, aber nicht immer wird nur der Charakter
allein in die Wagschale gelegt, in den meisten Fällen muß
das Vermögen entscheiden."

„Auch hierüber bin ich unbesorgt —"

„Sie würden also nicht zur Bedingung machen, daß der
künftige Gatte Ihrer Tochter ein reicher Mann sein müsse?"
fragte der Calculator mit erwartungsvoller Spannung.

Rautenstranch lächelte ironisch.

„Flora wird nicht unter ihrem Stande wählen," ant- !
wortetc er.

„Darauf vertraue ich auch," sagte Madame, „Flora ist
zu klug, — ich glaube, wir dürften ihr die Wahl ohne Sorge
überlassen."

Der Calculator war von dieser Antwort nicht sehr erbaut;
sie gab ihm nicht die Gewißheit, daß Theodor die Einwilligung
der Eltern Flora's erhalten würde. Jndeß, ans den Worten
Rantenstrauchs ging doch auch hervor, daß er die Verlobung seiner
Tochter erwartete, — er hatte ja selbst gesagt, daß sie noch heute
erfolgen könne; der Calculator mußte daraus vermuthen, daß
auch die Eltern Floras das junge Paar bemerkt hatten. Viel-
leicht war es rathsam, Theodor vorzubereiten, ihm den Rath zu
geben, mit der Erklärung noch einige Tage zu warten, — j
der alte Herr war so verwirrt, daß er keinen klaren Gedanken
fassen konnte. „Ich hoffe, wir sehen uns nachher wieder,"
sagte er, indem er anfstand, „ich will nur Nachsehen, wo mein Sohn
bleibt, der wahrscheinlich interessante Gesellschaft gefunden hat."

„Wir können ja gemeinschaftlich zurückfahren," erwiderte
Rautenstrauch in verbindlichem Tone, „vorher setzen wir eine
kleine Bowle an."

„Ich nehme den freundlichen Vorschlag mit Vergnügen an."

„Also aus Wiedersehen!"

Der Calculator hatte seine gute Laune wiedergefundeu, das
freundliche Entgegenkommen Rantenstrauchs belebte seine Hoff-
nungen wieder. Er wunderte durch den Garten und fand auch
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Unter dem Regenschirm"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Zufriedenheit
Bank <Möbel>
Gesichtsfeld
Junge Frau
Laube
Paar <Motiv>
Sohn
Staunen <Motiv>
Nachdenklichkeit
Zylinder <Kopfbedeckung>
Heißes Getränk
Älterer Mann
Karikatur
Tasse <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

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Künstler/Urheber (GND)
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Fliegende Blätter, 60.1874, Nr. 1489, S. 34

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